Queerbaiting ist ein Vorwurf, der immer öfter an Medienschaffende aller Art gerichtet wird. Er verurteilt das zynische Versprechen von queerer Repräsentation, bei gleichzeitiger Weigerung, dieses je tatsächlich einzulösen. Doch warum ist queere Repräsentation überhaupt wichtig? Was ist die Zukunft von Queerbaiting? Und könnte Subtext eigentlich besser sein als Text?
Wenn ich an einer Wiener Fußgängerampel ein gleichgeschlechtliches Ampelpärchen sehe, muss ich zunächst immer lächeln. Es ist eine unbewusste Reaktion, eine Freude daran, sichtbar zu sein. Mehr noch, es ist es eine Freude daran, gezeigt zu werden. Etwas, das man früher vor der Gesellschaft, vor FreundInnen und Familie verstecken musste, wird plötzlich nicht mehr versteckt. Nein, es wird von derselben Gesellschaft ausgestellt. Das ist die Kraft von queerer Repräsentation. Sie bedeutet, dass eine Öffentlichkeit sich nicht schämt, queere Menschen zu zeigen, dass sie mitunter sogar stolz auf sie ist. Sie symbolisiert, dass auch queere Menschen sich nicht mehr schämen müssen, sondern auf ihre Identität stolz sein können. Das macht queere Repräsentation so wichtig und verführerisch.
Doch queere Repräsentation ist Mangelware. Queere Menschen in
der Geschichte werden ignoriert oder umgedeutet. Queere Menschen in der Öffentlichkeit zögern immer noch vor dem Coming-out. Queere Figuren in Medien werden an den Rand relegiert oder existieren schlichtweg nicht. Jedes Beispiel, jeder Hinweis auf queere Figuren, queere Personen und queere Symbole wird somit zum Lichtblick. Als queerer Mensch wird man entsprechend darauf trainiert, diese Lichtblicke zu erspähen. Selbst wenn sie sich oft als Fata Morgana entpuppen. Selbst wenn es nur Ampelpärchen sind. Selbst wenn hinter diesen Ampelpärchen nur durchsichtiges Marketing steckt.
Plötzlich Regenbogen
Nach dem Lächeln über die Ampelpärchen folgt meist Ärger. Ärger über mich selbst und darüber, mit wie wenig ich zufriedenzustellen bin. Die Einführung der Ampelpärchen war ein reiner Marketing-Kniff. Als Conchita Wurst den Song Contest 2015 nach Wien holte, brachte sie mit ihm auch eine riesige, queere Fan-Community. Als Vorbereitung verpasste sich die Stadt einen weltoffenen Anstrich. Plötzlich überall Regenbogenflaggen, queere Tourismusbroschüren, Conchita und eben neue Ampeln. Nüchtern betrachtet verbesserten die Ampelpärchen nichts an der Situation von queeren Personen in Österreich. Die gleichgeschlechtliche Ehe war 2015 in Österreich immer noch nicht legal, Gewalt – verbal wie physisch – immer noch alltäglich und viele Rechte für LGBTIQ+-Personen nach wie vor unerreicht. Die Ampelpärchen waren hübsche Fassade, sie brachten aber nicht mehr Rechte für queere Menschen. Sie machten eine homophobe oder transphobe Person nicht plötzlich tolerant. Und dennoch freue ich mich damals wie heute über ihren Anblick.
Dieselbe innere Ambivalenz, wie gegenüber den Ampelpärchen, spüre ich auch gegenüber queerem Subtext. Queerer Subtext sind Inhalte in Medien, die nicht explizit queer sind, aber queer gelesen werden können. Etwa die enge Beziehung zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Figuren, wie zwischen Xena und Gabrielle in der Fernsehserie »Xena: Die Kriegerprinzessin«. Oder ein Auftreten, welches als stereotyp lesbisch oder schwul gelesen werden kann, wie bei jedem zweiten Bösewicht in den James-Bond-Filmen. Oder auch einfach der Ausdruck einer queeren Erfahrung, wie bei Arielle im Film »Die kleine Meerjungfrau«. Nichts davon ist eindeutige, queere Repräsentation. Trotzdem befriedigt es ein ähnliches Bedürfnis nach Sichtbarkeit und Sichtbarmachung. Obwohl »Die kleine Meerjungfrau« an der Oberfläche die Geschichte einer Hetero-Romanze repräsentiert, drückt sie doch queere Grunderfahrungen aus: Das Verlangen, anders zu sein, zu einer anderen Welt gehören zu wollen und der Topos der verbotenen Liebe. All das ist für eine queere Lesart offen, es erlaubt queeren Menschen, sich damit zu identifizieren.
Gerade im Fall von »Die kleine Meerjungfrau« ist das kein Zufall. Howard Ashman, der die Songtexte schrieb, war schwul. Seine Erfahrungen als schwuler Mann im Amerika der Nachkriegszeit flossen notgedrungen in seine kreative Arbeit ein. Der Youtube Kanal Dreamsounds hat ein 30-minütiges Video über »The Unique Queerness of Howard Ashman’s Songs« produziert. Ende der 80er-Jahre, am Höhepunkt der Aidskrise, schaffte es Ashman, der wenige Jahre später selbst an Aids verstarb, queere Erfahrungen in einen Animationsfilm für Kinder zu übersetzen.
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