Im Bereich der politischen Satire findet ein Generationswechsel statt. Im Fernsehen regieren Jan Böhmermann und John Oliver, im Internet Seiten wie »Die Tagespresse« und »KC Streichel«. Zeit, auch an sie eine wichtige Frage zu stellen: Was kann Satire, und was nicht?
»Jetzt kommt das Aber«: Autor schafft den Bogen zur kritischen Betrachtung doch noch.
Es ist völlig gut und richtig, Satire zu loben. Aber man sollte nicht vergessen, darüber nachzudenken, was sie nicht kann. In ihrer klassischen Form, aber auch in ihren neuen Ausprägungen im Netz. Satire will Menschen zum Lachen bringen, aber eben nicht nur. Im besten Fall will sie auch etwas bewirken. Der Satiriker ist immer auch ein gekränkter Idealist, wie es Kurt Tucholsky einmal ausdrückte. Das Duo Gebrüder Moped, das mit seinen Arbeiten im Netz und im Fernsehen vertreten ist, fasst den Anspruch gut zusammen: »Satire zeigt auf, zeigt an, greift mitunter auch einmal daneben. Sie steckt ihren Finger dorthin, wo es weh tut, und soll natürlich unterhalten.« Im besten Fall bringt Satire die Menschen zum Nachdenken und dazu, die Welt zu hinterfragen. Im schlechteren Fall begleitet sie die herrschenden Verhältnisse mit lustigen Geklingel. Und im allerschlimmsten Fall wedelt sie so aufgeregt herum, dass sie den Mächtigen dabei nur Luft zufächelt.
Die Protagonisten sind realistisch, wenn es um die Einschätzung ihrer Wirkung geht. Niemand sieht sich als Speerspitze eines Kampfs für Wahrheit und Veränderung. »Im Idealfall kann Satire neue Erkenntnisse und den Blick für Zusammenhänge eröffnen. Dadurch kann sich sogar manchmal etwas verändern«, erklärt Florian Scheuba, ein verhältnismäßig alter Hase im Geschäft. Auch Jon Stewart verabschiedete sich in seiner letzten Woche mit einem lustigen, aber irgendwie auch traurigen Einspieler, wo er alle schlechten Dinge aufzählte, die es trotz seiner Beschäftigung mit ihnen noch gäbe: »But I threw so much puns at ISIS! How could they survive this?« Satire und Edutainment können noch so gut sein: Ihr Einfluss ist begrenzt.
Einzelnen Beiträgen, die viral gehen, eine Diskussion auslösen und eventuell wirklich Konsequenzen nach sich ziehen, stehen immer auch Tausende entgegen, die außer Spesen und ein paar Lachern nichts gebracht haben. Oder vielleicht doch? Es gibt eine berühmte Studie von Michael Parkin, nach der regelmäßige Zuschauer der »Daily Show« und des »Colbert Report« Fragen zur Tagespolitik besser beantworten können als Menschen, die regelmäßig CNN schauen. Neben dem Bildungsauftrag halten diese Shows vielleicht auch noch etwas hoch, das sich schwer messen lässt: den politischen Diskurs. Auch indem sie Dissens zeigen, wo es sonst niemand mehr tut. Am Höhepunkt der Griechenland-Krise war es Böhmermann, der mit klugen viralen Videos das Narrativ von den faulen Griechen immer wieder durchbrach, das sich durch fast alle bundesdeutschen Medien zog.
»Bin so semi zufrieden«: Autor schafft es doch noch, Text einen Tag nach Deadline zu vollenden.
Österreich und seine absurde Innenpolitik sind grundsätzlich ein großartiger Nährboden für politische Satire. Und doch hat man nicht das Gefühl, dass das Ganze einen wirklichen Effekt hätte. Dafür ist Österreich vielleicht auch zu gesättigt. Sozialpartner, Förderalismus und Politik haben es netterweise noch nicht geschafft, dieses reiche Land zugrunde zu richten. Vielleicht auch, weil die einzelnen Räder dazu zu einfach blockieren können. In Gegenden der Welt, die dem Abgrund ein bisschen näher stehen, schaut das anders aus. Man braucht dabei noch nicht mal in Richtung des Arabischen Frühlings zu schauen. Schon in Italien und Island fanden sich die Satiriker Beppo Grillo und Jón Gnarr plötzlich als relevante Player im politischen System wieder. Letzterer sogar als Bürgermeister von Reykjavik. Satire, die von ihrem eigenen Schmäh eingeholt wird – das ist eigentlich wirklich witzig.
Stellt sich letztlich noch die Frage, warum wir eigentlich darüber lachen. Ist es wirklich lustig, wenn eine Facebook-Page wie »KC Streichel« Sätze von FPÖ-Chef Strache so wiedergibt, dass darin Ausländer durch Hunde ersetzt werden? Nicht wirklich. Es ist Galgenhumor. Aber es hilft uns vielleicht auch ein bisschen, die Absurditäten und Schrecklichkeiten nicht ganz zum selbstverständlichen Teil des Alltags werden zu lassen. Und das ist zweifelsfrei ein Mehrwert.
Jonas Vogt war jahrelang leitender Autor bei The Gap, ist jetzt Chefredakteur von Noisey Alps und auf Twitter @l4ndvogt mit einigem Galgenhumor gesegnet.