Die menschliche Forelle

Elitär, kalt, teuer: Die Grelle Forelle hatte lange Zeit nicht den besten Ruf unter den Wiener Clubs. Seit einem halben Jahr arbeitet man erfolgreich daran, dies zu ändern. Wir haben uns anlässlich der Terrasseneröffnung am Freitag mit der neuen Co-Geschäftsführung getroffen.

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Es ist Dezember 2011. Nach einiger Geheimniskrämerei öffnet am Wiener Donaukanal die Grelle Forelle aka <><. Und bringt Dinge mit, die das Wiener Feierpublikum ein wenig verstören: 15,- Eintritt, (angeblich) keine Gästeliste, striktes Fotoverbot, ein sehr straightes, kühles Techno-Line Up. Bei der Eröffnung ist jeder da, den man kennt. Doch genau so schnell wie die hippen Heuschrecken auf den Zug aufspringen, springen sie auch wieder ab. Bald munkelt man von Prolo-Publikum und Investitionssummen jenseits der Vorstellungskraft. Die Betreiber gelten in der öffentlichen Meinung als „Rich Kids“, denen Papa einen Club hingestellt habe. Veranstalter verbreiten das Gerücht, die Forelle würde mit ihren Gagen die Preise kaputt machen.

Das war natürlich alles 1. ungerecht und 2. typisch wienerisch. Aber man würde lügen, wenn man sagen würde, dass nicht auch einiges für diesen Ruf getan wurde. Sicher, der Gedanke war verständlich: Ein Club von internationalem Rang muss auch nach internationalen Regeln funktionieren. Aber wenn Leute an der Tür abgewiesen werden, weil sie den Namen des DJs nicht nennen können (übrigens kein Gerücht, sondern als Augenzeuge erlebt), spricht sich sowas halt schnell herum. In einer Stadt, die Begriffe wie Dresscode oder Türpolitik nicht kennt, ist ein elitäres Image eben kein Vorteil, sondern eine Gefahr.

Ende Mai 2013. Die neuen Geschäftsführer Matthias Balgavy und Valentin Menedetter sind seit einem halben Jahr dabei und sitzen zwischen Paletten und Werkzeugen und machen eine Pause. Eine Woche später soll die neue Außenterrasse eröffnet werden, alles wirkt sehr geschäftig.

„Ja, es sind in der Vergangenheit sicher Dinge nicht ideal gelaufen“, räumt Matthias ein. „Man hat auf eine Art positioniert, die in Wien nur schwer funktionieren kann.“ In dieser Stadt mag man vielleicht in „kalte“ Techno-Clubs gehen. Lieben wird man sie nie. Das bekam die Forelle sehr deutlich zu spüren.

Öffnung nach allen Seiten

Man sagt, es gäbe keine zweite Chance für einen ersten Eindruck. Aber das heißt nicht, dass man an dem Eindruck nicht weiter arbeiten kann. Und das haben die Verantwortlichen der <>< in den letzten Monaten getan. Seit einem halben Jahr wird man Zeuge einer Entwicklung, die jetzt Früchte trägt. Es sind gar nicht mal die großen Dinge. Eher kleine Justierungen in Auftreten, Abwicklung und Programmierung, die dazu geführt haben, dass man jetzt viel positiver über den Club spricht. Man hat sich geöffnet. Auf allen Ebenen.

Musikalisch ist die Programmierung deutlich diverser als noch vor einem Jahr. Neben House und Techno gibt es vermehrt UK Bass, Hip Hop und vieles andere zu hören. Das zieht neue Clubs, Veranstalter (z.B. Purple Drank, Sodom + Gomorrha, Sexy Deutsch) und sogar ein Kreativgewusel wie Maispace oder das Street-Art-Festival Cash, Cans & Candy an. Die Forelle ist plötzlich kein reiner Techno-Club mehr. Was steckt dahinter? „Das hat viele Gründe. Persönliche Vorlieben, aber auch ganz handfeste wirtschaftliche Überlegungen“, sagt Valentin. „Ein Club dieser Größe ist sonst dauerhaft gar nicht zu füllen.“ Man darf nicht vergessen: In die Forelle gehen 1000 Leute. Klar, der Break Even liegt natürlich darunter. Aber ein Clubbetrieb braucht die prall gefüllten Highlights, um die zwangsläufig auftretenden schwach besuchten Abende zu quersubventionieren. Und je mehr Musikrichtungen man abdeckt, desto breiter auch die Auswahl an Highlights, die man buchen kann.

