Autogene Selbstannäherung

Der sympathische Lockenkopf Florian Horwath nähert sich mit seinem dritten Album »Speak To Me Now« und neuen Sidemen dem organischen Sound seines Herzens an.

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Es rumpelt treibend perkussiv in der Rhythmusecke. Die Gitarre sucht ihre Akzente in offenen Chords, als hätte Keith Richards seine Drogen gewechselt und es selbst nicht bemerkt. Über einem lebendigen Korpus an Implosionen setzt die Stimme zum Mantra an und beschwört die Konversation. Brüchig in hoher Lager nach Tagen ohne Wasser, den Ton brechen lassend. Was wie ein lebhafter Jam der mittleren Led Zeppelin oder versunkenen Primal Scream daherkommt, hat seinen Ursprung in Wien und ist der Start des dritten Soloalbums von Florian Horwath.

Nicht, dass er nun ein Album aus einem Guss diesem Stil verschreibt. Das wäre zu einfach, nie der Gedanke gewesen. Für seinen Drittling »Speak To Me Now« hat der gebürtige Tiroler erneut sein Umfeld geändert. Erstmals nach weiten Reisen hält als Basis Wien her, der gute Freund Gerald Votava hat als Produzent und Studiobesitzer auch die Finger am Bass, Skandinavier Kyrre Kvam bedient die Tasten. Dazu kommt erstaunliche Hilfe von Richard Pappik an Schlagwerken und Sven Regener hält Atem bereit für Trompete, Flügelhorn und den Mix. Die beiden Herren sind eigentlich bestimmender Teil der verehrungswürdigen Element Of Crime und haben so auch das schöne Tritonus Studio zu Berlin an der Hand.

Wahnsinn. Warum sagen solche Meister zu, bei einem schräg-verspielten Songwriter aus Österreich mitzuwerken? Bonus. Es hat etwas mit Respekt zu tun. Immerhin ist Pappik nun auch fixer Bestandteil der Band auf kommenden Gigs. Und auch auf den Brettern wird die Scheibe nicht nur einfach multipliziert, sondern offen musiziert. Was eben schon den neuen Longplayer auszeichnet. Auf den ersten Horcher denkt man an schnell mitgeschnittene Lagerfeuer-Sessions, mutmaßt über die Einfachheit der Aufnahmen. Erfordert eben auch Mut, manche Sachen einfach mal so stehen zu lassen und sie nicht im Namen der Perfektion glattzubügeln. Im erneuten Durchlauf bleiben immer mehr Lieder zwischen Hammer, Amboss und Steigbügel hängen. Ebenso widerlegt Horwath die trockene Ernsthaftigkeit mancher Genossen der Zunft mit Leichtigkeit, wenn er verspielte Texte mit dahintänzelndem Groove hinlegt. Weder in der Mitmach-Posse noch Belanglosigkeit strandend. Eine Kunst für sich selbst.

„Sleepyhead“ war homogen und opulent gehalten. Nun ist eine hörbare Reduzierung zu bemerken. War der Ansatz bewusst so?

Es war eine bewusste Entscheidung, alles zu reduzieren. Aber nicht unbedingt auf die Instrumente bezogen, sondern in der Herangehensweise. Zwar ist „Sleepyhead“ auch recht schnell entstanden, aber es war üppiger arrangiert. Und dieses Mal gibt es eine direkte, geradlinige Übersetzung des Songs, praktisch Volley übernommen.

Wie kommt man zur Ehre gleich mit zwei Element Of Crime-Musikanten zu arbeiten? Einerseits gibst du etwas aus der Hand, in die andere bekommst du viel Retour.

Das ist reine Vertrauensfrage. Das Schlagzeugspiel von Pappik ist integraler Bestandteil der Platte. Das Gerüst der Lieder ist Rhythmus und ein Instrument. Fertig. Der Rest ist sich mit dem Menschen austauschen und Vertrauen, Hoffen, dass alles zusammengeht. Wissen ist erst nachher, Garantie gibt es keine. Deswegen muss das schon vor der Zusammenarbeit stimmen und klar sein, dass man es miteinander durchzieht.

Gab es seitens der kooperierenden Firmen nach dem Vorgänger eine Erwartungshaltung, die eine weitere Ausarbeitung des Materials erwartet hätte?

Soundmässig sicher. Für mich ist es nahe beieinander, obwohl es anders klingt. Es gab auch diesmal eine zweite Bearbeitungsstufe, nur ist diese weniger opulent ausgefallen. Diesmal ist es mehr Knochen und Fleisch in einem… Knochenmark dabei. Es war klar, dass Sven Regener einen guten und genauen Plan dafür hat. Wir hatten nur zwei Tage für Zusatzaufnahmen wie Trompeten und das Mischen. Er hat sehr schnell und entscheidungsstark handeln müssen. Aber das passt zum Charakteristikum der gesamten Platte, dass alles schnell ging. Boom Tschak!

