Im Bereich der politischen Satire findet ein Generationswechsel statt. Im Fernsehen regieren Jan Böhmermann und John Oliver, im Internet Seiten wie »Die Tagespresse« und »KC Streichel«. Zeit, auch an sie eine wichtige Frage zu stellen: Was kann Satire, und was nicht?
Achtung, jetzt kommt was Wichtiges. Ohne groß nachzudenken: Auf was hätte man bei den beiden Headlines oben geklickt? Auf den Link oder doch den Like-Button? Genau. Internet-Satire funktioniert über Schlagzeilen, die dem Retweet- und Like-Verhalten entgegenkommen. Man kann die Beiträge der »Tagespresse« auch guten Gewissens sharen, ohne sie je gelesen zu haben. Und das werden sie auch. Bei den Social Media Charts vom Branchenmagazin Horizont kommen in manchen Monaten acht der zehn meistgeteilten Beiträge von Jergitsch und seinem kleinen Team. Das Sharen von News in den sozialen Netwerken bedient ein Bedürfnis der Digital Natives: User wollen Nachrichten nicht nur passiv aufnehmen, sondern über sie mit ihrem Umfeld kommunizieren. Wer einen Artikel teilt, sendet damit eine Nachricht an seine Freunde und positioniert sich. Gerade mit politischen Schlagzeilen wird so jeder mal schnell zur vierten Macht im Staat. Oder fühlt sich zumindest so.
Dafür müssen diese Schlagzeilen noch nicht mal wirklich kompliziert sein. Die Fake-Nachricht, dass Innenministerin Mikl-Leitner zwei Wochen nach Mordor fahren würde, um »Urlaub zuhause« zu machen, reicht als Statement völlig. »Die Tagespresse« hat das verstanden. Und ist deshalb auch erfolgreicher als vorangegangene Versuche, Internet-Satire in Österreich zu etablieren, wie Hydra oder raketa.at.
Ironischerweise erschwert die Bindung an die Schlagzeile die Entwicklung von Video-Content, der wie überall auch in Sachen Satire als Next Big Thing gilt. Es ist oft einfach zu wenig Inhalt. Über die Zeile »Russischer Mathematiker schafft es als erster Mensch der Welt, seine IBAN-Nummer auswendig aufzusagen« lacht jeder. Aber wer hätte Lust, sich dazu einen Dreiminüter anzuschauen? Selbst »The Onion« schafft es selten, Sendungen zu produzieren, die lustiger sind als ihr Trailer. So ganz kommt daran aber niemand vorbei. »Die Tagespresse« hat vor Kurzem ihr erstes Video veröffentlicht. Weitere sind in Planung. »Wir überlegen gerade, wie wir das finanzieren können«, so Jergitsch.
Jetzt auch noch Fernsehen? Artikel verliert sich langsam im Format-Dschungel.
Wie schaut es in der österreichischen Fernseh-Landschaft aus? Puls 4 startete im Frühjahr die Sendung »Bist du deppert?«, bei der es – natürlich satirisch überhöht – um reale Fälle von Steuerverschwendung ging, die mit Videoeinspielern offen gelegt und von einem Team von Kabarettisten auseinandergenommen wurden. Das gefiel den Zuschauern – die Quote war so gut, dass die Sendung eine zweite Staffel bekommt. Der Recherche-Aufwand war beträchtlich, unter anderem wirkten Journalisten der Plattform »dossier« mit.
An Sendungen wie dieser lässt sich aber auch eine wichtige Frage illustrieren: Welchen Wahrheitsanspruch darf man an politisches Edutainment stellen? Wie unterscheidet sich die Rezeption von journalistischen Produkten und journalistisch unterfütterter Satire? Und welchen Einfluss hat das auf das Ausmaß, in dem satirisch überhöht werden darf? Dass das keineswegs nur ein akademisches Problem ist, zeigt die Tatsache, dass die Sendung keineswegs nur positiv aufgenommen wurde. Die Recherche einzelner Folgen und Fälle wurden in Foren teilweise sehr kontrovers diskutiert.
Bei ATV, für den das Format ursprünglich entwickelt wurde, betrachtet man die Entwicklungen im Bereich der Politik-Satire weiterhin mit Interesse. »Diese Königsdisziplin erfolgreich umzusetzen, schaffen allerdings nicht viele, da eine gut gemachte Satire-Show oft mit hohem personellen und finanziellen Einsatz verbunden ist«, wie Chefredakteur Alexander Millecker betont. Es sei aber auch nicht der einzige gangbare Weg. »Wir sehen, dass es mit der richtigen Aufbereitung einer Sendung gut funktioniert, auch junges Publikum anzusprechen.« Der Polit-Talk »Klartext« beispielsweise erreiche Junge in hohem Ausmaß. Beim ORF verweist man auf frühere Formate wie »Wir Staatskünstler« und darauf, dass politische Satire Teil von vielen einzelnen Shows wie »Willkommen Österreich« sei. »Der ORF ist also auch – aus gesellschaftspolitischen Erwägungen – gedanklich mit dem Thema permanent beschäftigt, bewertet und entwickelt Ideen zu diesem Genre.« Das stimmt ja irgendwie. Viele satirische Großtaten wie »Die 4 da« liefen im ORF, wo man ihnen auch den Rücken freihielt. Sogar als sie fiktive Interviews eines öffentlich-rechtlichen Landesstudios mit seinem nur leicht verfremdeten Provinzkaiser Erwin nachstellten. Leider wurde die Sendung wie so vieles irgendwann aus Kostengründen eingestellt.
»Jetzt kommt das Aber«: Autor schafft den Bogen zur kritischen Betrachtung doch noch. Hier weiterblättern.