Purity Ring überführen Witch House und Chillwave endgültig in den Pop. „Shrines“ spielt mit Versatzstücken aus Goth und Gore, bleibt dabei aber immer süßlich. Kann man schon ziemlich gut finden.
Was ein Paar Strapse manchmal auslösen können. Der Song „Lofticries“ von Purity Ring wurde auf Youtube über 8,5 Mio mal angeklickt und bescherte dem kanadischen Duo eine gewissen Grundbekanntheit. Das begleitende Foto einer knapp bekleideten brünetten Schönheit, die sich auf dem Bett räkelt, dürfte – auch wenn man den Kommentaren folgt – dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben. Wer hat nochmal behauptet, dass sex sells nicht auch im Indiebereich gilt.
Nachdem einige Songs schon seit über einem Jahr im Internet herumgeisterten, liefern Purity Ring jetzt eine komplette Langspielplatte ab. Eigentlich ist das rein hypetechnisch schon ein bisschen spät. Das ist aber nicht schlimm, denn die Band könnte ihrem Sound ohnehin endgültig zum Sprung aus den Blogs und den Partygesprächen unter Early Adoptern verhelfen. „Shrines“ ist massentauglich, und das ist durchaus ein Kompliment.
Süßliche Balladen mit Gore-Elementen
Warum die Band gerade überall gefeiert wird, ist verständlich. Warum ihr überall Düsternis angedichtet wird, ist es weniger. Purity Ring sind süßlich durch und durch. Dass sie wie auch Salem, Holy Other oder ihre Labelkollegin Grimes mit Versatzstücken aus dem Goth-Universum spielen, ändert überhaupt nichts an dem grundsätzlichen Pop-Appeal der Platte. Auch das textliche Kokettieren mit Gore-Elementen (der Song „Fineshrine“ handelt vom Wunsch, den Körper seines Geliebten aufzuschneiden, um sich wirklich mit ihm zu vereinigen) kommt dagegen nicht an.
Im Prinzip sind die Zutaten von „Shrines“ nicht neu. Schleppender R&B, Witch House, Chillwave – Purity Ring bewegen sich auf Pfaden, die andere längst für sie geebnet haben. Neu ist hingegen, dass das Ganze völlig selbstverständlich in ein Gerüst aus Pop gekleidet wird. Das Duo hat wunderbare Hooks im Gepäck, wie man bei „Amemany“ gut hören kann. „Shrines“ ist im Grunde eine Sammlung von Balladen, die von Megan James lieblichem, gehauchten Gesang zusammengehalten wird. Hexen-House mit Elfengesang, wenn man so will. Die Produktion strotzt streckenweise von bombastischen Synthies, die eher an Indie-Stadion-Acts wie M83 erinnern.
Großen Geste mit kleinen Hängern
Man kann „Shrines“ bei allem Lob allerdings nicht von dem Vorwurf freisprechen, die Spannungskurve nicht über die kompletten 40 Minuten halten zu können. Nicht jeder Track erreicht die Qualität von „Ungirthed“ oder dem Opener „Crawlersout“, wo sich Beat, Stimme und Melodie zu einem stimmigen Ganzen vereinen. Unterm Strich bleibt ein Wohlfühlalbum, dem vielleicht zwei Tracks weniger ganz gut getan hätten. "Shrines" erfindet das Rad nicht neu, ist aber in seinen guten Momenten dramatisch, klug und ohne Angst vor den ganz großen Gesten. Liebhaber intelligenter Popmusik sollten sich den Purity Ring definitiv mal überstreifen.
Purity Ring – "Shrines" ist via 4AD bereits erschienen.