Der Naschmarkt wird 100. Und so sehr sich Wien in dieser Zeit von Kaiser bis Wahlanfechtung verändert hat, ist auch der Naschmarkt ein ganz anderer. Wir haben Gastronomen am Naschmarkt gefragt, wohin sich der Markt entwickelt (hat) und was er für sie ausmacht.
Markus Freyler von Landsknecht
„Jetzt gibt es am Naschmarkt mehr Gastronomie und Tourismus. Zwischen 80 und 90 Prozent der Leute, die hierher kommen, sind Touristen. Das ist natürlich positiv, aber mir wäre es auch lieber, wenn viele Einheimische kommen. Unsere Spezialitäten sind: Wiener Schnitzel, Gulasch, Kümmelbraten, Kaiserschmarrn, ... Wir haben eine sehr wienerische Küche.“
"Memo" (3.v.l.) und sein Team von Do-An
„Ich arbeite seit sieben Jahren am Naschmarkt. Es hat sich viel geändert. Es kommen weniger Wiener, wobei man zwischen Winter und Sommer unterscheiden muss. Im Winter haben wir noch mehr einheimische Stammgäste, die fühlen sich da wohler – ohne Touristen. Es ist eigentlich überall auf der Welt so: Wenn die Touristen kommen, dann gehen die Einheimischen weg. Im ersten Bezirk siehst du auch nicht so viele Wiener. Wir lesen heutzutage viele negative Kommentare über den Naschmarkt, etwa dass zu viele Lokale da seien. Aber ich denke mir, dass das den Naschmarkt ausmacht. Ich bin schon seit zehn Jahren in Wien und ich habe gehört, dass die Leute vor 20 Jahren Angst davor hatten, über den Naschmarkt zu gehen. Das Do-An ist schon sehr lange da. Zuerst als kleiner Kiosk. Unser Chef hat mit dem Verkauf von Gemüse angefangen. Unsere Hausspezialität ist unser exotischer Salat. Der ist sehr berühmt und seit 20 Jahren gleich. Unser Dressing ist ein Geheimnis.“
Emanuel Yagudayev von Dr Falafel
„Seit 1998 sind wir hier. Der Naschmarkt hat sich sehr verändert. Die Leute kaufen weniger Obst und Gemüse hier, da es rund um den Naschmarkt so viele Supermarktketten gibt. Es ist schwer geworden. Es gibt auch weniger Fisch und Fleisch zu kaufen, sondern eher Feinkost – also Produkte, die man sonst nicht so leicht bekommt. Und Gastronomie gibt es auch mehr, spezialisiert auf verschiedene Länder. Ich habe früher nur mit Gemüse gehandelt. Davon kann man heute nicht mehr leben. Man kann an einer Hand abzählen, wie viele Obst- und Gemüsehändler es hier noch gibt. Man muss sich wirklich spezialisieren. Eine berühmte Politikerin hat über Dr. Falafel gesagt: Das ist eine Institution in Wien.“
Martina Hinterwallner von Delicious Vegan Bistro
„Das Außergewöhnliche an meinem Geschäft sind meine kreativen veganen Speisen. Österreich ist, was die vegane Küche betrifft, noch etwas verschlafen. Ich bin das einzige Lokal am bzw. beim Naschmarkt, das vegane Speisen, Rohkost und clean food anbietet, wobei es am Naschmarkt schon andere Lokale gibt, die auch vegane Speisen auf der Karte haben. Ich habe sehr viele internationale Kunden und ich bekomme schon mit, dass die Österreicher sich eher ungesund ernähren. Und sie trinken sehr viel Alkohol. Ich biete in meinem Lokal keinen Alkohol an. Mein Lokal gibt es seit Oktober 2015 und ich bin sehr glücklich, wie es läuft. Vor allem, weil es mein erstes Lokal ist. Davor war ich 18 Jahre lang Immobilienmaklerin. Ich bin auch wirklich sehr, sehr glücklich über meine Gäste, die sind sehr besonders. Ich habe vor 20 Jahren in dem Haus auf der Rechten Wienzeile gewohnt und nun bin ich auf der anderen Seite: das ist alles sehr magic. Ich sehe das hier nicht nur als Restaurant, sondern auch als Aufgabe, den weltweit boomenden vegangen Lebensstil auch hier zu verbreiten. Für den Naschmarkt hat mit Veganismus eine neue Epoche begonnen.“
Mag. Vera Najdenova von Palatschinkenkuchl
„Das Lokal existiert seit 1984. Zuerst gab es nur den mittleren Teil, das war ein Sauerkraut-Geschäft. Dann kam der andere Teil dazu. Es gab hier früher Heidel Bonbonniere und eben die Palatschinken. 