Am 16. Juli in der Wiener Staatsoper zu überprüfen. Die Black Country Communion um die Stimme Glenn Hughes sorgt als Supergroup der Stunde für Aufhorchen. Berechtigt. Aber hat klassischer Rock eine Chance in der Gegenwart?
Die West Midlands zählen nicht zu den Prachtboulevards Englands. Der frühe Start der Industrialisierung brachte mit enormer Luftverschmutzung samt wenig umweltfreundlicher Beschaffung der nötigen Brennstoffe über Dekaden den berüchtigt dunklen Regen. Der leidensfähige Arbeiter verpasste dem Gebiet den passenden Namen: Black Country. Ob selbst die Muttermilch eine Färbung aufwies, als ein wenig von den Jahren getrennt dort Glenn Hughes und Jason Bonham aufwuchsen? Zumindest sind beide keine tönenden Quassler, dafür grundsolide, ehrliche und harte Arbeiter unter der Flagge des Rock ’n‘ Roll. Mit ein paar Querverweisen inklusive, die sie quasi in den Adelsstand der Szene hieven. Nun ziehen die unterschiedlichen Generationen gemeinsam mit Granden wie Joe Bonamassa und Derek Sherinian an einem Strang. Die Black Country Communion darf man damit schon mal zu den stärksten Truppen der Rock-Gegenwart zählen.
Hughes. Glenn Hughes. Sapperlot, der Mann hat den Rock ab 1969 hautnah erlebt. Sänger und Bassist Deep Purple (1973 bis 1976), später bei Black Sabbath und vielen hochwertigen Kollaborationen. Der unsterbliche Hit „America: What Time Is Love?“ – zusammen mit den gewitzten Dance-Innovatoren KLF anno 1992 – machte Hughes auf eine unerwartete Weise wieder cool und hip. Dabei hätte übrigens Heulboje Axl Rose den Part einsingen sollen. War eben grad mal wieder unpässlich, der Rotschopf. Und der gute Glenn wieder am Zug der Zeit.
Jason Bonham hat schon durch seinen Vater einen gehörigen Rucksack zu tragen. Stichworte Schlagzeug und Led Zeppelin. Auch der Sohn ist ein wahrer Meister der Sticks, glänzte bereits bei UFO oder Foreigner gehörig. Ebenso rinnt dem Blues-Kenner das Wasser im Munde zusammen, wenn er sich die Zunge am Namen Joe Bonamassa bricht, denn der spielte auch schon als 12-Jähriger seine Gitarre als Support für B. B. King – nicht ohne fortlaufendes Home Improvement. Bleibt da noch der eine wenig leichter fließende Name Derek Sherinian. Über Jahre hinweg der Herr an den Tasten bei – oh yes! – Dream Theater, stabilisierender Faktor für Billy Idol, Würze bei Kiss, Alice Cooper oder Al Di Meola und mit ein paar unfassbaren Solo-Scheiben immer wieder die hohe Schule vom Guten und Wahren preisend.
Shit ja. Es ist verpönt, zuviele Dummheiten passierten damit. Man will es nicht sagen und doch kommt der Nimbus praktisch automatisch über den Kehlkopf rauf und schreit „Supergroup“! Und da gibt es nun mal mittlerweile wirklich wenige, die erstens diesen Namen verdienen und zweitens die man auch noch hören mag. Gerade eben brachte die Black Country Communion ihr zweites Album nach dem selbstbetitelten, schon gelungenen Debüt heraus. So wie die Burschen nun mal sind, wurde es auch simpel "2" betitelt. Ein mächtiger Wurf, wenn man das gleich mal so in die Runde werfen darf. In einer gerechten Welt würden sich das ein paar Millionen fanatische Fans einmarkten. Alleine schon, weil Produzenten-Guru Kevin Shirley – der erfolgreichste Rock-Macher der Gegenwart – wohl nicht ohne Grund mit voller Überzeugung hinter dem Team steht. Immerhin handelt es sich tatsächlich um feine Songs in handgefertigtem, klassischem Hardrock mit saftigem Blues-Einschlag wie aus den Goldenen Zeiten. Nicht überdreht hysterisch noch künstlich aufgeblasen. Aber dafür so, als würde die weltweite Innung für Alles im Rock die Prüfung mit dem 1A-Zertifikat absegnen. Als würden Putin und Obama den Mann im Mond als legitimen Mastermind für Mutter Erde anerkennen. Ob dem Quartett die hiermit angewiesene Reputation auch vor den Bühnen der Welt in Ruhm umgemünzt wird, bleibt abzuwarten. Die Zeit könnte reif sein.
