Hugo Portisch hat mit „Was jetzt“ eine leidentschaftliche Verteidigung des gemeinsamen Europas geschrieben. Friede und Wohlstand kamen nicht zufällig. Es gilt, diese Errungenschaften zu verteidigen.
Die Europäische Union und ihr Grundgedanke sehen schweren Zeiten entgegen. Finanzkrise, Bankenrettungspakete und Griechenlandhilfe geben Populisten von links und rechts genug Munition, um gegen Brüssel und den Euro zu wettern. Nationale Regierungschefs sind wie eh und je bereit, Entscheidungen auf Gipfeln mitzutragen und sie dann zuhause auf „die EU“ zu schieben. Und doch verdient der Gedanke eines gemeinsamen Europas eine Verteidigung, heute mehr denn je. Der Journalist Hugo Portisch (*1927) hat mit „Was jetzt“ ein kurzes Buch geschrieben, das genau das tut.
Die kleine Geste ist Portischs Sache nicht. Ganz in der Tradition seiner Dokumentationen „Österreich I“ und „Österreich II“ holt er weit aus und schlägt einen Bogen vom Ersten Weltkrieg über den Kalten Krieg bis heute. Der Grundaussage: Die Selbstverständlichkeit, mit der wir heute den Frieden in Europa betrachten, ist ein Werk, für das man der EU nicht genug danken kann. Die Europäische Union mag nicht immer eine Veranstaltung von gegenseitiger Solidarität und Transfers gewesen sein, aber unterm Strich haben immer alle profitiert: Frankreich und Deutschland als die beiden großen (ehemaligen) Erbfeinde, die vielen mittleren und kleinen Staaten, Nettozahler und Nettoempfänger.
Solidarität und Marshallplan
Portisch macht, was er großartig kann: Die großen Geschichten erzählen und die Informationen gezielt aufzubereiten. Dabei gibt er manche Geschichte preis, die auch historisch interessierten Lesern neu sein dürfte. Als Beispiel sei hier genannt, dass 1948 jeder Minister berechtigt war, bei einer Machtergreifung der Kommunisten in Österreich eine Exilregierung zu bilden. Oder dass es Pläne gab, die Heiligenstädter Straße zu planieren, um bei einer eventuellen sowjetischen Blockade Wiens schnell eine Luftbrücke einzurichten.
Portisch ordnet die Fülle an Informationen überzeugend ein. Nicht nur angenehm: Portisch vergleicht die Situation der europäischen Staaten nach dem 2. Weltkrieg mit der Situation Griechenlands heute und plädiert deshalb sehr eine Solidarität, die den Resten eines zerfetzten Europas damals zugute kam. Er wehrt sich gegen die Annahme , die Nationalstaaten hätten den „heutigen Wohlstand und unsere soziale Sicherheit, unsere wirtschaftlichen Möglichkeiten in Europa und der Welt auch ganz allein geschafft, wozu es in Wirklichkeit einer jahrzehntelangen Anstrengung Europas bedurft hat.“
Natürlich, „Was jetzt“ bemüht sich nicht sonderlich um Objektivität und spart die negativen Seiten der Europäischen Union vielfach aus. Trotzdem: Man sollte sich eine Stunde nehmen, um diese Verbindung von persönlichen Erinnerungen und historischer Abhandlung zu lesen. Danach wird man die Griechenlandhilfe vielleicht mit anderen Augen sehen.
Hugo Portisch, "Was jetzt"
Ecowin Verlag, Salzburg