Die bisher größte deutsche TV-Produktion startet im Oktober: Babylon Berlin. Schauspieler Karl Markovics sprach mit uns über seine Rolle, Politik und die 20er.
Das Berlin der Zwischenkriegszeit blieb in der Popkultur lange Jahre eher stiefmütterlich behandelt, obwohl gerade die Goldenen Zwanziger in der allgemeinen Vorstellung voller Glamour und Avantgarde steckten: Frauen mit Bob-Frisur und Hängekleidchen, Zigarettenspitze und Champagnerschale tanzen zu Swing, während in den Theatern Brecht gespielt wird. Das ist heute meistens die romantisierte, aber eher einseitige Vorstellung. In Wahrheit fiel Deutschland allerdings unter der Last des Ersten Weltkriegs in eine Armut, die den Weg für den Aufstieg der Nationalsozialisten ebnete. Genau hier ist Babylon Berlin angesiedelt, unter der Schirmherrschaft von Regisseur Tom Tykwer. Die Krimiserie, basierend auf einer Romanreihe von Volker Kutscher, versetzt die Zuschauer in ein gespaltenes Berlin 1929 und rollt neben der ganzen Extravaganz auch die dunklen Seiten der Weimarer Republik auf.
Herr Markovics, welche Rolle spielen Sie in Babylon Berlin?
Ich spiele Samuel Katelbach, der als Korrespondent in Berlin ist. Die Figur ist in Anlehnung an viele österreichische Literaten und Journalisten entstanden. Alfred Polgar, Josef Roth, Anton Kuh – die haben alle ihr Geld mit Journalismus verdient. Katelbach wohnt in derselben Untermietspension wie die Hauptfigur Gedeon Rath und dadurch entsteht eine Art Symbiose nach dem Motto: Eine Hand wäscht die andere. Der Journalist kann den Kriminalkommissar mit Informationen versorgen und umgekehrt. Sie werden über ihr gemeinsames Interesse verstrickt, von politischer Erpressung, persönlicher Bereicherung, politischem Umsturz und Intrigen, die sich in die höchsten Kreise der Politik und die niedersten Kreise des Drogen- und Prostitutionsgeschäfts ausstrecken.
Sind Ihnen die politischen Themen wichtig gewesen, als Sie für die Rolle zugesagt haben?
Das war für mich der Hauptgrund zuzusagen. Man scheut sich hier nicht, den politisch-gesellschaftlichen Kosmos Berlin in all seiner Vielfalt zu zeigen. Wir sehen die beginnende Emanzipation von Frauen, da es zu dieser Zeit überhaupt mal Arbeit für Frauen gab. Eine wunderschöne Szene am Anfang zeigt, wie die „Tippsen“ wie am Strich stehen und auf ihren Auftrag warten. Das war immer eine Art von Prostitution. Die Regisseure schaffen es, den Nimbus Berlin einzufangen. Wenn man Siegfried Krakauers „Die Angestellte“ liest, geht es ums Tanzen und den Job in der Büroburg. Und genau diese beiden Pole habe ich hier auch: Den Nachtclub auf der einen Seite und das Polizeipräsidium, mit dem getakteten Angestelltentum und den Stundenjobs für Frauen, mit genauen Hierarchien und der durchrationalisierten Gesellschaft, auf der anderen Seite. Das ist Berlin und das ist, worauf die Moderne fußt und was heute immer noch weitergeführt wird.
Viele Themen der Serie und der Zeit sind heute so aktuell wie nie – das ist sicher kein Zufall!
Nein, das ist keineswegs Zufall. Natürlich ist das einerseits gewollt, andererseits auch eine Tatsache. Nationalismus ist plötzlich wieder so ein Thema und die politischen Systeme bewegen sich, wenn überhaupt, eher nach rechts, als nach links. Die Linken wissen nicht mehr, wofür sie stehen und die Rechten machen den Mund auf. Da haben die drei Regisseure (Tom Tykwer, Achim von Borries, Hendrik Handloegten, a.d.R.) ganz genau gewusst, was sie tun. Das lief nicht nach dem Motto: „Was haben wir denn lange nicht mehr im Fernsehen gesehen?“ Sondern man hat sich gefragt, was damals das Heute war und welche Zeit mit jetzt vergleichbar ist. Das ist im deutschsprachigen Raum sicher Berlin 1920 gewesen.
Aber eigentlich steht die Politik ja nicht im Mittelpunkt der Krimi-Serie.
In der Inszenierung wird da immer auf die Zwischentöne und ein Weglassen wert gelegt. Man kann auch zwischen den Zeilen spielen, nicht nur lesen. Und mit Sicherheit ist das Interesse von allen drei Regisseuren, dass die Krimihandlung das Vehikel für die Historie ist. Für die Betrachter, denen das schnurz ist, oder die keine Ahnung davon haben und nur unterhalten werden wollen, funktioniert das aber umgekehrt genauso. Wir haben eine geile Kulisse und eine spannende Handlung, aber der Mehrwert ist da, wenn man ihn sich nehmen will.
So richtig Gut oder Böse sind die Figuren alle nicht in Babylon Berlin. Das ist wohl im deutschen Sprachraum eine Art Grundkompetenz.
Ja, so sehr der Anspruch war, etwas zu machen, das an die großen Serien herankommt: Man macht nicht den Fehler amerikanischer sein zu wollen, als die Amerikaner. Dort braucht man immer das Böse, damit das Gute am Ende gewinnen kann. Wir haben diese große europäische Ambivalenz und erkennt oft bis zum Schluss nicht, wer wirklich gut und wirklich böse ist, weil es das in dieser Reinform gar nicht gibt. Jeder hat irgendwo seinen Defekt und ist im überraschenden Moment zu menschlicher Größe imstande. Oder zumindest zu Empathie.
„Babylon Berlin“ ist ab 13. Oktober 2017 auf Sky zu sehen.