Die Kriegerin: Tank Girl auf rechts

Trostlos. Die Plattenbauten, die Typen, die Jobs. Die Familien nicht minder. Irgendwie ist sogar die Landschaft trostlos, da im Osten Deutschlands (obwohl, die kann man noch mögen). Die Freizeit jedenfalls ist noch trostloser als trostlos. Mitten drin: die „Kriegerin“.

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Marisa (exzellent gespielt von Alina Levshin) hat einen trostlosen Job als Verkäuferin in einem Supermarkt, hat ein relativ trostloses Verhältnis zur Mama, aber einen Opa den sie liebt. Aber der stirbt gerade. Er war Landser und ihm war wichtig, dass das Kind seine „Kriegerin“ wird. Ist sie auch: wortlos wütend, ein Skin-Girl mit Feather Cut am Haupt, gewalttätig, ganz in ihrer Rolle, wenn die Kameraden unter sich sind. Tank Girl auf rechts. Das aber den Mund zu halten hat, wenn er Freund dran ist: der ist ein Leitwolf der Gewalt. So fängt David Wnendts Film mit Randale in der Bahn an, bei der Ausländer geprügelt werden. Die nächste Szene zeigt, wie das SEK Kommando der Polizei den hakenkreuztätowierten Freund im Überfallstil holt und in den Knast steckt.

Die Geschichte von „Kriegerin“ ist schnell erzählt: am Badestrand tauchen zwei Asylanten auf, die Nazi-Clique pöbelt sie an, einer tritt einen Seitenspiegel vom Auto der Protagonisten ab. Die fährt ihnen voll zugedröhnt hinterher, rammt sie und denkt, sie hat sie getötet. Einer von den zweien taucht wieder im Supermarkt auf, also kann nur einer tot sein. Im Skin-Girl arbeitet nachhaltig das schlechte Gewissen. Sie wird dem kleinen Afghanen zu Schleppern nach Schweden verhelfen.

Diese Geschichte ist einfach und ok, spannend macht den Film aber der Blick ins Neonazi-Milieu, der als Dauerbedröhnung durchläuft.

Oder soll man sagen „durchsäuft“? Alkohol spielt in der Ecke Deutschlands jedenfalls ein zentrale Rolle und die einzige irgendwie lustige Szene in dem Film ist, als ein dröger Kameradschaftstreff in einer Plattenbauwohnung in einer sprudelnden Bierspritzorgie explodiert. Und wie wenig Ideologie bedeutet: die kommt in Form von alten Nazifilmen aus dem Fernseher oder dröhnt aus dem Autoradio, wenn Skin-Musik ihre Botschaften grölt. Politische Diskussion findet nicht statt: beim Plattenbaukameradschaftstreff fliegen die Drogen von einem Kameraden vom Balkon und gleich drauf auch das Parteiprogramm. „Das sind auch nur Worte“, sagt der Programmwerfer, und einer daneben deklariert sich selbst zum „Krieg“. Amüsante Anspielung auf Besuch aus Österreich: der larmoyante, ältere Hetzer bei der Parteiparty hat einen Wiener Dialekt.


Andererseits: Am Beispiel eines 15-jährigen Mädels zeigt der Regisseur wie schnell man in der Szene ist. Ein Ansatz von Freund, ein paar Oi!-CDs, Sprüche und die rechte Hand droben, aus einem schüchternen Mädchen wird eine vermeintliche Rebellin, die die vermeintliche bürgerliche Scheiße der Familie hinter sich lässt und jeden provoziert. Die nächste Kriegerin.

Die erste jedenfalls wird es nicht lange geben: zu schnell der Lebenswandel, zu groß der Widerspruch, der sich eingeschlichen hat. Und ihr Freund ist der obergewalttätige Macker, der zuerst zuschlägt und dann noch immer nicht fragt. Er hat sich eine Pistole besorgt und fuchtelt damit am Dönerstand herum. (Der Film zeigt übrigens, dass es in die andere Richtung auch lebensgefährlich ist: der Kamerad wird an einer Würstelbude, wo Ausländer und Linke rumhängen, niedergeschlagen.) Der Wilde Osten: eine gigantische Landschaft der Trostlosigkeit.

Der Autor ist selbst Aussteiger aus der Neonazi-Szene.

In Deutschland läuft „Die Kriegerin“ bereits im Kino. In Österreich ist der Film ab 24. Februar zu sehen.

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