Ein weitschichtiger Bekannter hat seine Schildkröte Dichand getauft. „Der überlebt uns alle“, sagt er immer zweideutig. Über eine Katze namens Kennedy, verflossene Liebschaften und lyrisches Damen-Tennis.
Sie lispelte. Und das „R“ rollte sie auch noch. Höchststrafe, da kann man durchaus verstehen, dass man gerne den Mund lieber geschlossen hält. Kein Wunder, dass der Twenty-Something nur widerwillig meine Frage nach dem Weg beantwortet hat. Vielleicht hat sie sich auch gepflanzt gefühlt, weil ich fast direkt vorm Haus stand, das ich suchte. „Daf ift gleich dorrt drrrüben“ hat sie leicht angezwidert gesagt. Aber ich kann nichts für meinen schlechten Orientierungssinn und auch nichts dafür, dass ich Sachen nicht sehe, die direkt vor meiner Nase sind. Ich wunderte mich aber ein wenig über die Person, denn hätte ich nämlich so ein logopädisches Problem, ein lakonisches „da“ mit Fingerzeig in die richtige Richtung, wäre meine Antwort gewesen.
Was soll’s. Jedenfalls erinnerte sie mich an eine Ex-Freundin, die unter einem leichten Sigmatismus litt. Ich ergriff damals recht uncharmant die Flucht vor ihr, als mir ihr Sprachfehler, den ich anfangs irgendwie charmant fand, immer mehr auf die Nerven ging. Aber auch sonst war alles ein wenig komisch an ihr. Pudern nannte sie „sich aufführen“ und Geschlechtsteile firmierten bei ihr niemals unter ihren richtigen Namen oder Spitznamen, sondern wurden mit „dort unten“ umschrieben. Außerdem hatte sie am Klo ein Poster von Marilyn Monroe hängen und ihre Katze hieß Kennedy. Das ergab zwar einen Sinn, ich fand das aber nur mäßig originell. Total lame. Ich schrieb damals dann eine nicht besonders gute Kurzgeschichte, um das zu verarbeiten. Wäre ich musisch begabt oder könnte mit dem Computer umgehen, ich hätte auch einen Klangteppich gewebt. So aber musste ich schreiben. Die Geschichte hieß „Schöne neue Tiernamen-Welt“ und ich fand, dass der Titel recht frech daherkam. Es ging darum, dass ich Menschen hasse, die ihren Haustieren Politikernamen geben. So etwas gilt es gemeinhin ja zu vermeiden. Auch wenn es eine Zeit lang modisch war, Hamster, Meerschweinchen oder Hunde Lenin, Mao und Goebbels zu nennen. Aber das ist doch total Neunziger bitteschön! Heute liegen andere Namen im Trend. Ich kenne ein Hausschwein namens „Herr Oberschulrat“ und ein weitschichtiger Bekannter hat seine Schildkröte Dichand getauft. „Der überlebt uns alle“, sagt er dann immer zweideutig, wenn ihn wieder der gerechte Medienlandschaftszorn packt, er den Panzer des hässlichen Viechs streichelt und das Tier mit Nachhaltigkeitsfressen füttert.
Ganz zufällig legte ich jedenfalls die selbst verfasste Geschichte in den Zeitungsständer auf meinem Lokus, wo sich damals Bücher mit mehr oder weniger subtilen Hinweisen auf die stille Örtlichkeit befanden. Ein Brecht-Lyrikbändchen mit dem Titel „Der Schnaps ist in die Toilette geflossen“, das ich einst beim Libro gestohlen habe und eine Borchert-Text-Sammlung namens „Geschichten aus dem Nachlass“ fanden sich etwa darunter. Wobei, das war auch nur mäßig originell. So wie der Anfang der Nullerjahre.
Den Wink mit dem Zaunpfahl verstand die gute Dame jedenfalls, sie war ja nicht ganz blöd. Auch wenn sie mir ohne Umschweife glaubte, als ich erzählte, dass Peter Handke in der Schule mein Deutschprofessor war. Ohne viel Aufsehen zu machen, ließen wir die Sache also nach und nach verebben. Aber der Reihe nach …
Bullshit-Bingo! Es gibt einige Phrasen und Worte, die man einfach nicht mehr verwenden darf. „Aber der Reihe nach“ mit den obligatorischen drei Punkten hinten dran gehört dazu. Üblicherweise hör ich sofort zu lesen auf, wenn ich so etwas sehe. Ebenfalls verboten: lame, bitteschön, Satzkonstruktionen mit gilt, daherkommen, TwentyThirtyForty-Something, nachhaltig, Nullerjahre, Klangteppich, im Trend liegen, sich die Ehre geben, der Autor dieser Zeilen und Überschriften, die Aldous Huxley zitieren. Der geneigte Leser soll also bitte tunlichst das oben Gelesene wieder vergessen.
Allerdings kann man, wenn man es geschickt variiert, damit so ziemlich alles rezensieren, was es gibt. Musik, Live-Konzerte, Bücher, sogar ein Tennismatch zwischen den russischen Spielerinnen Daniela Hantuchova und Vera Dushevina kriegt man damit hin, ohne auch nur von Tennis die geringste Ahnung zu haben. Nicht?
Schöne neue Damentennis-Welt
Eines gleich vorweg. Kalauer – auch wenn sie sich anbieten – gilt es bitteschön zu vermeiden, wenn sich die beiden russischen Tennis-Pin-ups Daniela Hantuchova und Vera Dushevina am Court die Ehre geben. Runter mit dem Handtuch, rein in die Dusche. Geschenkt. Aber schön der Reihe nach jetzt …
Die beiden lang gewachsenen Twenty-Somethings treffen seit den Nullerjahren regelmäßig aufeinander. Matchausgang? Gleichgültig. Wenn die Beautys gegeneinander antreten, und einen bunten Klangteppich aus Sportgeräuschen malen, schaut niemand auf die gelbe Filzkugel, die sie sich unter lautem Stöhnen vor den Latz knallen. Das bleibt mitunter nachhaltig in Erinnerung. Vor allem, weil der Zuschauer immer der Gewinner ist.
Das geht auch mit Lyrik. Online findet sich demnächst eine Rezension – auf www.thegap.at – zu Georg Kreislers „Zufällig in San Francisco – Unbeabsichtigte Gedichte“. Denn der Eighty-Something hat sich die Ehre gegeben und die Latte ziemlich hoch gelegt. Sag der Autor dieser Zeilen jetzt einfach einmal so.