Sollte mich dereinst einmal irgendwer fragen, wie denn das Jahr 2015 für mich so gewesen ist, werde ich hoffentlich das Wort "Meilenstein" in den Mund nehmen.
Ich habe nämlich die Präkrastination für mich entdeckt. Die Präkrastination ist ein derart heißer Scheiß, ein Dernier Cri, wie der Je-suis-Charlie sagen würde, dass man sie noch gar nicht gescheit in den Suchmaschinen findet. Also schon, aber nur "ungefähr 373 Ergebnisse" werden ausgespuckt. Gratis dazu, gibt es das lapidare "Meinten Sie: Prokrastination".
Nein, du Suchdummerchen, diesmal meinte ich es wirklich so, wie ich es hinschrieb. Nicht wie sonst wenn ich zum Beispiel "Heullbequ", "Houllebequ", "Hoellebequs" eintippe. Stundenlang könnte ich mich jetzt übrigens wundern, was denn "ungefähr 373" heißen soll. Für mich klingt das nämlich ziemlich exakt. Aber bitte diese charmante Unverbindlichkeit hat was, vielleicht sogar Zeitgeistiges und eignet sich zudem auch hervorragend, um es in den Alltag zu integrieren. "Wann soll ich denn da sein? "Um ungefähr 20.15 Uhr, aber sei pünktlich?" "Wie viel kriegen Sie von mir für die prompte Behebung des kleinen Abflussmalheurs? Ungefähr 250,39 Euro." "Pass beim Hobeln auf deine Finger auf, lieber Freund. Du hast jetzt noch ungefähr zehn, die wachsen aber nicht nach und Do-It-Yourself ist nicht alles."
Doch zurück zur Präkrastination, die ich für mich entdeckt habe. Obwohl ich weiß, dass die vier Leser, die ich habe alle sehr schlau, ausnehmend schön und wohlriechend sind, will ich kurz umreißen, worum es beim Präkrastinieren geht. Man schiebt dabei nichts mehr auf die lange Bank und erledigt immer alles gleich. Vor allem Unangenehmes. Recherche für einen Artikel. Oder das Schreiben einer Kolumne zum Beispiel. Und mehr noch. Man erledigt seine Pflichten nicht nur termingerecht, sondern bereits vor etwaigen Deadlines. Auch geschleuderte Wäsche lässt man nicht in der Trommel vor sich hingammeln, bis man sie wieder waschen muss, sondern hängt sie sofort auf die dafür vorgesehenen Ständer, sobald die Waschmaschine durch langes Gepiepse darauf aufmerksam macht, dass alles fertig ist und man tunlichst mit Freude zur Wäsche-Entnahme hoppelt. Präkrastinieren ist also ziemlich krank.
Man kann aber auch Angenehmes schnell erledigen und sich Dinge schön reden. Wenn man zum Beispiel sein Deckweiß nicht halten kann und zu früh abjankert. Ejaculatio Praecox.
Ein nicht zu knapper Prozentsatz der Männer, ungefähr 31 Prozent um genau zu sein, der 18-34-Jährigen (Alterszielgruppe von thegap) macht dies übrigens und präkrastiniert still vor sich hin. Schleudert seinen Samen kurz nach, oder noch viel blöder, kurz vor Eindringen in eine der zwei bis drei dafür vorgesehenen Körperöffnungen, hinaus in Welt. Das ist ungut. Verkauft man es aber ab jetzt als heißen Trend "Präkrastination" springt vielleicht jemand auf den Zug auf und fühlt sich besser. "Was regst du dich auf, ich liefere halt früher geil ab – auch als Musiker, DJ, Produzent und Journalist!"
So selbstbewusst gehen aber die wenigsten mit derartigen Problemen um. Ein sehr guter Freund erzählte mir einmal, dass er, um sein Pulver ein wenig länger bei sich zu halten, an längst verstorbene alte Hollywood-Schönheiten denkt. Er ist Cineast und kann länger, wenn er an die Monroe, Laura Bacall und – ganz bizarr – an die Nippel von Farrah Fawcett denkt. Ich beruhigte ihn und sagte, dass es keine Sehnsucht nach Nekrophilie ist. Eher eine Unterwerfungsphantasie mit Drall ins Leblose. Dennoch empfahl ich ihm dann doch besser solche Dinge fürderhin mit seinem Psychologen zu besprechen. Auch weil ich nicht versprechen kann, derartige Infos nicht irgendwo zu verbraten.
Ungut ist übrigens dieser komische Schlag Mensch, der in Leder-Boots mit offenen Schuhbändern herumrennt. Ich hab die unter Schnellspritzer-Generalverdacht, seit mir einer von denen mal auf höfliche Nachfrage warum er das denn mache, mitteilte: "Das ist gar nicht unpraktisch, weil, du bist schnell im Schuh drinnen und auch wieder draußen."
Meist tragen die männlichen Exemplare dieser Gattung auch noch kräftige Bärte, die sich gut beim lässigen Abhängen in Cafés und auf Tanzflächen machen, aber auch in jedem Kalifat für große Beifallsbekundungen sorgen würden.
Ich vermute allerdings, dass die nie gelernt haben wie man eine Masche macht. Weil sie einfach zu dumm und oder motorisch überfordert sind und von Kindesbeinen an in Klettverschlussschuhen steckten. Die warten sicher auch schon alle auf die diese selbstbindenden Zurück-in-die-Zukunft-Turnschuhe vom unumstritten sympathischen Weltkonzern Nike, die im Oktober ihren großen Auftritt am Absatzmarkt haben.
Trotzdem: Wenn man nicht gerade ein Raumfahrer ist und schwerelos im All herumgurkt, sehe ich jetzt eigentlich keinen vernünftigen Grund, Klettverschlüsse und Kleidungsstücke zu kombinieren. Außer man hat vielleicht Parkinson oder leidet an den Folgeschäden eines Schlaganfalls. Aber Ausrede ist das jetzt auch keine, solange man ein Fünkchen Stolz in sich trägt. Mein Opa, band nach seinem Schlaganfall einhändig mit links und nach seinem zweiten schnürte er Schuhe mit dem Mund zu, der gut gedehnte, zähe Hund.
Was Klettverschlüsse für Raumfahrer so vernünftig macht – nur falls jemand fragt – kann ich allerdings nicht mehr genau sagen. Ich sah mal eine Doku über den Erfinder des Klettverschlusses, ein Schweizer übrigens, die man zwischen zwei Nazi-Dokus hineinprogrammiert hat und da wurde erwähnt, dass die Dinger im All unabdingbar sind. Mehr weiß ich nicht mehr.