1998 habe ich das Lokal, so wie es ist, übernommen. Natürlich hat sich der Naschmarkt verändert. Er ist kein Nahversorger mehr. Er ist eher eine Touristenattraktion, das darf man nicht unterschätzen. Er steht bei Touristen an dritter Stelle – nach dem Stephansdom und Schloss Schönbrunn. In jedem Reiseführer steht, dass man den Naschmarkt besuchen muss, da es der längste offene Markt in ganz Europa ist. Zu mir kommen auch mehr Touristen, obwohl sie Palatschinken meist nicht kennen. Ich bin damals nach Österreich gekommen, um BWL zu studieren, und das hier war mein Studentenjob. Meine ehemalige Chefin wollte aufhören und dann habe ich das Lokal übernommen. Beliebt sind bei uns die Palatschinken mit Marille, Powidl oder Mohn. Bei den pikanten Palatschinken, sind es die mit Schinken, Käse und Ei. Wir haben immer eine Saisonkarte, die an den Markt angepasst ist. Wir bieten mittlerweile auch laktose- und glutenfreie Palatschinken an. Der Naschmarkt hat sich schon modernisiert. Früher kamen keine jungen Leute hierher und haben ihren Abend am Naschmarkt verbracht. Seit 2000 hat das so langsam begonnen, denn da wurden auch die Öffnungszeiten verlängert. Früher haben wir von 6 Uhr bis 18 Uhr gearbeitet und am Samstag bis 13 Uhr. Dann war der Markt um 14 Uhr leer.“
Senay Umar (2.v.r.) mit Familie von Umar Fisch
„Wir sind seit 20 Jahren am Naschmarkt. Die Leute haben in der Zeit sehr viel über Fisch gelernt. Wir haben mittlerweile auch ein größeres Sortiment. 1997 haben wir als Fischgeschäft angefangen, 2003 ist das Restaurant dazugekommen. Damals kannten die Leute nur die bekannten Speisen, wie etwa Austern und Muscheln. Mittlerweile hat sich die Fisch- und die Esskultur verändert. Die Leute kennen sich besser aus und achten mehr darauf, woher das Essen kommt. Der Naschmarkt ist so eine Genussmeile, die von unterschiedlichen Leuten besucht wird. Der Handel hier ist sehr zurückgegangen. Es gibt nun mehr Gastronomie und Souvenir-Läden. Wir haben eigentlich viele Stammgäste, im Sommer kommen aber vor allem Touristen. Es war eigentlich ein Zufall, dass wir ein Fischgeschäft eröffnet haben. Wir haben etwas Kleines gesucht, das so nebenbei laufen kann. Und dann wurde dieses Fischgeschäft frei, das war aber sehr heruntergewirtschaftet. Wir dachten, dass wir einen kleinen Kiosk mit speziellen Speisen daraus machen könnten. Dann hat das Marktamt aber bei uns gesagt, dass nur ein Fischgeschäft daraus werden kann, damit der Wettbewerb aufrechterhalten wird. Und so hat sich das alles weiterentwickelt und als die Geschäftsfläche nebenan frei geworden ist, haben wir das Lokal daraus gemacht.“
Avi Lewiew von Stella
„Das Lokal gehört meinen Eltern und das, glaube ich, seit 1998. Wir hatten zuerst das Segafredo, ein Kaffeehaus. Und dann haben wir umgebaut und es wurde zu einem Lokal. Ich bin quasi mit dem Naschmarkt aufgewachsen. Früher gab es hier mehr Märkte, die Österreicher selbst haben mehr eingekauft. Der Naschmarkt wird immer Teil meines Lebens sein. Er ist mein zweites Zuhause. Wir sind schon immer hier und haben auch andere Lokale hier, wie etwa das Tewa. Ich fühle mich hier wie Teil einer Familie. Der Naschmarkt hat Tradition. Wir haben auch sehr engen Kontakt mit den anderen Standbetreibern. Es wurde am Naschmarkt viel modernisiert, zum Beispiel gibt es jetzt viele Orientierungskarten und vor allem mehr Lokale.“
Hakan Kiyak von Deli
„Ich arbeite seit fast drei Jahren abends hier. Wir sind eine berühmter Brunch-Spot, die Leute empfehlen uns. Abends haben wir auch immer DJs. Damit sind wir das einzige Lokal. Einmal im Monat gibt es auch Live-Musik. Ich finde es gut, dass die Leute einfach feiern können. Zwei Mal im Jahr machen wir ein eigenes Fest. In der Früh ist das Deli wie ein Restaurant, es kommen auch Familien mit Kindern. Und am Abend ist es mehr wie eine Bar. Am Naschmarkt sind die Restaurants nicht so teuer, das schätzen die Leute. Bei uns gibt es vor allem verschiedene hausgemachte Getränke und orientalische Küche. Ich glaube schon, dass orientalische Küche am Naschmarkt sehr beliebt ist. Man kann sagen, dass da momentan der Trend hingeht. Bei uns gibt es alles in einem Lokal: Essen, Getränke und Musik. Und das ist das, was den Naschmarkt ausmacht – man kann alles an einem Ort haben. Der Naschmarkt ist ein Stück österreichische Kultur. “
100 Jahre ist eine lange Zeit. Und deshalb feiert sich der Naschmarkt heute und morgen auch gebührend selbst. Beim Jubiläumsfest gibts Live-Musik, Show-Einlagen und allerlei sonstiger Späße wie ein Brioche-Wettflechten.
Wir haben uns vorab gefragt, was die Gastronomen am Naschmarkt zu erzählen haben. Wie hat sich der Naschmarkt in den letzten Jahren verändert und seit wann ist er zu einer solchen Touristen-Attraktion geworden? Die Antworten dazu haben wir in der Gallery zusammengefasst.
Am 2. September von 14 bis 22 Uhr und am 3. September von 12 bis 22 Uhr kann man mit dem Naschmarkt mitfeiern. Weitere Infos gibt es hier.