Chakuza bricht mit seiner Vergangenheit. Entgegen seinem Ruf als Straßen-Rapper und Bushido-Attaché ist der Linzer mit dem Album »Magnolia« in seiner musikalischen Wahlheimat angekommen. Und wurde ganz nebenbei erwachsen.
Im Hotelzimmer stehen keine Magnolien. Das wäre des Guten wohl zu viel gewesen. Rapper Chakuza wirkt trotz des Pressemarathons entspannt. Vor allem, so sagt er, weil das Management ganze Arbeit geleistet hat und er sich auf die Interviews konzentrieren kann. Am Vorabend postet er ein Bild seiner Unterkunft auf Facebook und bedankt sich. „Früher war das alles viel mühsamer“, erinnert sich der 32-jährige Linzer. Früher war sowieso alles ganz anders. Jetzt sitzt Chakuza, eigentlich Peter Pangerl, auf der schicken Couch und ist mehr Peter Pangerl, als er sich das seit dem Beginn seiner Musikkarriere hätte denken können. Früher war Chakuza anders. Die New-Era-Caps mussten Beanie-Mützen weichen und die weißen Unterhemden sind jetzt langarmige Shirts. Früher machte Chakuza Straßenrap.
Erwachsener Fallensprung
Mit seinem neuen, vierten Soloalbum „Magnolia“ hat Chakuza für Erstaunen im deutschsprachigen HipHop gesorgt. Und wie immer: Je radikaler der Imagewechsel, desto lauter das Raunen der Szene. „Magnolia“ ist so weit von der Straße entfernt wie das Dachgeschoss-Hotelzimmer, in dem der Linzer an diesem Tag seine Interviews gibt. Chakuza bezeichnet sich und sein Album als erwachsen. Er erzählt auf „Magnolia“ seine Geschichte und schafft es, dabei nur selten in den Pathos abzudriften. Er klingt ruhig, nachdenklich und melancholisch. Rundumschläge sucht man vergebens. Für das musikalische Grundkonzept ist das Produzentenduo Stickle und Steddy verantwortlich, das schon Casper zu seinem Durchbruchalbum „XOXO“ verholfen hatte. Ähnlichkeiten zwischen den beiden Künstlern sind dabei nicht ganz von der Hand zu weisen, Vergleiche scheitern aber spätestens bei den verschiedenen Zugangsweisen zu rappen. Auch ohne Chakuzas musikalische Vergangenheit zu kennen hat man das Gefühl, dass Street-Rap irgendwo im Rucksack des gelernten Kochs verstaut ist. Doch Schimpfen ist nicht mehr. Trotzdem gelingt ihm der Sprung über die Conscious-Rap-Kitschfalle. Als Erwachsener springt es sich eben leichter.
Mit dem Rucksack aus Linz
„Es war ein langer Weg für mich, erwachsen zu werden. Aber ich habe es endlich geschafft, die frühere Rolle abzulegen“, zeigt sich Chakuza mit seiner Position zufrieden. Das Reiseprotokoll seines Werdegangs liest sich wie aus Rap-Hollywood: 2000 gründete er in seiner Heimat Linz zusammen mit DJ Stickle und J die Formation „Verbale Systematik“, die sich später unter dem Namen „Beatlefield“ besonders mit Produktionen einen Namen machte. Rapper J sprang nach einem Streit aus dem Boot und als 2005 der deutsche Rap-Star Bushido bei einem Auftritt in Linz eine Demo-CD des Duos in die Finger bekam, war der Schritt Richtung Karriere geebnet. Chakuza übersiedelte nach Berlin und unterzeichnete einen Vertrag bei Bushidos Label Ersguterjunge. Sein Solo-Debütalbum „City Cobra“ verkaufte sich gut und chartete in Deutschland auf Platz zehn. Am kommerziellen Zenit von deutschem Straßen-Rap machte es sich Chakuza in der Schublade gemütlich. Peter Pangerl musste sich erst einmal hinten anstellen. Aus der Heimat kam zu diesem Zeitpunkt eher Kritik als Applaus: „Ich galt als Verräter, weil ich nach Deutschland gezogen war. Und ich reagierte auch noch trotzig. Aber einmal ehrlich: Wer hätte das damals nicht getan?“, so Chakuza. Überhaupt zeigt sich der Rapper im Hinblick auf seine Vergangenheit heute kritisch: „Viele Songs und Aussagen hätte ich mir sparen können. Aber ich hatte einen Tunnelblick und dachte, dass das meine Schiene ist.“
Ein Zerwürfnis mit dem Berliner Label später drohte 2010 der absteigende Ast. Chakuza begann mit den Arbeiten zu „Magnolia“, das vorerst als Mixtape gedacht war. 2012 wurde er beim Stuttgarter Label Four Music vorstellig und fand dort eine neue musikalische Heimat: „Ohne die Vorarbeiten zu ‚Magnolia’ wäre das nicht möglich gewesen. Mit meinem Rucksack und meinem Ruf hätten sie mich nie unter Vertrag genommen“, weiß Chakuza um die Bedeutung seiner musikalischen Neubestimmung.
Positiv angekommen
Gegenwind aus der früheren Fanbasis spürt Chakuza nur leichten. Vielmehr weist der 32-Jährige darauf hin, dass es ihn überrasche, wie positiv seine Musik aufgenommen werde. Er führt es darauf zurück, dass eben nicht nur die Künstler, sondern auch das Publikum reifen würde: „Die Genregrenzen sind einfach nicht mehr so strikt gezogen. Das tut der Musiklandschaft unheimlich gut“, ist Chakuza glücklich mit dem Wandel. Dass er dennoch gelegentlich in den Rucksack greift, zeigen seine zwei Produktionen auf dem Erfolgsalbum „Blockplatin“ des Offenbacher Street-Rappers Haftbefehl. Doch Produzieren ist für die ehemalige „City Cobra“ allenfalls ein Hobby. Vielmehr will sich Chakuza in der Endstation seiner musikalischen Entwicklung verwirklichen: „Ich bin endlich dort angekommen, wo ich immer hinwollte.“ Magnolien wachsen eben nicht auf der Straße.
„Magnolia“ von Chakuza erscheint am 8. März via Four Music.