Wie gefühlt alle anderen Menschen in Wien sind auch wir gestern zu Lugners Wahlparty in der Lugner City gegangen. Ein Bericht von Jakob Cygan mit Fotos von Rosanna Atzara.
Alles 1 Euro
© alle Fotos Rosanna Atzara
Würstel um 1 Euro
© alle Fotos Rosanna Atzara
Bier und Würstel
Hund isst Lugner-Würstel
Ansturm und Gedränge
Jazz Gitti bekommt Blumen von Fan
Support auf der Bühne
Lugners Ansprache
Würstel x 3
Großes Bier um 1 Euro
Noch mehr Würstel
Lugner redet
gut besuchte Lucy
Presse wird kritisch beäugt
Lugner redet zum Volk
Jazz Gitti gibt Lugner
Gabalier und Jazz Gitti
Jazz Gitti heizt ein
Fans
Rot-Weiß-Rot-Selfie
Gitti bekommt Cognac
Dancing Stars x Lugner City
Jazz Gitti
Fanboys
Begehrte Jazz Gitti
Am Montagabend starteten die zwei recht unterschiedlichen Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen und Richard Lugner auf jeweils recht unterschiedliche Weise ihre Wahlkampf-Offensive. Während Van der Bellens Veranstaltung im Tech Gate nur für Journalisten und Anhänger der Grünen gegen Anmeldung zugänglich war, führte Lugner seine Vorstellung von gelebter Volksnähe vor, indem er die Öffentlichkeit in seinen Einkaufspalast lud, um sie mit Bier und Würstel für jeweils einen Euro, sowie einem Auftritt von Jazz Gitti für sich zu gewinnen. Welche von den beiden Wahlparties wir lieber besuchen wollten und warum, bedarf hier keiner Erklärung.
Trollerei
Die demografische Aufstellung der Besucher kündigte sich im Vorfeld dabei äußerst spannend an. Das Facebook-Event wurde sofort zum Großteil von Trollkommentaren mit jeweils zig Likes vereinnahmt, die darauf schließen ließen, dass ein beachtlicher Teil der Besucher aus einer Klientel bestehen würde, die sich sonst selten in der Lugner City, und wenn, dann eher ironisch rumtreibt. Zwischenzeitlich wurde sogar Panik geschoben, als behauptet wurde, das Event wäre nur ein Hoax – wer die Lugner City in den Tagen zuvor besucht hatte, wusste aber, dass das Ganze nicht zu gut klang, um wahr zu sein.
Die Hoffnung, die Veranstaltung könnte zu einem spannenden Sozialexperiment geraten, bei dem zu gleichen Anteilen hippe Slumming-Touristen neben Gemeindebauproletariern sitzen, wurde jedoch letztendlich enttäuscht. Die Ströme von routinierten „Lucy“-Stammkunden besetzten bereits ab 17 Uhr (offizieller Beginn: 18 Uhr) die Plätze in der abgesperrten Event-Zone, wo sie von unpassend sanfter Kuschelrockmusik berieselt wurden, bis es zum Auftritt kam. Dementsprechend wurde Lugner nicht wie erhofft zum einigenden Vater der Nation, und das Publikum im abgezäunten Bereich der heiligen Eventhalle bestand schließlich doch vorwiegend aus den Menschen, die man auch sonst an jenem Ort vorfindet. Allerdings mit dem auffälligen Unterschied, dass sich unter dieser Gruppe von wahrhaftigen Lugner-Anhängern weniger Migranten, und dafür mehr (Früh-)Pensionisten befanden, als im ortsüblichen Schnitt.
Erinnerungen an die Pratersauna (RIP) zu Glanzzeiten wurden wach
Der Rest der Masse musste damit Vorlieb nehmen, das Spektakel an die Geländer des dreistöckigen Kolosseums gelehnt zu begaffen, das Gebäude war so prall gefüllt wie sonst selten. Die Securities achteten somit besonders streng darauf, dass der exklusive Bierbankbereich nicht zu überfüllt würde. Vereinzelt spielten sich vor der Absperrung tumultartige Szenen ab, in denen ältere Damen ihre Gatten hastig am Ärmel hereinzerrten, bevor man das Absperrband hinter ihnen zuzog. Erinnerungen an die Pratersauna (RIP) zu Glanzzeiten wurden wach. Eine jener älteren Damen sagte uns im Nachhinein, der Abend wäre schön gewesen, aber dieses lange Warten vor den schroffen Securities, das hätte nicht sein müssen. Selbst Lugner kann also in Sachen Volksnähe noch etwas dazulernen. Andererseits sagte er selbst ja noch in der Pressestunde am Sonntag, die Bildung von Eliten wäre durchaus wichtig für den Fortschritt des Landes. Lugner wäre eben nicht Lugner, wäre er nicht voll faszinierender Widersprüche.
