„No World“ bietet einige großartige Song, macht aber zu oft das, was R’n’B-Platten auf keinen Fall dürfen: Sie plätschert vor sich hin.
Wenn man R’n’B mit einem Wort beschreiben müsste, würde sich Intensität anbieten. R’n’B ist nichts ohne Intensität. Sie zieht sich im Grunde durch das gesamte Spektrum: Der Gesang zieht sie entweder durch schwingende Kraft (En Vogue) oder durch leise Vielfältigkeit (D’Angelo). Manche Songs werden durch die unbedingte Liebe zur Melodie getragen (»Unbreak My Heart«), andere durch die unbedingte Liebe zum Cut (»Independent Woman«). Wenn gute R’n’B-Produzenten etwas machen, machen sie es richtig. Und auch die Themenwahl bietet pure Intensität. Es geht um Liebe, ums Verlassenwerden und viel um Sex. Trotzdem werden Mütter eher besungen als gefickt. Sex ist im R’n’B kein Instrument von Macht, Demütigung und Unterwerfung, sondern ein ehrlicher Ausdruck von Verlangen. Und Ehrlichkeit ist letztlich Teil des Versprechens dieser Musik. Wer so intensiv leidet wie Tony Braxton, dem muss man einfach glauben.
„No World“ von Inc. ist insofern eine bemerkenswerte Platte, weil sie in dem oben beschriebenen Punkt einiges falsch macht, aber trotzdem hörenswert bleibt. Es ist nämlich nicht so, dass das Debütalbum der Brüder Andrew und Daniel Aged, beide seit Jahren als Produzenten für namhafte R’n’B-Künstler tätig, ein Griff ins Klo wäre. Überhaupt nicht. Aber manchen Songs fehlt einfach die oben beschriebene Intensität. Als größter Schwachpunkt des Albums erweist sich der Gesang. Beziehungsweise das weitgehende Fehlen desselben. Die meiste Zeit hauchen, wispern, flüstern die Brüder. Nur selten erlauben sie es sich zumindest in die Kopfstimme zu wechseln. Grundsätzlich wäre das kein Problem: Meilensteine des R’n’B kamen ohne kraftvollen Gesang aus. Aber das funktioniert nur, wenn Songwriting und Produktion dem Track über Instrumentierung oder Cuts Überraschungsmomente und Klimax geben. Das passiert auf „No World“ leider nicht an allen Stellen. Viele Songs plätschern und tröpfeln eher vor sich hin. Und kommen damit nicht an Musiker wie Frank Ocean oder How To Dress Well, die das Genre in den letzten Jahren bereichert haben, heran.
Intensität, Achterbahnfahrt und Gänsehautgefühl eines „Bad Religion“ bietet „No World“ zu keinem Zeitpunkt. Trotzdem: Inc. hat durchaus Songs, die man nicht verpassen sollte. Weil sie entweder wie „The Place“ verdammt gut geschrieben und produziert oder wie „Lifetimes“ eine Melodie mitbringen, die schwache wie starke Gemüter schmelzen lässt. Die Zahl an eintönigen Songs und manch mediokrem Füller, bei dem weder Instrumentals noch Gesang herausstechen, ist aber dann doch zu groß, um „No World“ zu einem durchweg guten Album zu machen. Ein bisschen mehr Ups and Downs hätte man sich gewünscht. Vorbilder gäbe es ja genug.