Daten sammeln und abernten im Stil von Farmville? Goldgräberstimmung im Datenzeitalter? Das kleine, harmlose Spiel Data Dealer bringt unser Zeitalter auf den Punkt und hat dafür bereits den renommierten Game For Change Award bekommen. Jetzt bräuchten sie nur noch ein bisschen Geld. Bis … äh … morgen?
Das ist jetzt sicher ein wenig zynisch, andererseits vielleicht recht passend zum schwarzen Humor des Games: Kommt es euch nicht gelegen, dass der NSA-Abhörskandal gerade jetzt in aller Munde ist? Und glaubt ihr, dass in Österreich ähnliche Zustände herrschen?
Unsere erste englische Version ist ein paar Tage vor dem Aufkommen dieses Sache online gegangen. Wir sagen ja seither immer: NSA, PRISM, Snowden … das ist alles ein Riesen-Fake! Das ist alles Teil einer ausgeklügelten Marketingstrategie eines cleveren kleinen Spieleprojekts aus Wien, haha. Klar kommt uns das einerseits entgegen. Andererseits fokussieren wir in unserem Spiel sehr stark auf kommerzielle Datensammelei und nicht so sehr auf die staatliche Überwachung. Dadurch mussten wir in unserer Kampagne sehr schnell sehr viel umbauen.
Inzwischen haben wir aber jede Menge schöner Bildchen online – etwa mit dem NSA-Boss Keith Alexander und natürlich mit Snowden und vieles mehr. Das macht uns auch sehr viel Spass, diese Dinge mit bissigem Humor aufs Korn zu nehmen.
Der Hintergrund ist natürlich ein ernster, und so richtig überraschend war das alles ja nicht. Informierten Geistern war schon lange klar, dass die USA und andere Staaten wohl Ähnliches betreiben.
Ob in Österreich ähnliche Zustände herrschen? Na, einerseits gibt’s bei uns die Vorratsdatenspeicherung! Und wenn ich mir ansehe, wie so manch österreichische Behörde etwa bei der Überwachung der Tierschützer agiert hat, kann ich mir leider vieles vorstellen.
Themenwechsel. Wie schaut es mit der Finanzierung aus?
Schwierige Sache. Am Beginn haben wir an "Data Dealer" zu viert und nebenbei gearbeitet. Unser Brot-Job war damals eine kleine Internet-Agentur mit Schwerpunkt auf Open Source und Web-Technologie für kleinere bis größere Kunden. Nach dem doch ganz guten Erfolg des Demos vergangenes Jahr im gesamten deutschen Sprachraum haben wir uns gesagt: Entweder Finanzierung oder wir müssen es sein lassen. Das Projekt ist einfach zu aufwändig, um es nebenbei weiterzuentwickeln.
Die Finanzierung hat dann glücklicherweise geklappt – hauptsächlich Dank departure und der netidee. Seit vergangenem Herbst arbeiten wir mit einem größeren Team an der Multiplayer-Vollversion von "Data Dealer". Die kommerziellen Internet-Projekte haben wir großteils aufgegeben, es geht einfach nicht beides parallel.
Mit der Vollversion von "Data Dealer" sind wir jetzt zu 80% fertig. Leider ist nun gleichzeitig unser Geld aus. Ich möchte aber dazusagen, wir haben wirklich nicht getrödelt, im Gegenteil. Das letzte Jahr war sehr intensiv und ich glaub‘, wir haben ein Mehrfaches davon geleistet, was mit einem derartigen Budget eigentlich möglich ist. Wir haben eine eigene "Game Engine" entwickelt, unser Spiel basiert auf HTML5 anstatt Flash und die ganze Internationalisierung ist natürlich auch nicht gerade unaufwändig. Jedenfalls sind wir jetzt leider wirklich in einer kritischen Situation.
Warum nun Kickstarter? Und bitte erklär mal kurz, wie das dort abläuft, was sind zB. die Risiken eines solchen Crowdfunding-Projekts?
Kickstarter ist eine US-Plattform zur Finanzierung kreativer Projekte durch die Internet-Community. Wir haben unsere Spendenkampagne dort gestartet, um unser Finanzloch zu füllen und unser Spiel fertigstellen zu können. Wir arbeiten jetzt seit 2 Jahren an "Data Dealer" und möchten das Baby endlich online bringen!
Insgesamt benötigen wir dafür 50.000 Dollar. Inzwischen haben über 250 Leute schon über die Hälfte davon beigetragen! Das spannende und gleichzeitig fiese an Kickstarter ist aber: Wenn wir bis Donnerstag Abend nicht die gesamte Summe schaffen, bekommen wir gar nichts. Und dann sieht’s wirklich nicht gut aus für unser Projekt. Es ist zwar einiges an Partnerschaften in den Bereichen Medienpädagogik, Konsumentenschutz und Datenschutz am Entstehen, aber das hilft uns alles nichts, wenn wir die nächsten Monate nicht überleben.
