Jetzt hat es mich wieder einmal erwischt. Ich erlebe gerade einen ziemlich uncharmanten Rückfall in Sachen Onanie. Der kommt bei mir in unregelmäßigen Schüben.
Ich will – vor allem, um mir den Ernst der Lage nicht vor Augen führen zu müssen – nicht mit Zahlenmaterial herumschmeißen. Man würde es ohnehin nicht glauben. Außerdem kommt mir ein kleiner Selbstbetrug in dieser Hinsicht sehr gelegen. Nichts lässt einen besser normal weitermachen, als der Glaube, alles sei im grünen Bereich. Dass dieser Glaube auf ein gewissenhaftes Ignorieren einer akribisch geführten Spritz-Strichliste aufbaut, ist eine dieser bezaubernden Ironien, die nur der Alltag zu fabrizieren imstande ist. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Inspirationsquellen für meine Ausritte in Eigenliebebelangen aus den hintersten Winkeln meiner Erinnerung abgerufen werden. Ich befriedige mich also zurzeit vorwiegend unplugged, und somit ohne technische Hilfsmittel. Also kein Internet, elektrische Zahnbürste oder lustiges Spielzeug, das mir Firmen immer wieder zu Rezensionszwecken zukommen lassen.
Allerdings – so ehrlich muss ich jetzt auch noch sein – ganz unplugged war ich wirklich nicht unterwegs, denn mir fiel eine gut zehn Jahre alte Daten-CD in die Hände und da waren, neben unfertigen Seminararbeiten und halbgaren Referaten, so einiges an einschlägigem Bildmaterial bewegter Natur draufgebrannt. Wiedersehen macht auch in dieser Hinsicht Freude und es hat etwas von einem vorübergehenden Ankern in alten, lange nicht mehr angelaufenen Gestaden. Anders als bei Spielfilmen, in denen man auch noch nach dem fünften Mal Schauen neue Details zu erkennen glaubt und sich dann still darüber freut, weil man den eigentlich unnötigen Zeitaufwand gerechtfertigt sieht, sind bei Pornos aber eher keine neuen Handlungsfinessen zu entdecken.
Ein, zweimal hab ich mich vielleicht so Dinge gefragt wie, ob mir die komische Lampe mit dem Leopardenfellbezug schon damals aufgefallen ist – das war’s dann aber auch schon fast. Fast, denn ich kam auch nicht drum herum mich zu fragen, ob die Filmchen Schuld daran trugen, dass meine angefangenen Seminararbeiten und Referate nie fertig wurden. Die Themen waren nämlich recht knackig und eigentlich schon weit fortgeschritten ausgearbeitet.
Hiermit biete ich Interessierten gerne ein Referat zu Gustav Ucickys Film »Café Elektric« an, in dem Marlene Dietrich ihr Kinodebüt gab. Und lege noch eine ordentlich recherchierte, bereits mit zahlreichen Satzbausteinen und Quellenangaben versehene Biografie zum Essayisten und Journalisten Anton Kuh dazu. Dieser Arbeit ist übrigens der schöne Satz »Lieber in Berlin unter Wienern, statt in Wien unter Kremsern« vorangestellt. Aber wie gesagt, alles ist leider nur halbfertig, zuviel des Wichsens lähmt anscheinend ein Vorankommen in intellektuellen Angelegenheiten. Nein, sorry, ich revidiere. Nicht nur anscheinend, sondern tatsächlich.
Auch weil übersteigerte Triebbefriedigung ganz komische Wortwahl und eigenartigen Satzbau macht und zudem die Realität verzerrt. Zum Beispiel war ich unlängst, als ich einer kleinen Besorgung wegen eine Schlecker-Filiale aufsuchte sehr entrüstet, als mir an der Kassa kein Oralverkehr angeboten wurde. Nein, sorry nochmal. Es war natürlich keine Schlecker-Filiale. Das hab ich jetzt erfunden, weil Schlecker einfach mehrdeutiger ist und bald auch von wirtschaftsnostalgischem Wert sein wird und deshalb noch mal kurz verewigt werden muss. Vielmehr war es eine Bipa-Filiale. Ich geh nur zum Bipa, ich hab nämlich eine Bipa-Card. Mit der gibt’s nämlich immer Rabatt auf Waschpulver, Geschirrspültabs, Nivea-Deo und meistens auch für Oral-B Aufsteckbürsten für die elektrische Zahnbürste.
Bipa, mit seinem puffigen Pink in der CI ist übrigens auch nicht gerade schlecht sexuell aufgeladen, und seit sie den alten Slogan »Alles Liebe, Bipa« gegen Sätze wie »Bi Crazy Bipa« oder »Bi Beautiful Bipa« usw. ausgetauscht haben, ist die Sache für mich noch expliziter geworden. Der Bipa ist ein Drogeriebordell. Und in nuttiger Umgebung fühl ich mich gut aufgehoben. Besser als beim »dm«. »dm«, möchte ich immer schreien, »dm, mir graut’s vor dir und deinem faden Hier-bin-ich-Mensch-hier-kauf-ich-ein-Slogan. Da muss ich immer an Faust-Fuck denken.
Sagt man heute überhaupt noch Slogan? Oder ist das ein Terminus, den nur noch Vertreter umsatzschwacher Werbeagenturen, die in ihrer Denke in den 80er Jahren stecken geblieben sind, verwenden? Mir wurde gesagt, man verwende Claim oder Tagline stattdessen. Ungefähr so, wie jeder Kabarettist, der eine politische Anspielung in sein Programm einbaut, Satiriker heißen will. Oder Fressbürger mit mindestens Matura schon seit Jahren statt Nudeln Pasta sagen. So, fertig, jetzt muss ich wieder ein bisschen an meiner Pasta feilen.