Aber auch sonst geht man deutlich offener zu Werke. War der Clubbetrieb der Forelle bislang von einer gewissen Anonymität geprägt, bindet man zunehmend bekannte Gesichter aus dem Wiener Nachtleben ein. Matthias als ehemaliger Eventchef des Vice und Peter Balon (zuletzt Xpedit Kiosk) strahlen in den 4. Bezirk aus; Valentin ist als Majestic Mood seit längerem eine Größe. Das ist wichtig, wurde die Forelle doch lange Zeit von Menschen, die man als „Multiplikatoren“ bezeichnen könnte, eher gemieden. Böse Zungen behaupten dass das mit der fehlenden Gästeliste zusammenhing. Selbsternannte „wichtige“ Menschen zahlen ungern. Dementsprechend dürfte das neue Member Card-System, mit dem … nennen wir sie „Freunde der Forelle“ umsonst hineinkommen, eine ziemlich kluge Aktion für das Image des Clubs gewesen sein.

Die Sache mit dem Geld

Man sieht, dass da kluge und professionelle Mitarbeiter damit beschäftigt sind, der Forelle einen menschlicheren Anstrich zu verpassen. Trotzdem, es bleiben zwei leidige Themen: Der Bierpreis und die Gesellschafterfrage. Von Letzterer kann übrigens auch die Pratersauna ein Lied singen. Apropos Pratersauna: Das oftmals verbreitete Gerücht, die Clubs seien sich fremd oder gar spinnefeind, wird als totaler Quatsch abgetan. „Ja, wir wissen dass alle das denken“, winkt Matthias ab. „Ist aber Blödsinn. Wir verstehen uns gut, es gibt regelmäßige Treffen in freundschaftlicher Atmosphäre. Es gab sogar mal halb-erstgemeinte Pläne, einen Monat lang Büros und Clubs zu tauschen.“

Wie ist es denn jetzt mit der Kohle? Stimmt das Vorurteil, man hätte an der Spittelauer Lände quasi die magische Geldvermehrung entdeckt? Die Antwort ist ein klares Jein. Niemand leugnet, dass es einen finanzkräftigen Investor gegeben hat. „Zum Glück. Sonst hätte das hier doch niemand stemmen können“, geben die Geschäftsführer zu bedenken. Aber das Gerücht, irgendein anonymer Dagobert Duck würde monatlich Verluste in beliebiger Höhe ausgleichen, ist wohl fernab der Realität. Man verweist auf klare Finanzierungsregeln. Es gab Kredite, die zurückgezahlt werden müssten. Die Forelle sei – wie jeder andere neu gegründete Club – bis zum Hals verschuldet.

Das Investitionsvolumen war hoch, dafür hat man aber auch einen sehr professionellen Club. Die Anlage ist fantastisch und mittlerweile gut eingestellt, die (ausgelagerte) Bar professionell, über die Türsteher hört man nichts. Das muss sich erst einmal wieder rechnen, über einen längeren Zeitraum. Viele Vereinbarungen mit Partnern sind über 15 Jahre abgeschlossen, das Gelände sogar für 80 Jahre(!) gepachtet. Das spricht für langfristige Pläne, ist aber im hektischen Geschäft mit dem Nachtleben auch ein schwer zu kalkulierendes Risiko.

Stehenbleiben ist also verboten. In diesem Zuge ist auch die Eröffnung der Terasse zu sehen. Laut Angaben der Veranstalter will man sich damit ein wichtiges Zusatzgeschäft eröffnen und seinen Kundenkreis erweitern. Das kulinarische Angebot richtet sich auch an Radfahrer oder Spaziergänger am Donaukanal, die mit dem sonstigen Clubbetrieb nicht viel am Hut haben. Die Terrasse wird nachts den Partygästen zur Verfügung stehen und die Grelle Forelle damit zu einer angenehmeren Sommerlocation machen. Solange die geplante Klimaanlage auf sich warten lässt, sicher ein absolut sinnvoller Nebeneffekt.

Insgesamt geht es nach vorne. Die <>< hat Oberwasser. Ja, das kleine Bier kostet immer noch 4,- Euro (auch wenn andere Getränke verhältnismäßig billiger sind). Ja, das Publikum ist – wie für Clubs dieser Größenordnung üblich – immer wieder mal gewöhnungsbedürftig. Niemand wird gezwungen die Forelle zu lieben. Aber mindestens respektieren sollte man sie. Für den Mut, Dinge auszuprobieren. Für den Mut, Fehler zu machen. Und auch für den Mut, diese zu korrigieren. Das kann dem Wiener Nachtleben nur gut tun.

Jonas Vogt

Bild(er) © Grelle Forelle
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