Die Nacht ist noch jung

Die Supergroup aus Hudson Mohawke und Lunice funktioniert. "TNGHT" ist Musik, zu der man daheim Kopfnicken und im Club springen will.

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Ein Hype ist grundsätzlich etwas Gutes. Platten, Filme und Bücher brauchen Marketing: Man kauft nichts, von dem man noch nicht gehört hat. Irgendwie muss man aus der Veröffentlichungswelle herausstechen, und letztlich wollen auch alle Beteiligten bezahlt werden.

Ein Hype ist aber auch ein bisschen gefährlich. Mittlerweile hat sich sogar bis in die oberen Etagen Hollywoods herumgesprochen, dass die Kombination „schlechter Film mit hohem Marketing-Budget“ fatal ist. Wenn viele Menschen am Eröffnungswochenende mit ihren enttäuscht Erwartungen den Kinosaal verlassen, hat man eine Armee von Menschen, die ihren Freunden von dem Film abraten.

Man darf die Macher von LuckyMe als klug genug einschätzen, um diese Regeln des Spiels kennen. Sie wissen, wie man einen Hype erzeugt. Das schottische Label und Kollektiv hat durch die richtigen Releases in den letzten Jahren den Namen, die Kontakte und auch das Budget um seine Acts auf den richtigen Kanälen zu platzieren. Vorabtracks auf Pitchfork und Albumteaser auf Youtube sind da mittlerweile Standard.

Die Summe der einzelnen Teile

Dementsprechend groß war die Aufregung im Vorfeld des TNGHT-Projekts. Im Internet, und ehrlich gesagt auch in der Redaktion. Kollaborationen und Supergroups gibt es zuhauf. Aber oft geht es dabei eher darum den verbleibenden Ruhm von verblassenden Sternchen zusammenzuwerfen und zu hoffen, dass es sich noch irgendwie ausgehen wird. Dass sich Acts wie Hudson Mohawke und Lunice zusammentun, kommt nicht alle Tage vor. Die Hoffnung, dass sowas mehr als die Summe der einzelnen Teile ergibt, ist bei solchen Projekten da. Und die Videos von ihrem Auftritt beim South By Southwest versprachen auch einiges.

Hält die EP was sie verspricht? Kurz gesagt: Ja.

Die selbstbetitelte Debüt-EP ist ein powervolles Monster, irgendwo zwischen Hip Hop, Glitch und Electro. Vom vor sich hin tropfenden Opener „Bugg’n“ bis zum sphärischen „Top Floor“ schreit „TNGHT“ geradezu danach, den Verstärker auf maximale Lautstärke aufzudrehen. Die minimalistische Orchestrierung schraubt sich über langsam vor sich hin treibenden Bässen in ungeahnte Höhen. Am besten verstehen lässt sich das Prinzip des Duos an dem bereits aus dem Teaser bekannten Track „Easy Easy“: Das einfache 8 Bit-Thema schleppt sich über vier grandiose Minuten, schafft mit kleinen Pausen Teaser und Struktur und verschmilzt zwischenzeitlich mit einem Bass, der mit dem richtigen Subwoofer schon mal einen Golf GTI von der Landstraße fegt.

Die Zukunft muss warten

Zu der Musik von TNGHT möchte man daheim Kopfnicken und im Club seine Arme in die Luft reißen und schreien. Oder auch umgekehrt. Die ganz große Zukunft ist es allerdings nicht geworden. Man hat schon das Gefühl vieles bereits gehört zu haben, vor allem auf Hudson Mohawkes Releases. Wäre die Platte als Soloprojekt des Glasgower Produzenten angekündigt worden, wäre das wohl niemand aufgefallen. Das tut dem Genuss allerdings keine Abbruch. Wer auch nur im entferntesten auf basslastige Musik steht und dafür keinen Breakbeat braucht, sollte sich die Platte besorgen. Am besten noch tonight.

"TNGHT" von TNGHT via Warp Records erscheint am 24.7.

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