Clubs veranstalten in Wien ist kein Zuckerschlecken: Man reserviert eine Venue, verhandelt mit Bookern, macht Promo, investiert eigenes Geld. Und weiß letztlich nie, wie voll es wirklich wird. Wir haben uns mit den Betreibern von Icke Micke und Prasselbande getroffen, um mal zu fragen: Wie läuft das denn überhaupt so ab, das Veranstalten?
Kommen wir mal zum Thema Booking. Icke Micke hatte ja das Glück in die Phase zu fallen, in der Bookings noch vergleichsweise billig waren. Was haben DJ Koze oder Jamie Lidell damals gekostet?
Bednar: Die Gage hängt ja immer davon ab, wo du veranstaltest. Wir konnten immer sagen: „Leute, es ist so klein. Wir können nur 5 Euro Eintritt verlangen.“ Und Icke Micke war dann irgendwann auch ein Name. Jamie Lidell zum Beispiel war auf Tour und brauchte was in Wien. Wir waren dann schon in den Datenbaken der Agenturen.
Aber man hört schon immer wieder, dass die Booking-Preise für Events und Konzerte wahnsinnig gestiegen wären.
Bednar: Ich weiß nicht. Wir fangen ja jetzt wieder an, und ich merke von diesem Preisanstieg nicht so viel.
Blahus: Ich mach ja erst seit zwei Jahren internationale Bookings, insofern fehlt mir der Vergleichswert. Die Bookings die wir machen – Deep House, House – da gibt es eine Bandbreite von 300 bis 2000 Euro, je nachdem was für eine Party oder Location. Der Booker fragt im Vorfeld nach der Größe der Location und wie teuer der Eintritt ist.
Bednar: Da lügt man halt irrsinnig.
Das weiß dein Gegenüber aber auch.
Bednar: Naja, er weiß nicht wie viel Miete du zahlst.
Blahus: Er ist ja auch nie ganz ehrlich. Letztlich ist ein bisschen ein Spiel. Er setzt den Preis höher an, du niedriger und der bessere Händler gewinnt dann.
Mal eine andere Theorie: Die explodierenden Gagen gelten in anderen Musikbereichen vor allem für die Acts ganz oben, also über drei-viertausend Euro. Ist das im elektronischen Bereich auch so?
Blahus: Solomun wäre da ein gutes Beispiel. Der hat vor kurzem noch mindestens einmal jährlich in Wien gespielt, im Flex, beim Crazy und in der Sauna bei der Zwei-Jahres-Feier. Und dann hat er in Ibiza diesen DJ-Award Of The Year bekommen und plötzlich 15.000 Euro Gage verlangt. Seitdem spielt er nicht mehr in Wien. Aber ihm ist das egal. Er hat Residencies auf Ibiza, er muss nicht mehr in Österreich spielen.
Bednar: Man muss eben schauen, dass man die Solomuns kriegt bevor sie so riesig werden.
Hilft es da, wenn man das Booking früh genug anlegt? Man bekommt die Bestätigung dann meistens ja erst ca. zwei Monate vorher, oder?
Blahus: Die Agenten drücken oft ein bisschen rum, wenn man ein halbes Jahr vorher anfragt. Bei Disclosure hieß es anfangs bei uns: „Ja, klingt gut.“ Einen Monat später war dann angeblich kein Termin mehr frei.
Gerade bei internationalen Acts verhandeln die Booker ja mit drei Veranstaltern gleichzeitig und spielen sie gegeneinander aus.
Blahus: Auf jeden Fall. Da heißt es dann „Aber der zahlt mir 2.000!“ oder „Der zahlt mir 5.000!“
Und dann kommt das Donaufestival und zahlt 15.000. Helfen da persönliche Kontakte?
Bednar: Auf jeden Fall. Wir hatten ja dadurch, dass ich lange in Berlin gelebt habe, ziemlich gute Kontakte. Modeselektor und Ellen Allien haben früher ausschließlich bei Icke Micke gespielt. Wir konnten uns auf die Exklusivität verlassen, und die Booking-Agentur hatte ein fixen Termin im Jahr. Wenn du so viel tourst wie Modeselektor, suchst du dir die Locations ja auch nicht nur nach Kohle aus, sondern auch danach, wo du dich ein bisschen zuhause fühlst.
Tanja, wie ist das eigentlich mit der Außenwirkung von Wien? Wenn man hier lebt, glaubt man manchmal es wäre eine Boomtown. Und dann fragt man jemanden von außen und hört nur: „Eh ganz nett“.
Bednar: Wien wird in Berlin nicht wahrgenommen, es existiert nur als Walzerstadt. Man kennt in der Szene vielleicht ein paar Clubs.
Blahus: Es gibt ja auch fast keinen Musiktourismus nach Wien. Die Leute die nach Wien kommen, kommen nicht wegen Techno, House oder Hip Hop.
Bednar: Anfang der Neunziger war Wien wirklich total stark. Etwa die Sachen von Cheap Records. Es gab eine starke Verbindung zwischen Wien und Berlin, man hat sich gegenseitig total befruchtet. Für unsere Generation ist es schon unverständlich, dass die Generation danach musikalisch so versagt hat.
Hast du irgendeine Erklärung dafür? War die Generation davor einfach zu übermächtig? Ist Wien zu klein?
Bednar: Ich habe ehrlich gesagt keine Erklärung dafür. Es ist mir wirklich ein Rätsel. Und vielen anderen auch. Vielleicht – und ich weiß, dass das jetzt verklärt klingt – gab es damals einfach weniger Möglichkeiten, Dinge einfach zu konsumieren, so dass die Leute dann viel mehr selbst auf die Beine stellen mussten. Am Anfang von Techno herrschte eine enorme Aufbruchsstimmung. Das war ein großartiges Lebensgefühl, weil alle das Gefühl hatten, es gäbe eine Revolution.
Wird in Wien zu wenig Musik produziert?
Bednar: Das ist ja kein neues Phänomen, das hat ca. 1998 aufgehört. Man muss auch nicht darüber jammern. Vielleicht entwickelt es sich ja wieder. Es gibt deutlich mehr Clubs und Szenen als früher. Es ist auch viel lebendiger und richtig schön. Ich sehe z.B. die ganzen Hipster. Das ist ja ein Schimpfwort, aber ich finds total süß. Schauen alle so nett aus. Wir waren ja alle Gruftis!
Letzte Frage: Sind die Leute in Wien zu dogmatisch?
Bednar: Wenn man wo wohnt, bekommt man einen Tunnelblick, das ist einfach so. Gehässigkeit gibt es unendlich: „Da gehen nur Touristen hin!“ Das ist in jeder Stadt so. Wenn du länger dort bist, verlierst du die Offenheit und die Lockerheit.
Blahus: Wenn eine Location aus irgendwelchen Gründen einen schlechten Ruf hat, wird sie gemieden. Dann heißt es immer gleich: „Was? Da gehst du hin?“.
Bednar: Man kann das aber umkehren. Die Camera war ja früher absoluter Horror, und wir sind genau deswegen dorthin gegangen. Und es hat super funktioniert. Es bleibt einem in dieser Ja-Sager Zeit auch gar nix anderes übrig. Alle wollen das Richtige machen und haben Angst uncool zu sein. Hey Leute, es gibt kein cool oder uncool. Das was gefällt, ist erlaubt.
Beide Partyreihen kann man am Wochenende in Wien erleben: Die Prasselbande am Freitag (16.8) im Rahmen der Belleville Nights in der Pratersauna, Icke Micke am Samstag (17.8.) im Roxy.