Zauberhaft zärtlich erzählt die Inszenierung »Malaika« von Kindheitserinnerungen, von tanzenden Fabelwesen und von fliegenden Haaren im Wind. Die Uraufführung der neuesten Produktion der »contemporary dance company« عطش Atash عطش war letzte Woche im Dschungel Wien zu sehen.

Leyla steckt mitten in einem »Wirbel aus Pflichten«, einem Taumel aus Verantwortungen und Terminen. Doch dann horcht sie auf das Dauerrauschen, ein Wind wackelt an den Angeln ihres Fensters, es knarzt. »Leyla«, flüstert es, »erinnere dich.« Der Kindheitswind »Malaika« weht Erinnerungen in Leylas Zimmer, an träumerische Zusammentreffen mit mythischen Mischwesen und andere Welten. Zu atmosphärischen Soundcollagen der Klarinettistin Mona Matbou Riahi beginnt eine Fantasiereise entlang der Seidenstraße, die Leyla in Berglandschaften, den Dschungel sowie Wüsten bringt. Die Inszenierung würdigt das kulturelle Erbe und die Tanzpraktiken Südwest- und Zentralasiens, während es gleichzeitig unterschwellig westliche Zuschreibungen und Stereotype durchkreuzt. Durch ein detailreiches Kostüm- und Bühnenbild werden etwa die Wassergöttin Anahita, geschmückt mit Pfauenfedern und einem Kronleuchter, das stolze Hufwesen Rakhsh und der Wolf Sirius zum Leben erweckt. Jede Begegnung wird durch ihre eigene Musikalität und spezifische choreografische Elemente untermalt, die Leyla aufmerksam beobachtet und erlernt.

Sturm du brüllst, doch ich stehe fest
Im Zuge der Handlung muss Leyla beweisen, wie widerständig und mutig sie angesichts übermenschlicher Naturgewalten sein kann. Selbstbestimmt stellt sie sich einem Sturm entgegen, hält stand. In einem berührenden Solo am Ende der Aufführung vereint die junge Tänzerin Ahyoka Krappmann all jene Tanzstile, die sie von den Göttinnen und Fabelwesen erlernt hat. Ihr Zimmer bekommt Flügel aus Holz, mit denen sie über sich hinausfliegen kann. Die Produktion zeigt liebevoll, dass Kindheit nicht eine Zeit ist, die wir hinter uns lassen müssen, sondern ein Ort, an dem für die Schwerkraft andere Regeln gelten. Ein Ort, an dem wir Flügel haben. Ein Ort, aus dem wir Kraft und Inspiration schöpfen können, wenn wir uns die Zeit nehmen dem Wind vor unseren Fenstern zu lauschen. Nach dem Applaus wird das Publikum zu einem gemeinsamen Singen eingeladen: »Malaika, wenn du kommst und gehst spiel mit meinem Haar.« Als ich das Gebäude des Dschungel Wien verlasse, weht mir der Wiener Oktoberwind entgegen, trägt mich.
»Malaika« von عطش Atash عطش wurde am 10. Oktober 2025 im Dschungel Wien uraufgeführt.
Dieser Text ist im Rahmen eines Schreibstipendiums in Kooperation mit dem Dschungel Wien entstanden.