Es gibt verschiedene Art und Weisen, sich dem Thema Migration in den Medien zu nähern. DaStandard und Biber stehen für zwei unterschiedliche Zugänge, die immer wieder kollidieren. Wir haben ihre Protagonisten zum Gespräch geladen. Für die Umsetzung haben wir mit der Sojamarke Joya koopertiert und möchten uns dafür bedanken.
Aber es stellt sich schon die Frage inwieweit eure Berichterstattung die Vorurteile auch reflektiert.
Rajković: Wenn ich Rambo den halben vietnamesischen Staat auslöschen sehe, geh ich auch nicht raus und mach das sofort. Mit dieser eindimensionalen Kausalität kann ich nichts anfangen. Die Aufregung in der „Mischlings“-Geschichte kam ja auch aus dem intellektuellen Milieu. Die Jungs und Mädels sind darüber längst hinweg. In meinem Freundeskreis hat keiner ein Problem mit einem Wort wie Tschusch.
Stajic: Mich ärgert diese Argumentation. „In meinem Freundeskreis sind alle so“. Das ist nicht repräsentativ. Ich gehe auch in Schulen und rede mit den Schülerinnen und Schülern, und längst nicht alle sehen das so locker und superlässig. Manche sagen auch offen: „Hey, ich versteh den Scheiß nicht. Ich will nicht, dass mich jemand als Tschusch bezeichnet.“
Rajković: Keiner soll dazu gezwungen werden. Es ist ja nicht so, dass das Wort in jedem Biber-Artikel vorkommt. Aber einer unserer Ex-Journalisten hat doch in seiner DaStandard-Kolumne genauso das Wort Mischling verwendet. Da gab es auch keinen Aufruhr.
Stajic: Das war ironisch gemeint, aber ihr habt das nicht verstanden. Eine literarische Kolumne ist kein Journalismus. Das musst du unterscheiden, und davon rück ich nicht ab.
Rajković: Wie du das immer hinstellst. Du bist die Über-Intelligente und wir haben es nicht verstanden. Ich hab immer ein Problem damit, wenn jemand vor meiner Nase so eine Linie zieht und sagt: „So ist das, so ist das nicht“. Aber ich denke, die Mischlingsdebatte haben wir jetzt abgehandelt.
Das denke ich auch. Also lieber allgemeiner gefragt: Wieviel Verantwortung trägt Biber?
Rajković: Seit es Biber gibt, wird es immer wieder als Integrationsblatt dargestellt. Es geht uns aber nicht nur darum, die „Tschuschen“ und „Kanaken“ mit ins Boot zu holen, sondern auch den Alteingesessenen ein wenig Einblick zu geben, was im Haus nebenan passiert. Wir leben in einer Stadt, in der viele Menschen sich gar nicht für ihre Umgebung interessieren oder Scheu haben nachzufragen. Wir müssen allen Seiten etwas bieten.
Stajic: Schön, dass ihr euch selbst nicht als Integrationsblatt seht. Aber ihr werdet von außen so gesehen. Vor allem von den Leuten, die bei euch inserieren. Mit der Art und Weise, wie ihr geschäftlich funktioniert, übernehmt ihr auch eine Verantwortung.
Seht ihr euch als Sprachrohr der Community? Und ist das wünschenswert?
Rajković: Das geht wahrscheinlich zu weit. Aber viele Leute aus der Community reden gar nicht mit dem klassischen Redakteur Mitte 40 aus dem siebenten Bezirk. Es ist ein Vorteil, wenn du die Sprache sprichst und dort verwurzelt bist.
Stajic: Es gibt aber einen Unterschied zwischen mit der Community kommunizieren und das Sprachrohr der Community sein. Dagegen wehre ich mich. Ich will nicht, dass die Leute mich anrufen und sagen: „Du bist die Eine von uns, schreib das, was wir wollen“. Das kann nicht die Aufgabe sein. Ich glaube Journalisten mit Migrationshintergrund dürfen sich auf keinen Fall dazu verleiten lassen. Das ist ganz gefährlich.
Hat man gelegentlich das Bedürfnis, seine Community beschützen zu müssen? Habt ihr bei Themen, über die ihr eigentlich negativ berichten müsstet, Skandalisierungsangst?
