Es gibt verschiedene Art und Weisen, sich dem Thema Migration in den Medien zu nähern. DaStandard und Biber stehen für zwei unterschiedliche Zugänge, die immer wieder kollidieren. Wir haben ihre Protagonisten zum Gespräch geladen. Für die Umsetzung haben wir mit der Sojamarke Joya koopertiert und möchten uns dafür bedanken.
Im April diesen Jahres erschein das Wiener Stadtmagazin Biber mit einem ziemlich provokanten Cover. Es ging um „Mischlinge“, und im Heft selbst gab es einen Multiple-Choice-Test. Die Wogen in den sozialen Netzwerken gingen daraufhin hoch. Olivera Stajic, Redaktionsleiterin von daStandard, kritisierte das Cover in zwei Kommentaren. Biber-Kolumnistin Ivana Martinovic antwortete mit einem Rundumschlag, der mittlerweile leider nicht mehr online ist. Wir machten uns über die Reaktion lustig. Der stellvertrende Biber-Chefredakteur Amar Rajković reagierte darauf ein wenig emotional.
Nach zwei Wochen Aufregung und einer Podiumsdiskussion flachte die Erregung schnell wieder ab. Wir haben die Chance genutzt, die beiden nach einiger Zeit zu einem längeren Doppelgespräch über Migration und Medien zu laden. Das Gespräch verlief äußerst lebhaft, aber zu keinem Zeitpunkt böse.
Wir müssen der Sache kurz noch zwei Dinge voranstellen.
1. Selbstverständlich lebt nicht nur Biber, sondern auch Der Standard von Anzeigen. Und ist dabei ebenso nicht zimperlich, was die Auswahl der Kunden angeht. Das kommt im Interview letztlich nicht so gut heraus – es wäre aber unfair, das unter den Tisch fallen zu lassen. Dass die Trennung von Anzeigenverkauf und Redaktion bei kleineren Magazinen (auch bei uns) oftmals schwieriger ist als bei großen Verlagen, steht auf einem anderen Blatt.
2. Wie immer der Transparenz-Hinweis: Diese Geschichte erfolgt mit Unterstützung der Marke Joya, die Soja-Produkte herstellt und vertreibt. Unterstützung = Geld, das es uns ermöglicht diese Interviewreihe zu führen. Eine redaktionelle Einflussnahme gab es nicht.
Danke an Lukas Traber für die Transkription.
The Gap: Beginnen wir mit einem kurzen Blick zurück. Die Aufregung um das „Mischlings-Cover“ vom Biber ist jetzt gut drei Monate her. Wie betrachtet ihr die Sache mit ein bisschen Abstand?
Amar Rajković: Ich persönlich hab anfangs wohl ein wenig emotional reagiert. Ich fand es einfach ungerecht. Ich bin halt auch seit der ersten offiziellen Ausgabe bei Biber dabei und habe eine Nähe zum Produkt. Später konnte ich die ganze Sache dann auch nüchtern und positiv betrachten. Die Leute haben sich darüber Gedanken gemacht, und zwar in alle möglichen Richtungen.
Olivera, du hast das Biber damals recht scharf kritisiert.
Olivera Stajic: Es gibt in Österreich wahnsinnig wenig kritischen Medienjournalismus. Egal was man macht, die Wogen gehen gleich hoch. Wir sollten uns untereinander ehrlich die Meinung sagen können und über’s journalistische Arbeiten diskutieren, ohne dass man es persönlich nehmen muss.
Und in der Sache selbst? Bist du immer noch der Meinung, man sollte das Wort Mischling nicht verwenden darf?
Stajic: Ich habe nie gesagt man darf es nicht benutzen. Ich habe nur gesagt, dass es in diesem Kontext unsensibel war. Aber ich würde niemals Sprechverbote aussprechen.
Rajković: Ich steh zu der Entscheidung. Auch mit nüchternem Kopf und drei Monate später.
Ist das Konzept der Selbstermächtigung, sich auch ursprünglich beleidigende Worte anzueignen, der Zugang vom Biber?
Rajković: Das ist nur ein Aspekt. Es ist ja nicht so, dass wir im Duden nachschlagen, oder auf der Straße nach umstrittenen Begrifflichkeiten suchen und absichtlich hinein knallen. Unsere Sprache ist naturgemäß eine andere als beim Standard und das ist auch gut so. Obwohl wir natürlich schon raus aus diesem akademischen Sprech wollen.
Olivera Stajic: Ich finde die Sache mit der Selbstermächtigung generell total super – und wie der Biber das macht ist großartig. Nur dieses Mal halt gar nicht so. So wie ich es verstanden habe, war das ja für die Redaktion im Vorhinein ein positiver Begriff. Die haben eine tolle Facebook-Seite gefunden, wo sich die Leute selbst so bezeichnen. Ich sehe das also in diesem Fall nicht als Selbstermächtigung, so wie man es früher beobachtet hat.
Gehen wir mal weg von diesem konkreten Fall. Ist es möglich sich mit Stereotypen ironisch zu beschäftigen, ohne sie dadurch auch zu festigen?
Stajic: Man kann sich sehr wohl an der Oberfläche humorvoll mit Vorurteilen beschäftigen und dazu einen Kontext liefern. Auch in einem Satiremagazin wie Titanic versteh ich das. Aber Biber ist keine reine Satire, sondern vielmehr ein Sprachrohr für eine ganze Generation.
Rajković: Ich sehe jeden einzelnen Leser als mündig.
Stajic: Ich sehe da einen wahnsinnigen Wiederspruch. Einerseits sagst du, du siehst jeden Leser als mündig. Das klingt sehr schick und großzügig, aber ich halte das für gefährlich. Da könnte jedes Blatt sagen: „Wir können jeden Scheiß drucken, aber ein mündiger Bürger kann das unterscheiden.“ Die Kids, die das lesen, können das glaub ich nicht. Medienkompetenz ist nicht etwas, mit dem man geboren wird.
Rajković: Ich bin jetzt schon seit fünf Jahren für die Schülerredaktion verantwortlich und versuche Schüler, egal ob in der Schottenbastei oder am Henriettenplatz, zum Mitmachen zu motivieren. Ich finde es sehr einfach, den Schülern Unmündigkeit zu unterstellen und auf fehlende Medienpädagogik im Unterricht hinzuweisen. Der Ansatz mit dem erhobenen Finger führt zu nichts, das kennen wir doch selber von der Schule.
Im zweiten Teil: Ghetto-Rubriken, Community-Sprachrohre und der Faktor Coolness.