Man könnte mal inzwischen solchen Perlen wie "Little Secret" oder "One Last Soul" Gehör schenken und den Worten von Glenn Hughes folgen, die er uns in einem großmütigen Moment der Demut in sehr gepflegtem Britisch schenkte.
Die neue Scheibe klingt nochmals deutlich kompakter und mehr nach zusammengewachsener Band, oder irre ich mich?
GH: Das sehe ich auch so, definitiv. Was wir hören ist das Ergebnis von langer Zeit für das Songwriting. Ich nahm mir mehr Zeit, fast ein Jahr für die Vorbereitung im Gegensatz zur ersten Platte. Dafür wurde es etwas dunkler von den Texten her. Wenn du „2“ mit anderen Rock-Alben der Gegenwart vergleichst – und ich glaube das darf ich sagen – sieht man, dass es etwas Großes ist. Ich hoffe, dass kommt den Fans des Rock entgegen. Und ich bin wirklich hungrig auf die Gigs, wie das funktioniert mit der Energie. Wir haben es im Studio schon live eingespielt, in nur zehn Tagen. Aber wir haben den Gedanken, das Ding am Laufen zu halten, weiterzuentwickeln. Wir sehen uns als echte Band, als Live-Band.
Ist das der Grund, warum ihr nicht mit dem Nimbus der Supergroup belastet werden wollt. Es ist ja auch schwer, solche Granaten an einem Punkt zu sammeln.
GH: Genau. Klar. Supergroups halten ein Album und eine Tour, dann ist es vorbei. Wir haben zwar ein traumhaftes Team, sehen uns aber tatsächlich als langfristige Band und nicht als nur ein weiteres Projekt. Wir alle haben Black Country Communion auf hohe Priorität gestuft und diesen Sommer freigehalten. Soviel als möglich spielen, den Boden für unsere Saat auflockern, vielleicht schon im Winter nachlegen und die Pflanze pflegen. Und ich spiele nun mal gerne mit echten Musikern, die auch persönlich in Ordnung sind.
Auf Tour gehen, aber mit wem in diesen Tagen? Aus deiner Heimat drängen sich ja nicht so viele Bands auf. Dazu habt ihr eine ziemliche Bandbreite von Alter innerhalb der Band.
GH: Die Zeit des klassischen Rock in Britain scheint wirklich vorbei. Es kommt deutlich mehr aus Australien oder den States, gar Kanada. Ich denke das letzte wirklich große Ding kam mit Metallica in dem Bereich. Und das ist auch schon ein Vierteljahrhundert her. Muse finde ich persönlich wirklich erstaunlich als Trio, das ist feine Arbeit von Wert. Wenn ich an Rock denke, dann an die guten Tage der Siebziger. Ich hatte die Ehre in zwei der maßgeblichen Bands zu spielen, das bleibt im Hinterkopf. Aber ich bin niemand, der weinend zurückblickt. Es geht nach vorne in die Zukunft und es gibt noch viel zu tun. Insofern sind Alben heute eine Postkarte vor der Tour, nicht mehr. Schön, wenn es nett auf YouTube & Co anzusehen ist, aber was zählt ist die Bühne. Zur Tour: Meine Freunde ZZ Top werden mit uns eine kleine Tour in den USA machen, Iron Maiden wollen mit uns herumfahren. Aber das ist nicht wichtig in der ersten Linie. Wir sind keine klassischen Party-Rocker. Wir lachen zwar viel, arbeiten aber sehr konzentriert und schauen auf uns. Ich habe auch erst lerne müssen, das Leben um die Musik professioneller zu gestalten.
Wie darf man sich das vorstellen?
GH: Ich schlafe sehr viel mehr und bewusst. Ebenso ist die Ernährung wichtig. Zudem habe ich erstmals einen Trainer für die Stimme. Letzte Jahr machte ich eine neue Erfahrung und verlor meine Stimme nach zu vielen Konzerten. Was für ein Schock nach all den Jahren! Aber viele Sänger, die ich mag, haben auch einen Coach. So wie ein Tennisspieler. Und das für Bowie oder Wonder gut ist, ist auch für mich ok. Also bewusst die Stimme aufwärmen, die Kopfstimme besser einsetzen, alle Techniken lernen. Schau dir Roger Daltrey an, der schon etliche Stimmbandoperationen hatte. Und er hatte noch Glück im Gegensatz zu anderen Stimmen. Deswegen habe ich meine Solo-Karriere auf Pause gestellt, spiele nur wenige Konzerte nebenbei. Black Country Communion hat meine volle Aufmerksamkeit.