Daten sammeln und abernten im Stil von Farmville? Goldgräberstimmung im Datenzeitalter? Das kleine, harmlose Spiel Data Dealer bringt unser Zeitalter auf den Punkt und hat dafür bereits den renommierten Game For Change Award bekommen. Jetzt bräuchten sie nur noch ein bisschen Geld. Bis … äh … morgen?
Bitte erkläre kurz, um was es in eurem Spiel Data Dealer geht.
Unser Spiel funktioniert ähnlich wie diese berühmt-berüchtigten Bauernhof-Spiele auf Facebook, nur dass bei uns keine Äcker abgeerntet werden müssen, sondern mehr oder weniger legale Quellen für intime private Details über möglichst viele Menschen.
In "Data Dealer" schlüpfst du in die Rolle eines skrupellosen Datenhändlers und sammelst Millionen von persönlichen Daten. Die bekommst du etwa von dubiosen Kontakten auf dem Daten-Schwarzmarkt oder durch das Betreiben von Gewinnspielen oder Online-Partnerbörsen. Die Königsklasse ist dann natürlich die Gründung des eigenen "Smoogle" und des eigenen "Tracebook". Jede Ähnlichkeit mit bekannten Marken oder Unternehmen ist bitte rein zufällig. Die gesammelten Daten musst du als Spieler dann wieder verkaufen, zum Beispiel an Krankenversicherungen und Personalabteilungen – oder an bestimmte Regierungsbehörden wie zum Beispiel an eine "Central Security Agency".
Zusammengefasst: In "Data Dealer" geht’s um das Sammeln, Verknüpfen und Verkaufen von Persönlichkeitsprofilen – und zwar in ganz großem Stil! Momentan haben wir eine – inzwischen mehrfach ausgezeichnete – Demo-Version online, die kann kostenlos und ohne Installation unter datadealer.com gespielt werden. Die englische Version ist übrigens ein wenig aktueller, die deutsche ist aber auch nicht schlecht!
Wie seid ihr auf dieses heikle Thema als Spielidee gekommen?
Viele Menschen haben recht wenig Ahnung, wie das Geschäft mit ihren Daten funktioniert und wissen auch nicht so genau, was die eigentlich wert sind. All die kostenlosen Internet-Dienste sind ja nicht wirklich umsonst, meistens bezahlen wir mit unseren Daten. Wir beschäftigen uns schon länger mit diesem Thema und wissen ein wenig darüber Bescheid, was für fette Potenziale in diesen gigantischen Datenmengen stecken, die heute an allen Ecken gespeichert werden.
Egal ob Internet oder Smartphone – inzwischen wird ja fast unser gesamter Alltag überwacht, akribisch digital dokumentiert und dann auf irgendwelchen Server-Farmen am anderen Ende der Welt abgelegt. Und niemand weiß so genau, welcher dieser Informationen wo herumliegen und was damit vielleicht einmal gemacht wird.
Privatsphäre wird in „Data Dealer“ mit Füßen getreten – wollt ihr die Leute nun dadurch sensibilisieren oder macht ihr euch tatsächlich nur über das Thema Datenschutz lustig?
Was tun? Die Zeigefinger-Schiene à la "sei mal ein wenig vorsichtig was du postest" sorgt meistens nur für ein müdes Gähnen – genauso Berichte über Datenschutz, Sicherheitslücken & Co. Die logische Konsequenz: Drehen wir die Situation halt mal um und machen ein Spiel, wo die Leute selber Daten sammeln und verwerten sollen. Vielleicht lässt sich dadurch ein wenig mehr Verständnis erreichen! Sensibilisierung? Aber nicht doch! Unsere Mission: Ganz nach unserem Motto "legal, illegal, scheißegal" sammeln wir alle dreckigen Details über deine Freunde, deine Nachbarn und den Rest der Welt. So schauts aus.
Na gut, im Ernst: Ja, klar. Wir versuchen etwas davon zu vermitteln, wie die Ökonomie der persönlichen Daten im heutigen digitalen Zeitalter eigentlich funktioniert. Und hoffen, dass wir mit unserem Spiel zumindest ein paar Antworten geben können auf Fragen wie: Welche persönlichen Daten gibt’s überhaupt? Wer sammelt die und warum? Und was lässt sich mit den gesammelten Daten alles anstellen?
Glaubt ihr, das wird funktionieren? Ist es nicht so, dass die meisten Menschen völlig arglos mit ihren Daten umgehen, in erster Linie bequem und gutgläubig sind?
Im Laufe des Siegeszugs der sogenannten sozialen Netzwerke und anderer Internet-Geschäftsmodelle, die rein auf der ökonomischen Verwertung von persönlichen Daten beruhen, habe ich immer wieder erlebt, dass die Leute unglaublich hedonistisch und euphorisch mit all diesen neuen Kommunikationsmöglichkeiten umgehen.
Dagegen spricht ja an sich auch nichts, im Gegenteil. Als altes Internet-Relikt, das seit Mitte der 1990er Jahre online ist, schätze ich die Netz-Kommunikation über alles und nutze natürlich auch die aktuellen großen Dinger. Solange eine technokratisch-paternalistische Plattform wie Facebook derart dominant ist, kommt man ohne Einschränkungen im digitalen Sozialleben auch kaum daran vorbei.
Die große Frage ist aber: Wem gehören die persönlichen Daten, die bei der Nutzung anfallen? Wer hat die Kontrolle darüber? Die Nutzer? Oder hauptsächlich einige intransparente große Unternehmen und vielleicht noch ein paar staatliche Behörden dazu? Ich glaube, hier muss sich noch einiges ändern, wenn wir zukünftig in einer positiven Art von Informationsgesellschaft landen wollen. Und wenn wir hier ein wenig Licht ins Dunkel bringen, haben wir schon viel erreicht.
Aber hauptsächlich soll unser Spiel eines machen: Spass! Du wolltest schon immer dein eigenes Smoogle oder Tracebook betreiben und bei Image-Problemen kritischen Datenschützern eine aufs Maul geben? Auf geht’s!
Seht ihr euch als Vorreiter? Und was ist eurer Meinung nach der Grund, warum es zu diesem Thema keine anderen kritischen Spiele gibt?
Zu genau unserem Thema gibt’s echt kaum was im Spielesektor. Das liegt aber sicher auch daran, dass so etwas wie "kritische Computerspiele" insgesamt noch eher unterbelichtet sind. Was wiederum daran liegt, dass die Mainstream-Spieleindustrie – die ja inzwischen größer ist als Hollywood – mit riesigen Budgets arbeitet, die selbstverständlich für Projekte wie unseres nicht einmal im allergeringsten Ansatz zur Verfügung stehen. Andererseits können im Spielebereich einfache und kreative Ideen jedes Multimillionen-Dollar-Spiel mit fotorealistischer Ultra-Hochglanz-Grafik schlagen. Und genau das versuchen wir.
Darüber hinaus sehen wir "Data Dealer" aber auch als ein Projekt, mit dem wir austesten und weiterentwickeln wollen, wie denn so ein Mix aus einem edukativen und einem kritischen Spiel eigentlich aussehen könnte. Mittelfristig hätten wir jede Menge andere Ideen. Zum Beispiel den "Lebensmittelindustrie-Manager" – das ist jetzt bitte ein Arbeitstitel. Oder der Pharma-Sektor wäre sicherlich auch ein interessantes Feld. Im Moment konzentrieren wir uns aber weiter voll auf "Data Dealer".