Auch 2015 wird wieder ordentlich gepointet und geklickt. Verantwortlich dafür sind narrative Möglichkeiten, die man so nur im Adventure-Genre findet.
Allein auf Steam finden sich derzeit über 300 Spiele nur unter dem Tag "Point-and-Click", für 2015 sind an die 50 neue Abenteuer angekündigt – und das nur mal für den PC. Genre-Koryphäe Ron Gilbert kehrt mit dem pixeligen "Thimbleweed Park" zurück, Kollege Tim Schafer bringt heuer mit seinem Studio Double Fine den zweiten Teil von "Broken Age" heraus und hat kürzlich das doch sehr gute "Grim Fandango" remastered. Activision hat tatsächlich die Klassikerschmiede Sierra aus einem Loch gezogen und veröffentlicht noch dieses Jahr einen neuen Ableger der "King’s Quest"-Reihe.
Buchbände und Pay TV
Am lautesten im Adventure-Wald schreit aber zurzeit Telltale Games mit einem Portfolio, das Franchises wie "The Walking Dead", "Jurassic Park", "Zurück in die Zukunft" und "Game Of Thrones" umfasst. 2015 wagt sich das Studio zudem mit "Minecraft: Story Mode" an die Adventurisierung des größten Monstrums der jüngsten Videospielgeschichte. Warum das alles jetzt passiert? Weil durch die neue Generation von Adventure-Spielen komplexe Storytellingmechanismen möglich gemacht werden, die es so noch nie gab.
Durch einen Fokus auf Narrative und auf die Entschleunigung des Spielrhythmus, die durch das Wegfallen von Sequenzen, die auf Reaktionsschnelligkeit abzielen, entsteht, eignen sich Adventures ideal als Tool, um Geschichten zu erzählen. Im Gegensatz zum passiven Sehen der TV-Show lassen sich hier auch aktiv Entscheidungen fällen, die den Spielverlauf weitgehend beeinflussen können. So zu erleben im vor Kurzem erschienenen "Life Is Strange", in dem die kleinste Abweichung vom regulären Spielverlauf – wie zum Beispiel einfach ein Fenster zu öffnen – später überproportionale Konsequenzen haben kann.
Und dass man in dem vom französischen Entwickler Dontnod Entertainment produzierten Titel nicht die Kontrolle eines Soldaten, Gangsters oder Schatzsuchers übernimmt, sondern die eines introvertierten US-Highschool-Mädchens, zeigt darüberhinaus, welche vielseitigen Möglichkeiten sich konzeptuell durch Adventures ermöglichen.
Denn im Unterschied zu anderen Genres ist durch den Schwerpunkt auf interaktive Erfahrungen der kreative Spielraum für Entwickler ungemein größer: Statt auf Themen wie Action oder Horror beschränkt zu sein, können Adventure-Spiele Stilrichtungen wie Comedy, Drama oder Liebesgeschichten spielerisch aufarbeiten.
Krebs als Spiel
Die neue Generation der Adventures hat also die Möglichkeit, Inhalte aufzugreifen, die in der Vergangenheit so noch selten in Spielen verarbeitet wurden. "That Dragon, Cancer", 2014 für Ouya erschienen und noch für dieses Jahr für PC und Mac angekündigt, setzt sich mit der unheilbaren Krankheit des Sohnes der beiden Entwickler Ryan und Amy Green auseinander und lässt den Spieler die emotionalen Herausforderungen einer Familie nacherleben.
Das Open-World-Adventure "Reflections" vom Entwicklerstudio Broken Window Studios beschäftigt sich hingegen mit der Trivialität des täglichen Lebens und dreht sich um den Moment des Erwachsenwerdens, des Wegziehens von zu Hause und der persönlichen Entscheidungen, die das mit sich bringt. Und das 2015 exklusiv für PS4 erscheinende "Everybody’s Gone To The Rapture" stellt sich die Frage, was passiert wenn die Apokalypse stattfindet und man selbst nicht eingeladen ist.
Episodischer Showdown
Zu bekannten Adventure-Mechanismen neu hinzu kommen zudem Veröffentlichungsstrategien, die sich ideal an die Konsumgewohnheiten der Generation "Gutes-Fernseh-Schauen" anpassen: Um den Spieler nicht zu überwältigen und von Entwicklerseite Produktionszyklen besser verwalten zu können, werden Titel nicht in einem Rutsch, sondern episodisch veröffentlicht. Dadurch können Spiele plötzlich wie Fernsehserien, Stück für Stück, rezipiert werden – ein Erfolgsrezept, das Entwickler wie Telltale in den Mainstream brachten und das mittlerweile zum Standard für Adventure-Spiele gehört.
Klassische Puzzles rutschen mehr und mehr in den Hintergrund, der Fokus liegt mehr denn ja auf der Story und deren indivivuellem Erleben durch die Spieler. Natürlich fordern diese neuen Spielmechanismen vor allem die Geschichtenschreiber: Wenn nicht mehr durch Action-Sequenzen oder besonders schwere Rätsel abgelenkt werden kann, muss die Story richtig passen. Und genau das schaffen Double Fine, Telltale, Dontnod und ihre zahlreichen Entwicklerkollegen zurzeit eindrucksvoll.
In weiterer Folge scheint zumindest vorübergehend der Trend in eine Richtung zu gehen: nach oben. Noch in diesem Jahr kommen neben den zu Beginn erwähnten Adventure Games neue Ableger der "Game Of Thrones"-Reihe, die dritte Staffel zum "The Walking Dead"-Spiel und allerlei Sequels zu Klassikern wie "Dreamfall" und "Syberia" auf den Markt. So schnell wird also mit dem Pointen und Klicken nicht wieder aufgehört werden.