Alle Jahre wieder blickt unsere Redaktion auf die popkulturellen Highlights der letzten zwölf Monate zurück. Mit streng subjektivem Blick. Was Bernhard Frena aus 2022 besonders in Erinnerung bleiben wird, könnt ihr hier nachlesen.
Top 5 Comics 2022
5. Julie Doucet: »Time Zone J« (Drawn & Quarterly)
Nach einer 15-jährigen Pause kehrte die kanadische Underground-Ikone Julie Doucet Anfang letzten Jahres mit »Time Zone J« in die Comicwelt zurück. »Time Zone J« spielt mit Format und Comic-Konventionen. Der Comic besteht aus einer einzelnen Zeichnung, die sich auf einem zusammenhängenden Papier vom Anfang zum Ende des Buches schlängelt. Jede einzelne »Seite« wird dabei zusätzlich von unten nach oben gelesen. Doucet ist die Protagonistin in der semi-autobiografischen Erzählung. Sie erscheint immer und immer wieder in der langen Schleife, wird zu einem Kaleidoskop einer Person und zeigt, was Gleichzeitigkeit im Medium Comic bedeuten kann.
4. Marijpol – »Hort« (Edition Moderne)
Mein größter Kritikpunkt an Mainstream-Science-Fiction ist, wie fantasielos sie manchmal daherkommt. Gerade, wenn es um Themen wie Gesellschaft und Lebensentwürfe geht, reproduziert das Genre oft einfach nur, was in unserer Gegenwart gerade da ist, und scheint unfähig, neue Formen von (Zusammen-)Leben zu denken. Nicht so bei Marijpols neuem Comic »Hort«. Hier wird von der Familie über Beziehungen bis hin zur Körperlichkeit alles neu gedacht und verhandelt. Marijpol gelingt ein im besten Sinne queerer Entwurf einer möglichen Gesellschaft, der voll ausschöpft, welche Gedankenexperimente Science-Fiction wagen kann.
3. Nino Bulling – »Abfackeln« (Edition Moderne)
Nino Bullings Beitrag zur Documenta in Kassel nicht gesehen zu haben, bedaure ich bis heute. Die Ausstellung erweiterte und ergänzte Bullings neuesten Comic »Abfackeln«, was aber nicht heißen soll, dass der Comic nicht auch so eines der Highlights des letzten Jahres war. »Abfackeln« beschäftigt sich an der Oberfläche damit, zu sich selbst zu finden, spezifisch als trans Person, aber ganz allgemein als Mensch in einer Welt, in der unser Platz unsicher ist. Doch darunter wuchert ein Gestrüpp aus familiären, romantischen, sexuellen und freundschaftlichen Verwicklungen. Zu sich selbst finden, heißt in diesem Kontext dann, diese Verwicklungen zu hinterfragen, sie neu zu finden oder sie im schlimmsten Fall ganz zu verlieren. Bulling zeichnet diesen Prozess gefühlvoll und mit bestimmtem Strich. Die Edition Moderne packte es in eine der schönsten Aufmachungen der letzten Jahre.
2. Franz Suess – »Diebe und Laien« (Avant-Verlag)
Meine ausführliche Rezension zu »Diebe und Laien« von Franz Suess ist noch ausständig, aber die hohe Position in dieser Liste sollte den Grundtenor schon vorwegnehmen. Suess illustriert, wie so häufig, die Niederungen von (Wiener) Nischenfiguren. Der Comic atmet dieses Milieu geradezu. Außergewöhnlich sind diesmal vor allem der Umfang des Buches und die Farbe der Panels. Wie gewohnt drängen sich seine Figuren in die rigiden 2×2-Raster der Seite, doch die Farbe lässt die Panels noch dichter erscheinen als bisher. Es wirkt, als hätte gar nicht alles Platz, was Suess da darstellt, als müssten seine Figuren geradezu aus dem Raster ausbrechen.
1. Lale Westvind – »Grip« (Perfectly Acceptable Press)
Wer noch nicht weiß, welchen Einfluss Drucktechnik auf Comics hat, sollte sich unbedingt »Grip« von Lale Westvind anschauen. Das Buch wurde völlig in sogenannten Volltonfarben gedruckt. Das erlaubt auch Farben, die sich mit klassischem CMYK-Druck nicht darstellen lassen. Allen voran bei »Grip«: ein leuchtendes Neonpink. Inhaltlich erzählt Westvind völlig ohne Worte eine Reisegeschichte durch fantastische Welten, voll von Transformationen und Bewegungen, wie sie nur ein Comic in dieser Art darstellen kann. Erschienen ist der Comic eigentlich schon 2020, da er es aber erst dieses Jahr in meine Hände geschafft und mich wie sonst kein Comic dieses Jahr beeindruckt hat, musste er trotzdem an die Spitze dieser Liste.
Auch nicht schlecht:
Meine Espressomaschine nach Jahren wieder in Betrieb nehmen zu können
Was Bernhard Frena zuletzt sonst so beschäftigt hat, könnt ihr hier nachlesen. Für weitere Jahresendlisten aus unserer Redaktion bitte hier entlang.