Im Bereich der politischen Satire findet ein Generationswechsel statt. Im Fernsehen regieren Jan Böhmermann und John Oliver, im Internet Seiten wie »Die Tagespresse« und »KC Streichel«. Zeit, auch an sie eine wichtige Frage zu stellen: Was kann Satire, und was nicht?
Leser schon jetzt gelangweilt: Berufsjugendlichem Autor (30) fällt kein besserer Einstieg ein.
Seit einigen Monaten spielt sich auf Facebook ein Ritual ab. Ziemlich exakt um zehn Uhr teilt eine österreichische Page ihren einzigen Link des Tages, dessen Likes danach so schnell in die Höhe schießen, dass man mit dem Zählen nicht mehr nachkommt. Anderer Ort, selbes Internet: Ein verhältnismäßig spröder Moderator einer Late Night Show räumt im amerikanischen Bezahlfernsehen – und noch viel wichtiger: auf Youtube – mit Themen wie Native Advertising oder Nahrungsmittelverschwendung alles ab, was man so abräumen kann. Kluge Leser wissen nach diesem Einstieg eh, wie der Hase läuft: Es geht um politische Satire, Fake-News und Edutainment. Diese drei Begriffe stehen hier in einer Aufzählung, weil es gar nicht so einfach ist, aus mehreren Trends die Bewegung zu zimmern, die mancher so gerne darin sehen würde. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Formaten sind dann doch beträchtlich. Aber irgendwie haben sie doch einen gemeinsamen Kern.
Satire ist natürlich nicht neu. Schon die alten Römer twitterten müde Mashups aus tagesaktuellen Schlagzeilen in der Hoffnung, dass es irgend jemand favte, der mehr Follower hatte als sie. Und doch lohnt es im Sommer 2015, diese Bestandsaufnahme zu wagen. Es gibt nämlich einen schleichenden Generationswechsel. In den USA traten innerhalb eines Jahres mit Stephen Colbert und Jon Stewart die beiden wichtigsten Moderatoren aus dem Bereich der satirischen News-Sendungen ab. In Deutschland gab Stefan Raab seinen Rücktritt bekannt, der neben Wok-Rennen auch Politik in eine Zielgruppe brachte, für die man Parteiprogramme ansonsten an die Unterseite des Sonnenbank-Deckels hätte kleben müssen.
Und es verschwinden nicht nur Dinge: Jan Böhmermann lässt mit seinen Varoufakefake-Aktionen die »Heute Show« auf ZDF ziemlich altbacken aussehen. Und im Internet poppen in den letzten Jahren immer mehr Satire-Newsseiten auf, die eine kritische Schwelle in Sachen Wahrnehmung und Finanzierung überspringen. Manche sehr breit angelegt, wie »Die Tagespresse«, »Der Postillon« oder »The Onion«. Manche sehr spitz, wie »KC Streichel« oder »Wunderground«, das Satire aus dem Bereich elektronische Musik bietet. Und manche einfach nur gaga wie das wunderbare »Clickhole«.
Smartphone-User längst ausgestiegen: Kommt Text endlich zum Punkt?
Auf humorvolle Art verpackte Nachrichten sind eine Antwort auf ein Medien-Problem: Mit klassischen Politnachrichten erreichst du die Jungen nicht mehr. Wer da nur von Politikverdrossenheit schwafelt, der übersieht leicht, dass die nachwachsenden Menschen vielleicht gar nicht das Interesse an der Politik verloren haben, sondern nur an der Art, wie diese vermittelt wird. Nachrichten werden trotzdem konsumiert und geteilt. Zum Beispiel auf »Vice«, das die Weltpolitik von der Ukraine bis IS in knalligen, subjektiven Videos auf die Smartphones dieser Welt bringt. Oder jahrelang bei Jon Stewart und Stephen Colbert.
Oder jetzt gerade bei John Oliver, dem neuen Shooting Star der Szene. Seine Sendung »Last Week Tonight« ist eigentlich gar nicht so richtig leichte Kost. Die exzellent ausrecherchierten Segmente dauern bis zu 20 Minuten, ohne jetzt wirklich die Mörder-Puns zu haben. Die Sendung schafft es trotzdem, die Zuschauer durch geschickten Einsatz von Grafiken, dem Herausstreichen von Absurditäten und Einspielern bei der Stange zu halten. Auch wenn das, was Oliver oder Böhmermann machen, sich zusätzlich neuer Verbreitungswege bedient und damit einzelne Beiträge ein Riesen-Publikum erreichen, ist das aber trotzdem noch vor allem eine Sache: Fernsehen.
Die Satire-Seiten der neueren Generation funktionieren anders. Das wichtigste Mittel der Satire bleibt aber weiterhin die Überhöhung. Diese unterscheidet sie vom Journalismus, oder sollte es zumindest. Journalisten und Satiriker haben eines gemeinsam: Den möglichst genauen Blick auf die Welt, die sie umgibt. Der Unterschied beginnt in der Verarbeitung vom Gesehenen. Während der Journalist dieses Bild möglichst getreu oder zumindest gewissenhaft eingeordnet wiedergeben will, bläst der Satiriker die Wahrheit so absurd auf, dass man an ihr nicht mehr vorbeikommt. »Journalismus berichtet Fakten, wir machen uns über diese Fakten lustig«, fasst es Fritz Jergitsch von »Die Tagespresse« zusammen. Sein Medium ist vor allem dann lustig, wenn seine Fake-Schlagzeilen den Kern einer Sache möglichst genau treffen: »Neue Flüchtlingspolitik: ÖVP nimmt Schutzsuchende nur auf, wenn sie vom Team Stronach kommen« oder »Arbeit mit Pflegefällen: Zivildienst kann ab Herbst bei SPÖ absolviert werden« sind dafür perfekte Beispiele.
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