Mein letzter Tag bei OZY. Ich hasse Abschiede. Innerhalb weniger Wochen ist mir die Redaktion des bestgemachten US-Onlinemagazins ans Herz gewachsen.
3. Breaking the monotone norm
Wenn jemand eine verrückt klingende Idee hat, wird er im Valley nicht als Spinner verspottet. An den Eliteunis wie Stanford ermuntern Professoren die Studenten explizit, Ideen abseits vom Mainstream zu spinnen. Genies verstoßen immer gegen Normen, allen voran Google-Boss Larry Page, der vom Internet aus der Luft träumt und an der Verlängerung des Lebens forscht.
„Enough with the same-old, same-old.“ Carlos Watson dachte sich für sein Magazin völlig neue Sections aus, weil er die Ressorts der journalistischen Mainstream-Produkte (Politik, Wirtschaft, Lokales, Kultur, Sport, Society) unerträglich „boring“ findet. Bei OZY gibt es neben Themenbereichen wie„Rising Stars“, „Provocateurs“, „Fast Forward“ und „True Story“ auch „Good Sh*t“ – Dinge, die man nicht zum Überleben braucht, die aber das Leben schöner machen.
Zeitungen und Nachrichtenportale, die an alten Traditionen festhalten, werden ein Nokia-Schicksal erleiden. Vom Marktführer zum Sanierungsfall – dieser Prozess ist mitunter kürzer als ein Jahr.
4. Die Kunst der positiven Motivation
Ich habe in meinem Leben vermutlich knapp 7.000 Redaktionssitzungen besucht. Aber Konferenzen wie bei OZY habe ich noch nie erlebt. Die Chefs motivieren wie Football-Coaches und nennen die schönsten Erfolge der Woche: Great, CNN hat eine OZY-Story übernommen. Cool, eine europäische Großbank will in OZY investieren. Wow, Chelsea Clinton hat eine unserer Geschichten retweeted.
Mindestens fünf Editors sagen, welche Story sie für die beste der Woche halten. Der jeweilige Autor bekommt lauten Applaus. Hier wird niemand coram publico runtergeputzt.
5. Gute Bosse haben eine Vision…
Ich persönlich habe Vorgesetzte immer unerträglich gefunden, die nicht wissen, was sie und wohin sie wollen. Die OZY-Gründer Carlos Watson und Samir Rao haben präzise Vorstellungen und scheuen keine Antwort. Sie möchten „auf einer Linie mit BuzzFeed, Vice und Vox stehen, und das nicht mit Cat-Content, sondern mit intelligenten Storys“. OZY soll DAS Internet-Magazin für die „Change Generation“ sein – gebildete Menschen zwischen 25 und 49 Jahren, die offen sind und gern neue Dinge ausprobieren.
6. … sind immer konsequent
Chefredakteur Jonathan Dahl und seine Stellvertreterin Pooja Bhatia ziehen die Blattlinie (verzeihen Sie mir diesen Printausdruck) zu 100 Prozent durch, ohne Kompromisse. Jede Story muss das OZY-Kriterium „smarter, fresher, different“ erfüllen – ansonsten „getting trashed“. Aufgewärmter Einheitsbrei ist „strictly forbidden“. „Wer einmal von der Ideallinie abweicht, hat schon verloren“, sagt Jonathan.
7. … und haben ein Alleinstellungsmerkmal
Investoren sind für jedes Startup lebenswichtig, logischerweise. OZY überzeugt nicht nur mit einer neuen Art von Journalismus („Welcome to the New News“), sondern hat auch ein räumliches Alleinstellungsmerkmal. Als erste bedeutende „Media Company“ ließ sich OZY vor knapp zwei Jahren mitten im Silicon Valley nieder. Wohl deshalb gewann OZY Geldgeber wie Laurene Powell Jobs, Witwe des Apple-Gurus Steve Jobs, David Drummond (Googles „Chief Legal Officer“) oder Valley-Größe Ron Conway (half mit seinen Millionen auch Google und PayPal in deren Gründungsphase).
8. Die Liebe zur sprachlichen Perfektion
Wenn Textchefin Kate Crane eine Geschichte überarbeitet, bedanken sich die OZY-Autoren danach regelmäßig bei ihr. OZYs Newsletter, „The Presidential Daily Brief“, hat sich in den USA zur Pflichtlektüre entwickelt und wird – nicht zuletzt wegen der sprachlichen Qualität – an vielen Schulen und Universitäten gelesen.
9. Starfotografen und Videokünstler „make the difference“
Gute Bilder kosten. Schlechte Fotos sind gratis. So einfach ist es.
OZY, ein INTERNETMAGAZIN, leistet sich die besten Fotografen der USA. Die Online-Redaktionen, die ich in Deutschland und Österreich kenne, dürfen ausschließlich Agenturmaterial verwenden und maximal 15 Euro für ein Bild ausgeben.
Meine Erkenntnis: Gute Fotos wirken online genauso wie in Print. (Noch vor zwei Monaten hätte ich das Gegenteil behauptet.)
Die User honorieren auch beim Bewegtbild den neuen, überraschenden Zugang der Redaktion. Drei „Video Producer“ sind bei OZY beschäftigt, alle drei zählen zur Elite ihrer Branche. Vor einem Monat wurde eine Filmemacherin von CNN abgeworben.
10. Wer bitte braucht noch ein Festnetztelefon?
Als ich das erste Mal die OZY-Headquarters betrat, bekam ich eine Art Kulturschock: Im gesamten Office gibt es ein einziges Festnetztelefon, und dieses wirkt wie ein Museumsstück. Auf nur wenigen Schreibtischen steht ein PC. Jeder Redakteur bringt sein MacBook mit zur Arbeit.
Schnell merkte ich, wie unnötig ein „Landline Phone“ in Zeiten von Skype und Google Hangout ist.
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