Hält, was die Plakate versprechen
Man kann über den Bauherren sagen was man will, aber er hält, was seine Plakate versprechen. Würstel und (großes!) Bier um jeweils einen Euro wurden bereits ab 17 Uhr vergeben. Bis um 17:30 Uhr noch bestand die Menge im Eventbereich zu 50% aus Menschen, die sich für Bier und Würstel in einer Riesenschlange anstellten, zu 40% aus Kamerateams, die sich auf jene 50% zwecks Interview stürzten, und zu 10% aus Menschen, die mit Bier und Würstel in den Händen über Kamerateams stolperten. Nach einer kurzen Ankündigung durch einen Moderator, von dem wir überzeugt waren, er wäre der Sänger von Nickelback, trat Lugner, diese Mischung aus Money Boy und Berlusconi der österreichischen Politik, dann pünktlich um 18 Uhr mit Österreichfähnchen wedelnden Mädchen im Schlepptau auf.
Sehr schnell wurde einem klar, man sieht hier eigentlich nicht einer politischen Veranstaltung zu, sondern einer speziellen Live-Folge aus Lugners Reality Soap. Wie gescriptet startete seine Rede zunächst einmal mit einer technischen Panne, die für die ersten Lacher sorgte, und als sein Mikro dann doch anging, leierte der Meisterentertainer in gewohnt holpriger Grammatik dieselben einstudierten Sätze und Satzfetzen runter, die man bereits kennt. Schwarz-Rot bedeutet Stillstand, bla, ein Mann aus der Wirtschaft, bla, gegen Verstaatlichung, bla bla. Zunächst erntete alles, was anti Rot-Schwarz bzw. pro Blau-irgendwas war, noch nennenswerten Beifall, sobald Lugner sich aber ansatzweise an geschichtlichen und politischen Fakten versuchte, und wie gewohnt scheiterte, geriet die Reaktion mehr zu einem verwirrten Slow-Clap Kanon als zu Applaus.
Gitti rettet
Nachdem der Entertainment-Faktor des Fremdschämens langsam anfing, sich abzunutzen, übergab Richard Lugner zeitgerecht an Jazz Gitti, die der ganzen Sache doch noch zu ihrem Höhepunkt verhalf. Die Grande Dame der österreichischen Musikwelt, die schon die Stunde davor fleißig damit verbracht hatte, Autogramme zu geben, passte auffallend gut in das Konzept der Veranstaltung, ist sie derzeit doch das Dancing Stars Pendant zu Richard Lugners Präsidentschaftskandidatur. Von der Fachjury des ORF Formats für ihr mangelndes Können schlimm verrissen, ist sie durch ihren unbändigen Schmäh die Kandidatin der Herzen. Mit dem kleinen Unterschied zu Lugner, dass sie eventuell sogar ihren Wettbewerb auf dieser Schiene gewinnen könnte.
Ihr sitzts jo eh aufm Oasch und net auf da Goschn
Gestärkt durch eigens von Lugner servierten Cognac ließ sie sich von ihrem Dancing Stars Partner Willi Gabalier ein paar mal durch die Luft schupfen, und brachte die Menge durch Sager wie „Ihr sitzts jo eh aufm Oasch und net auf da Goschn“ zum mehr oder weniger motivierten Mitsingen ihrer Hits. Zwei ihrer solider alkoholisierten männlichen Fans konnte sie sogar auf die Bühne holen. "Sexy tanzen jetzt!" war Gittis Kommando, welches beide nach bestem Gewissen befolgten.
Etwas benommen nach so einer geballten, hochklassigen Ladung Politik und Unterhaltung wussten wir nicht ganz, wie uns geschah, und wie wir den Abend und Richard Lugners Kandidatur einordnen sollten. Ein 51jähriger EDV-Techniker mit Vokuhila fasste es für uns ganz gut zusammen: „Ich bin extra von Niederösterreich nach Wien gefahren, um dem Lugner meine Unterstützungserklärung zu geben, und das ist ein Aufwand. Ich werd ihn ganz sicher nicht wählen, aber ich wollt, dass er dabei ist. Weil ohne dem Lugner wärs ja fad.“
Die Alles 1 Euro Wahlparty von Richard Lugner fand gestern in der Lugner City statt.