Queerbaiting ist ein Vorwurf, der immer öfter an Medienschaffende aller Art gerichtet wird. Er verurteilt das zynische Versprechen von queerer Repräsentation, bei gleichzeitiger Weigerung, dieses je tatsächlich einzulösen. Doch warum ist queere Repräsentation überhaupt wichtig? Was ist die Zukunft von Queerbaiting? Und könnte Subtext eigentlich besser sein als Text?
Dieses Streuen von queerem Subtext wird auch Queercoding genannt. Oft ist es eine bewusste Taktik, um Zensur oder Produktionsbeschränkungen zu umgehen. Oft geschieht es jedoch unbewusst, etwa im affektierten Auftreten von Bond-Bösewichten. Ein Stereotyp, das auf der langen Verbindung von Queerness mit Kriminalität beruht. Queercoding kann in einer intoleranten Gesellschaft die einzige Möglichkeit darstellen, queere Inhalte in Medien zu schmuggeln. Es kann andererseits aber auch Stereotype über queere Menschen schaffen und verfestigen.
Subtext in Fankulturen
Letzten Endes erzeugt Queercoding aber Subtext und nicht Repräsentation. Dieser Subtext kann nicht allein bestehen. Er muss von Fans gesehen, interpretiert und adaptiert werden. Seit in den selbstgedruckten Fanzines der frühen 70er-Jahre über die romantische Beziehung von Kirk/Spock (lies: »Kirk Slash Spock«) geschrieben wurde, bildet Slash Fiction eine Säule der Fankultur. Slash Fiction und andere queere Fanworks machen sich den Subtext zunutze, um eigene Geschichten zu erzählen. Ohne Abhängigkeit von Studios, von Budgets oder von Marketing können queere Menschen dort Erfahrungen beschreiben, teilen und lesen. Subtext gibt Fans den Spielraum, persönliche Geschichten zu schreiben, aber auf einer bekannten Basis und für ein bestehendes Publikum an Fans. Subtext war deshalb für queere Fans lange etwas Positives. In ihrem Essay »Subtext Is Better Than Text« schreibt die Fanautorin und -forscherin Janis Cortese: »Text ist Beschränkung. Subtext ist Freiheit. Ich möchte Kontrolle. Subtext gibt sie mir. Wenn der Subtext zu Text wird, wird sie mir genommen.«
Gezielte Nicht-Repräsentation
Doch für viele queere Fans ist Subtext nicht mehr zufriedenstellend. Subtext ist eben keine tatsächliche queere Repräsentation. Es ist das wissende Augenzwinkern, nicht die stolze Proklamation. Dieses Verlangen nach queerer Repräsentation ist der Grund, warum Anfang der 2010er-Jahre in den queeren Blogs auf Tumblr der Begriff Queerbaiting an Popularität gewann. Queerbaiting ist der Vorwurf an Medienschaffende, queere Fans mit queerem Subtext zu ködern, ohne den dahinterliegenden Willen, je tatsächlich offen queere Inhalte zu produzieren. Queerbaiting spielt mit dem Verlangen nach queerer Repräsentation in Medien. Während Ampelpärchen zumindest tatsächlich queere Repräsentation im Alltag darstellen – so schwach und fruchtlos diese auch sein mag – bietet Queerbaiting nicht einmal das. Queerbaiting ist die Andeutung von Repräsentation. Es ist die gezielte Nicht- Repräsentation. Es ist das Nicken in Richtung einer queeren Community, ohne die Absicht, dieser Community schlussendlich irgendetwas zu geben. Es sind die Werbeplakate für die »Rizzoli & Isles«, die die beiden Protagonistinnen mit Handschellen aneinandergefesselt zeigen. Es sind die Witze über die enge Beziehung von Watson und Sherlock in der bekannten BBC-Serie. Es sind Madonna und Britney Spears küssend auf der VMA-Bühne.
Die britische Youtuberin Rowan Ellis sieht aber bereits eine neue Phase im Spiel mit queeren Fans. Queercatching ist für sie der zynische Schlusspunkt in der Vermarktung von queerer Repräsentation. Während Queerbaiting sich in der Grauzone des Subtextes bewegt, spricht Queercatching im Brustton des Marketing-Managements. Es verkündet seine inklusiven, queeren Charaktere: »Hört! Hört! LeFou ist der erste offen schwule Disney- Charakter. Ein Meilenstein für queere Repräsentation!« In der Realität erschöpft sich diese Repräsentation dann in einem kurzen Tanz durchs Bild. Queercatching tut so als wäre der Subtext Text, aber nur gegenüber der queeren Community. Gleichzeitig bleibt der Film selbst nach wie vor frei von sichtbarer, queerer Repräsentation und kann ohne Probleme auch an ein konservatives Publikum vermarktet werden.
Das Verlangen nach queerer Repräsentation ist für mich zutiefst verständlich. Ich spüre es jedes Mal, wenn ich ein Ampelpärchen sehe, jedes Mal, wenn eine Person sich öffentlich outet, jedes Mal, wenn eine neue Serie mit queeren Figuren auf Netflix anläuft. Ich stelle mir aber auch die Frage, ob Repräsentation wirklich ausreichend ist, ob ich mich nicht darüber ärgern sollte, dass ich immer noch nach Legitimation für meine Identität suche. Wäre es nicht besser, aktiv zu repräsentieren, statt passiv repräsentiert zu werden? Warum nicht beides? Der Vorwurf von Queerbaiting scheint für mich wie das Verlangen nach Ampelpärchen. Ultimativ fruchtlos und dennoch zwingend notwendig.
Die Videos von Dreamsounds und Rowan Ellis finden sich auf Youtube. Die Ampelpärchen finden sich in freier Wildbahn auf den Straßen Wiens. Unser Autor Bernhard Frena forscht unter anderem zu queeren Comics, hier könnt ihr seine Publikationen nachlesen.