Design ist für Menschen da, Flüchtlinge inklusive

Talia Radford entwirft Produkte. Sie entwirft sie für die Menschen. Für die Menschen war sie auch am Wiener Hauptbahnhof und hat dort bei der Versorgung der ankommenden Flüchtlinge geholfen. Darüber hat sie einen Kommentar geschrieben – erstveröffentlicht bei Dezeen, von uns auf Deutsch übersetzt.

Weil viele, die dachten, dass es sich hier nur um eine akutes Problem handelt, erkennen werden, dass sich unsere Gesellschaft einfach dauerhaft verändern wird, ist es mir wichtig, mir selbst die Frage zu stellen wie Design ein Werkzeug dafür werden kann Infrastruktur zu schaffen und gewisse Dinge für die Gesellschaft zu vereinfachen. Aber ich fing auch an mich zu fragen, wie sich die Visionen dieser Menschen sich kreativ umsetzen lassen. Weil Design, in seiner besten Ausprägung, nicht dafür da sein soll mit Konsequenzen umzugehen, sondern Zukunft zu schaffen.

Kreative Potentiale entfalten

Cameron Sinclair hat einmal zu mir gesagt: „Wenn sie Wasser brauchen, bau einen Brunnen!" Er spielte darauf an, immer den direktesten Weg zu nehmen, um ein Problem anzupacken. Als mittelfristige Lösung glaube ich daran, dass Design uns zu Machern werden lassen muss. Und auch genau das bietet – ohne Umschweife ein Problem anzugehen und zu lösen. Nur eine Idee: Wenn Menschen bereit sind, Taschen zu spenden, was sie ja bereits tun, kann man nicht die Fablabs der Stadt nutzen, um multifunktionale Räder zu bauen, auf die die man die schweren Taschen dann aufladen kann – wie Trolleys, sozusagen.

Bevor der Winter so richtig kalt und hässlich wird, könnte man auch probieren, billige aber noch intakte Sportschuhe zu sammeln und dann in den Fablabs mit Laser-Cut Technologien wärmende Schuheinlagen herzustellen. Die Frage ist die – wie können wir als Designer eine solche Basisausrüstung für den kommenden Winter herstellen, sodass wir es den Flüchtlingen umsonst geben können, und auch für uns nur geringste Kosten entstehen?

Herzen und Zeitfenster öffnen

Glücklicherweise ist das Zentrum Europas ja ohnehin ein Schmelztiegel für kreative und soziale Unternehmungen und Unternehmer. Deswegen glaube ich nach wie vor ganz stark an all die schönen Projekte, in denen emotionale, intellektuelle und menschliche Bedürfnisse das Design bestimmen. Es geht darum in Projekte zu investieren, die die Menschen nicht nur mit den zentralen „Integrations-Werkzeugen“, wie Sprache, ausstatten, sondern mithilfe derer auch ihr Selbstbewusstsein gestärkt wird.

Ich rufe alle Designer und Architekten dazu auf, ihre vorgefertigten Meinungen von Flüchtlingen zu verwerfen und mit ihrer Arbeit auf einem Level der Menschlichkeit anzusetzen. Ich wende mich an sie, damit sie Zeitfenster öffnen, um ihre Fertigkeiten im Bereich der Problemlösungen einzusetzen, um Visionen zu schaffen und menschliche Würde zu erhalten. Man kann freiwillig mithelfen, man kann Geld spenden, aber man kann auch sein kreatives Potential einsetzen. Ein bisschen später im Prozess wird man die Architekten sowieso brauchen um abzusichern, dass Flüchtlinge nicht in schäbigen Vororten oder Ghetto-artigen Stadtbereichen untergebracht werden, wo sie in die Marginalisierung getrieben werden.

Für Menschen und von Menschen

Es macht mich froh zu beobachten, dass Organisationen und Firmen die dem Kreativbereich angehören, schon mitten im Mobilisierungsprozess stecken. Sophie Pollack, Besitzerin des Shops We Bandits ist eines der Gründungsmitglieder von happythankyoumoreplease. Der Künstler Raoul Haspel hat mit der Schweigeminute auch zur Unterstützung dieseer Initiative beigetragen, weil alle Einnahmen aus den Verkäufen an happythankyoumoreplease gehen. Ali Mahlodji von der Video Plattform Whatchado hat ein Video herausgebracht, das gleichzeitig auch dazu aufruft, Videomaterial von Flüchtlingen zu unterstützen, welches es ermöglicht ihre Geschichten nicht nur als Flüchtlinge, sondern als Menschen zu erzählen. Mein Nachbar, der Musiker Boxer John von The Vintage Underground Radio Series hat versucht mit seiner Musik in Traiskirchen so etwas wie eine Community zu schaffen.

Mein Fazit ist: Jeder kann dazu beitragen das Europa zu schaffen, von dem wir alle träumen – menschlich, emphatisch und voller Möglichkeiten…für alle!

Denn, wie Victor Papanek mal sagte: "Design muss zum innovativen, kreativen und interdisziplinären Instrument werden, das den wahren Bedürfnissen der Menschen gerecht wird".

Der Kommentar von Talia Radford ist zuerst auf der Website der Design-Plattform Dezeen erschienen. Auf ihrer Homepage kann man sich ansehen, was sie in ihrem Studio sonst noch so tut, außer kluge Kommentare zur aktuellen politischen Lage zu schreiben.

Bild(er) © 1: taliaystudio.com 2 + 3: dezeen.com
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