Wie ist das live umsetzbar? Du lebst nun in Wien, hast Leute aus Skandinavien und Berlin dabei – lässt sich das noch leicht organisieren?

Das Setup ist ein anderes, es wird sich anders anfühlen. Ich bin selbst gespannt. Obwohl das Team der Platte auch auf die Bühne geht. Die Planung der Tour ist sicher organisatorisch wertvoll. (lacht) Da muss schon alles gut im Vorhinein geplant sein. Aber es gibt von allen Beteiligten eine große Ernsthaftigkeit gegenüber dem Projekt. Das ist fabelhaft. Klar haben Element Of Crime-Konzerte Vorrang, aber bis jetzt gibt es keine Kollisionen.

Du hast auch als DJ einen Namen, wobei da immer viel mehr Beats dabei waren. Warum hört man davon kaum etwas auf den Platten?

Da zieht es mich nicht hin. Bei meinen Songs als Florian Horwath war es bisher nicht das Gefühl. Obwohl ich sehr affin zu dem Sound bin. Wenn ich mit Wolfgang Schlögel von den Sofa Surfers ein Projekt verfolge, ist das deutlich mehr Rhythmus-orientiert. Aber als Solokünstler ergab es sich bis jetzt nicht, ausgeschlossen ist es zukünftig aber auch nicht. Ich habe vielleicht zuviel Respekt davor und versuche mich auf das Gerippe zu beschränken. Für mich gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder voll rein in die Materie oder weglassen. Es gibt auch immer Orgel-Diskussionen. Es muss einen Grund geben, warum dieser Sound in diese Nummer rein soll. Theoretisch kann man alles machen, aber es muss eben einfach vom Gefühl reinpassen. Entscheidungen müssen getroffen werden. So geht es auch beim Nachdenken über Produzenten für eine Zusammenarbeit. Ich will den gesamten Weg von Anfang bis Ende gemeinsam gehen, nur so halb ist es nicht.

Kann man sagen, dass du wieder in Wien angekommen bist? Bisher bist du für Aufnahmen immer in anderen Ländern gewesen. Familiär als Vater war das sicher auch einfacher.

Wir haben das sicher sehr minimalistisch und spröde umgesetzt. Für einen gemeinsamen Weg entschieden. Und auch die intensivste Zusammenarbeit bei einem Album. Gerald Votava hat einen sehr großen Anteil an dem Album. Er ist Perfektionist, ein extremer Klangforscher, Soundtüftler und hat die verwendete Aufnahmetechnik klar definiert. Er ist auch sehr streng im Widerspiel, was ich gut finde. Von den Grundaufnahmen her war das viel mehr Zeit als früher um den richtigen Klang zu finden. Aber für mich klingt das nicht Lo-Fi, sondern nur spröder. Der Ton ist bewusst mehr stehen gelassen. Und es ging natürlich um das wirkliche live Aufnehmen, um alles möglichst gut festzuhalten.

Reaktionen bisher klingen wie?

Gut. Sehr gut. Auch aus den relevanten deutschen Magazinen. Sehr erfreut. Und ein wenig verwundert.

Gibt es so etwas wie Angst um die Miete der kommenden Monate als Vater?

Musik Machen heutzutage. Ich versuche die Dinge so anzunehmen, wie sie kommen. Man kann sich natürlich auch unter Druck setzen lassen. Aber es beruht eigentlich auf dem Prinzip Hoffnung und sonst versuche ich alle Dinge so gut wie möglich zu machen. Man kann eine Single machen und Formatradios wollen das, aber in meinem Metier kann ich nicht mit dem Reichtum rechnen. Das bringt nichts. Ich bin jetzt sicher entspannter als früher. Nicht dass es mir egal wäre. Aber ich weiß, welche Sachen ich beeinflussen kann und welche nicht. Das ist auf Dauer der gesündere Weg. Die Zeiten als freier Idealist, der sich treiben lässt, sind vorbei. Mit meiner Freundin muss natürlich mehr geplant werden als früher, organisatorisch geschärft. Aber das wächst in bestem Falle ganz natürlich.

»Speak To Me Now« von Florian Horwath ist via Universal Records erschienen. Zudem ist der gute Mann ausgiebig unterwegs und bestreitet neben Solo-Gigs das Vorprogramm zur laufenden Element-Of-Crime-Tour.

http://www.florianhorwath.com

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