Lieskes Anti-Autobiografie

Was haben Platon, Platoons und David Lieske gemeinsam? In einer Ausstellung im Mumok kann man das jetzt anschaulich sehen.

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David Lieske, geboren 1979 in Hamburg, ist Künstler, Mitbegründer von Dial Records und Mitbetreiber der Mathew Gallery in Berlin. In der Ausstellung „Platoon (RL-X)“ erzählt er seine retrospektiv verklärte Autobiografie.

Lieske erobern

Sie steht im Zentrum der aktuellen Ausstellung im Mumok. In Gesprächen mit dem befreundeten Schriftsteller Ingo Niermann entstand das Buch "I tried to make this work (Vol. I)", das nur in der Ausstellung einsehbar ist. Freunde und Familie dürften darin ebenso eine Rolle spielen wie Autoren und Bekannte aus der Kunst- und Clubszene. Wie etwa Peter Kersten, der Labelmitbegründer von Dial Records und Co-Betreiber der Mathew Gallery, die Villa Design Group oder der eigene Großvater. In dieser wohl prosaisch-semi-veristischen Abhandlung soll „der enge Nexus zwischen Legende und Werk, zwischen Person und Produkt des Künstlers verhandelt“ werden. Das Publikum soll sich die Künstlerfigur David Lieske in „einem Setting aus Munitionskisten, Tarnnetzen und weiteren paramilitärischen Objekten“ taktisch erobern.

Schon in früheren Ausstellungen durchleuchtete Lieske seine Vergangenheit und die seiner Familie, streifte darin eine von Krieg gebrandmarkte Geschichte und legte seine Erinnerungen offen. In dem Video „Imperium in Imperio (Domestic Scene IV)" sehen wir David Lieske in seiner Berliner Wohnung wie er mit einem Freund raucht, trinkt und kifft. Ein Kommentator spricht währenddessen über Hannah Arendt und die Juden in Deutschland, erwähnt Kafka und Nietzsche. Dabei scheint diese Vergangenheit kaum mehr in seine heutige Berliner Gegenwart hineinzuwirken. Es entsteht eine perplexe Sicht auf und eine schwindlige Beziehung zwischen Bild und Kommentar, zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen dem ganz Privaten und den öffentlichen Angelegenheiten.

Platon und Platoon

Lieske bedient sich kritisch aber durchaus geistreich und erheiternd Symboliken, Textilien und Fotografien. Ob aus dem Nationalsozialismus, dem Judentum, ob als Verweis auf Platon und C.G. Jung, auf die eigene Familiengeschichte, auf das Platoon und militärische Objekte oder auf die Kunst-, Musik- und Modeszene. Gemeinsam ist ihnen, dass sich Fragen nach der Funktion und der Organisation von gesellschaftlichen Strukturen stellen. Einerseits wirken sie erhaltend: Die Familie, der Glaube, das Selbstbild, der Stützpunkt. Heute heißt das oft: Du bist was du trägst, du bist was du hörst und du bist was du liest. Andererseits wirken solche Systeme eben auch einschränkend, elitär – oder wie uns die Geschichte lehrte gar zerstörend.

Die eigene Position innerhalb einer größeren sozialen Gruppe zu finden, fordert stetige Selbsterhaltung und Haltung. Dabei sollte sich das Tarnnetz aus vergangenen und gegenwärtigen Wechselwirkungen zwischen den Geschichten und den Objekten, mit denen wir uns umgeben, uns nicht den Grundfragen entziehen.

Platoons als militärische Einheiten stellen mit ihrer spezifischen Aufgabe Dinge wie (Selbst-)Organisation, Einheit, Zusammengehörigkeit und (Selbst-)Erhaltung innerhalb operierender Strukturen auf die Probe; ganz Ähnliches tat Platon in seinen Schriften und tut auch David Lieske in seinen Ausstellungen. "Platoon (RL-X)" erscheint so als ständiger Kampf mit sich selber – selbst dann noch wenn das Schlachtfeld eine gemütlich Plane in der Sonne oder die Galerie in Mitte ist.

Am 11. Februar 2015, 19.00 Uhr wird die Einzelausstellung „Platoon (RL-X)“ von David Lieske im Mumok eröffnet. Sie läuft bis 14. Juni 2015. Kuratiert wurde die Ausstellung von Barbara Rüdiger.

Ab Mai wird eine Publikation im PDF-Format mit Textbeiträgen von Isabelle Graw und Michael Sánchez auf der Mumok-Webseite zum Download bereit gestellt.

Bild(er) © David Lieske. Platoon (RL-X)
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