Der Scratch macht die Musik

Es gab eine Zeit, da hatte Österreich einen eigenen Turntablist-Wettbewerb. Eine lebendige DJ Szene mit Fokus auf HipHop gibt es immer noch. Einige haben die Slipmats zur Seite gelegt und sich hinter den Produzentensessel geklemmt. Eine Leistungsschau.

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Eine goldene Schallplatte ist cool, ein goldener Plattenspieler nicht weniger. So einen gewinnt man, wenn man beim jährlichen DMC Championship weltbester DJ wird. Dabei geht es nicht um Musikalität: Es geht um Technik, ums Scratchen, Beatjugglen und darum, auf kompliziert-kreative Art auf den Putz aka das Vinyl hauen. Das alles um die Wette und in 6-Minuten-Routinen. Der Running Gag dabei: DMC-fitte DJs sind auf Partys gar nicht so arg beliebt. Zu technisch, heißt es da, zu heiß darauf, die hart antrainierten Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Kein Augenmerk auf die Crowd, die tanzen will, kein Gefühl für Musik. Klischeealarm: Das stimmt wirklich nur manchmal. In den letzten Jahren haben sich gerade die Turntablists unter den hiesigen DJs zunehmend auch auf den Produzentensessel gesetzt und gezeigt, dass sie auf internationalem Niveau mitmischen können. Um das zu beweisen, muss man nicht mal die Waxos, die Kruder & Dorfmeister des österreichischen HipHop, bemühen.

Erste Schritte: Die Waxolutionists

Man kann aber. Buzz, Bionic Kid und Zuzee haben es vorgemacht: international beachtete Platten, internationale Gäste von Ty bis Mystic. Mit Re:Wax haben sie ein stark besetztes Remix-Album herausgebracht und früh auf eine Fusion mit Live-Musikern gesetzt, dabei aber auch die eigenen DJ-Karrieren und Seitenprojekte nie aus den Augen verloren. Das Resultat: die Supercity schafft Platz für Freunde und Gleichgesinnte. Wie bei einem Musikbaukasten ist alles möglich: vom alleine Auflegen bis zum Aufgeigen mit Big-Band – und die Zwischenstufen natürlich auch.

Raritätenhandel: DJ DSL

Der DJ DJ SuperLeiwand macht das ganz anders. Der macht sich rar. Nicht als DJ. Man kann sich auch in Wien regelmäßig davon überzeugen, wie zielsicher er sein Publikum einschätzt und glücklich macht, ohne sich ihm anzubiedern. Als Produzent wird er ähnlich gefeiert, macht sich aber rar. Seine Debütplatte „#1“ erschien 2002. Fingerfertig ist der Mann auch in anderer Hinsicht: Seine Flyer und Kalender in unverwechselbarer DSL-Grafik sind legendär. Der aktuelle WM-Kalender auf seiner Webseite bestellbar.

Mehr, bitte: Phonosapiens, Linkmen

DJ M-Tone, DJ Sight und DJ Fisherman sind 2008 unter dem Namen Phonosapiens angetreten, um nicht nur Scratch-Nerds von ihren Fähigkeiten zu überzeugen. Die breite Masse ist davon leider unbeeindruckt geblieben, zu Unrecht: „Circulating Instruments“ erzählt Geschichten, erschafft eine eigene Atmosphäre, überzeugt auf Track- und auf Albumlänge, räumt den technisch guten Cuts Raum ein, aber strapaziert nie die Geduld des Hörers. Ähnlich die Linkmen. Die ambitionierte Turntablisten-Crew aus Linz konnte immerhin mit der wunderbaren Female MC Missverständnis den Radiohit „Pappatrappen“ landen. Als Visitenkarte für eine Turntablistenband, die live gerne mit einer ordentlichen Anhäufung Technics antritt, auch nicht ganz einfach. Übrigens, beide Crews haben ihre Alben – wohl aus Kostengründen – auf CD veröffentlicht. Teil des Problems oder auch keine Lösung?

Oberhand für Overland: Chrisfader & Testa

Soeben ist wieder ein DJ-Team angetreten, die Welt von ihrer Musik zu überzeugen. Chrisfader & Testa, auch als Ghostbusters bekannt, sind schon seit Jahren Fixsterne. ITF-Titel und Auftritte mit verschiedensten Bands (Polifame, LA Splisz, 60 Minutes of Funk) zeugen von einem funktionierenden Netzwerk. Chrisfader hat auch Cuts zum aktuellen HSC-Album „Post“ beigesteuert. „Overland“ ist ihr Vinyl-Debüt: eine wunderschöne limitierte Auflage mit Siebdruck-Cover und glücklich machendem Inhalt. Nach Samples wurde unbeeindruckt von Genre-Vorgaben gesucht. Die etwas verhatschte Funkyness erinnert manchmal an Dorian Concept, geht aber bei aller Liebe zum Down-Tempo auch ziemlich nach vorn. Die Musikblogs dieser Welt haben ihre 12“ vorsichtig euphorisch begrüßt und auf hhv.de ist sich immerhin eine Platzierung in den Verkaufscharts ausgegangen. Ab jetzt liegt es an uns!

Technics 1210, RIP?

Und während wir jetzt alle unsere Begeisterung in die Welt raustwittern, bitten alle Turntablisten noch um Aufklärung in anderer Sache. Es geht das Gerücht um, dass nicht nur das Vinyl tot sei. Nein! Auch der legendäre Technics 1210 würde in Kürze nicht mehr produziert werden, raunt es da durchs Netz. Gilt das auch wirklich nur für Australien? Soll ich gebrauchte 1210er hamsterkaufen und unterm Hochbett stapeln als Altersvorsorge? Sind die Dinger echt so unkaputtbar, dass der Markt jetzt einfach gesättigt ist? Wie auch immer, solange sie sich noch drehen werden wir nicht müde, obengenannte Platten draufzulegen. Totgesagte leben sowieso am längsten. Das gilt für Vinyl, und das gilt auch für Technics. Das gilt für die sie bedienenden Musiker, denen es bei allen Scratch-Skills immer in erster Linie um gute Musik geht.

Glossar:

DMC – World DJ Championship www.dmcdjchamps.com

ITF – International Turntablist Federation (inaktiv)

Technics 1210 – DJ Wunderwaffe

Neugierig geworden? Über Projekte, Produktionen, Mixtapes und DJ-Gigs informiert euch der DJ eures Vertrauens gern auch selbst! Eine Klickliste:

Supercity: Waxos, Phonosapiens

www.supercity.at

Duzz Down San: Label von Chrisfader & Testa

www.duzzdownsan.com

Tiefparterre DJ Kollektiv

www.tiefparterre.net

DJ Earl & Abillity @ Hillbilly Kollektiv

hillbillysoul.blogspot.com

DJ BRX

www.djbrx.com

DJ Crum

www.myspace.com/djcrum

DJ DSL

www.dj-dsl.com

Linkmen

www.linkmen.org

DJ Twang

www.djtwang.com

Functionist & Beware @ UNLMT

www.unltd.at

Austrian DJ Federation

adf.at

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