Darum hier die voll dringende Bitte: Schaut auf unsere Kickstarter-Seite, unterstützt uns und leitet den Aufruf an eure Freunde und Bekannte weiter! Egal ob 10 Dollar oder 100, jeder Beitrag hilft. Und je mehr mitmachen, desto eher schaffen wir’s. Es gibt dafür auch jede Menge Goodies und Belohnungen von Kühlschrankmagneten zum löschen digitaler Datenspuren über T-Shirts bis zu einem ziemlich nerdigen Stofftier.
So eine Kickstarter-Kampagne zu betreiben ist auf jeden Fall nicht ohne: Weil wir nicht aus den USA sind, mussten wir beispielsweise extra eine US-Firma gründen. Und wir haben ein Video gedreht, die Kampagne ausführlich vorbereitet und sitzen jetzt Tag und Nacht dabei und schreiben tausende Emails. Drum wärs schon echt sehr cool, wenn ihr uns helft, die 50.000 Dollar zu schaffen!
Du bist vor kurzem aus New York zurückgekehrt. Was hast du dort gemacht? Hat’s was gebracht?
Ich war eine Woche dort und das war eine ziemlich intensive Woche. Ich war hauptsächlich wegen dem "Games for Change Festival" dort und natürlich wegen unserer Nominierung für den "Games for Change Award". Beim Festival waren über 800 Leute – darunter wohl so ziemlich alle international relevanten Leute aus den Bereichen Serious Games, Educational Games und eben "Games for Change" – also Spiele, die auf einen sozialen oder gesellschaftlichen Impact abzielen.
Dazu waren aber etwa auch die Mainstream-Spieleindustrie, große US-Stiftungen und Medien ganz gut vertreten. Ich hab unser Spiel präsentiert, viele interessante Kontakte geknüpft und schließlich doch sehr erfreut den Preis entgegengenommen. Ich hab wirklich nicht damit gerechnet und dann gar nicht so recht gewusst, was ich sagen soll. Außerdem hab ich sogar ein Fox News Interview gegeben. Ausgerechnet die waren dort!
Gratulation zum "Games for Change Award" – wie wichtig ist der eigentlich?
Ich würde sagen, das ist der international wichtigste Preis am Schnittpunkt der Felder Serious Games, Educational Games und Social Impact Games. Die Jury ist ganz schön fett – von der Serious Games Päpstin Jane McGonigal bis zu Leuten von Firmen wie Valve, EON Entertainment, BitTorrent, Mozilla oder Atari. Und außerdem der Vizepräsident von der FarmVille-Firma Zynga – was für eine schöne Ironie!
Der Preis hat uns jedenfalls viel Aufmerksamkeit verschafft, nicht nur medial, sondern auch bei all den Leuten rund um die Welt, die sich mit Computerspielen beschäftigen, die eben etwas mehr wollen als nur Entertainment. Es gab schon einige interessante Kontaktaufnahmen. Ich bin gespannt, was sich daraus noch alles ergibt.
Wie sieht die Marschroute für Data Dealer nun aus? Zuerst Österreich oder gleich die ganze Welt?
Naja, erstmal hängt ziemlich viel vom positiven Ausgang unserer Kickstarter-Kampagne ab. Kann schon sein, dass wir auch ohne irgendwie weitermachen können, aber dann müssen wir mal überlegen, wie. Österreich und der deutsche Sprachraum bleiben jedenfalls sicher nach wie vor unsere Homebase. Ein Großteil des Teams sitzt hier und ein guter Teil unserer Community ist auch von hier.
Gleichzeitig sind unser Thema und unser Ansatz natürlich keinesfalls nur im deutschen Sprachraum relevant, darum haben wir den Schritt in internationale Gewässer gemacht. Bis jetzt nicht erfolglos – nicht nur was die Medienberichterstattung vom New Yorker, ProPublica, Guardian, Le Monde, Mashable, Washington Post & Co betrifft.
Wir haben auch unglaublich viele positive Rückmeldungen von Leuten aus aller Welt erhalten, aus allen möglichen europäischen Ländern bis Russland, Asien, Australien bis Südamerika. Und sind im guten Kontakt mit vielen relevanten Datenschutz-Organisationen von European Digital Rights, der britischen Open Rights Group und Bits of Freedom aus den Niederlanden bis zur amerikanischen EFF. Außerdem haben wir ein EU-Konsortium aus mehreren europäischen Unis zur Entwicklung einer Schulversion von "Data Dealer" samt didaktischem Begleitmaterial zusammengestellt. Die würde sicherlich anders aussehen, aber das könnte sich auch gegenseitig befruchten. Das würde aber sowieso frühestens Anfang 2014 aktuell.
Wie weit würdet ihr gehen, um euer Ziel zu erreichen? 😉
Sehr weit! Klare Sache: Wir lassen uns von Google und Facebook sponsern, tun uns dann noch zusätzlich mit dem wahnsinnigen Kim Schmitz und seinem "Mega" zusammen und verkaufen danach all die Daten unserer Spieler. Ha!
Das Kickstarter-Projekt zu Data Dealer kann man hier unterstützen. Tu es. Tu es. du willst es. Es gibt Kühlschrankmagneten und persönlich gewidmete Credits um 23 Dollar, oder einen Platz im Spiel als Daten-Märtyrer um 480 Dollar. Tu es.