Rajković: Manche unserer Artikel sorgen für mächtig Aufregung, z.B. „Sex im Islam“ oder „Ausländer hassen Ausländer“. Ich hab schon manchmal Zuspruch von irgendwelchen Rechten bekommen. Das ist natürlich schwer zu verhindern. Aber die Angst hier vereinnahmt zu werden, hab ich nicht. Wir müssen auch die eigenen Leute kritisieren, und dann gibt es halt emotionales Feedback.
Stajic: Ich find es eigentlich schade, dass wir das in den letzten Jahren nicht noch mehr gemacht haben. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind in diesem Land so ausgeprägt, dass wir jahrelang genug damit zu tun hatten, dagegen anzukämpfen. Jetzt, wo wir uns etabliert haben, könnten wir uns auch mehr darauf konzentrieren, problematische Aspekte innerhalb der Community anzusprechen.
Ok, Biber ist also nur so halb Community-Sprachrohr. Ist es der coole, exotische Kumpel, den man gerne hätte?
Rajković: Wenn das jemand so sieht, ist das natürlich positiv. Wir unterscheiden uns natürlich schon vom DaStandard. Wir sind oft sehr direkt und manchmal verstört das etwas, manchmal löst man Erdbeben aus, die aber zu einer sehr gesunden Diskussion führen. Sowas gab es eben vorher nicht.
Stajic: Ihr seid der coole Kumpel, wir sind der Kollege der es noch besser macht. Deshalb sind wir unbeliebt. Aber wir sind halt uncool.
Stört dich das?
Stajic: Ich war schon immer uncool. Ich war schon in der Schule ein Streber und hab nie zu den coolen Kids gehört. Ich muss nicht cool sein. Das Besserwisser-Image taugt mir sogar.
Hat DaStandard eigentlich eine Blattlinie?
Stajic: Nein, so wie der ganze Standard keine Blattlinie hat, weil Herr Bronner sich dagegen von Anfang an gewehrt hat. Blattlinie sind einfach die Mitarbeiter.
Kann man den Zugang von DaStandard trotzdem zusammenzufassen?
Stajic: Wir haben uns gegründet, um in einem Mainstream-Medium Themen zu sehen, die sonst nur in Ethno-Medien oder Nischenprogrammen zu finden waren. Bei uns sollten Leute schreiben, die normalerweise nicht zum journalistischen Establishment gehören. Also nicht Söhne und Töchter aus gut situierten Akademiker-Haushalten, sondern schlecht vernetzte Migranten-Kids, die gar nicht auf die Idee kommen würden, dass sie Journalist werden könnten.
Rajković: Das ist bei uns genauso. Wenn jemand zu mir kommt, ist es auch nicht wichtig, ob er dort oder dort gearbeitet hat, mir Erfahrungen oder Zeugnisse vorlegen kann. Es geht mir darum, dass er darüber schreiben will, wo er verkehrt und was er erlebt. Direkt aus der jeweiligen Community.
Was sagt DaStandard zum Vorwurf, er sei eine Ghetto-Rubrik?
Stajic: Der Vorwurf läuft ins Leere. Man kann unsere Geschichten auch auf der Startseite von derstandard.at lesen. Der Vorwurf basiert ja auch auf einem Missverständnis: Wir wollen uns mit dem Projekt ja sogar abheben. Die eigene Adresse und die Einfärbung stellen sicher, dass wir ein bisschen Aufmerksamkeit bekommen.
Ist es das Ziel euer Autoren den Sprung in andere Ressorts oder Medien zu schaffen?
Rajković: Ich bin stolz drauf, dass einige Leute, die bei mir waren, mittlerweile beim Standard, Kurier oder FM4 gelandet sind. Wir verstehen uns als Rekrutierungsfabrik. Für mich, der das Heft leitet, ist es manchmal bitter, weil uns so immer sehr gute Leute verlassen. Aber auf der anderen Seite geht es auch darum.
Stajic: Ich freu mich mich auch immer, wenn ich gute Leute „verliere“. Mein Wunsch wär es ja eigentlich, dass DaStandard in zehn Jahren überflüssig ist. Danach sieht es aber aktuell noch nicht aus.
Im dritten Teil: Deutsche Zuwanderer, Stronach und Ethno-Marketing.