Alle Jahre wieder blickt unsere Redaktion auf die popkulturellen Highlights der letzten zwölf Monate zurück. Mit streng subjektivem Blick. Was Dominik Oswald aus 2024 besonders in Erinnerung bleiben wird, könnt ihr hier nachlesen.
Top 5 Alben des Jahres
5. Klez.e – »Erregung«
Den deutschen The Cure – ja, genau! – gelingt, wozu so viele aktuelle Bands beileibe nicht imstande sind: Retrophile Musik nach Gegenwart klingen lassen, nach Zeitlosigkeit, ohne Abklatsch eines nie erlebten Vergangenen zu sein. Selbiges machen ja Acts der »Neuen Neue Deutsche Welle« zu genüge, der Gruppe um Superproduzent Tobias Siebert könnte das niemals reichen: Schließlich gilt es doch, eine Welt in sphärische Noise-Nebel zu hüllen und mit schierer Textwucht zu überwuchern.
4. The Cure – »Songs of a Lost World«
Die englischen The Cure. Natürlich, Comebacks sind in der Regel zweischneidigere Schwerter als andere Hieb- und Stichwaffen. Einerseits: 16 Jahre zwischen dem Vorgänger »4:13 Dream« sind eine ganze Menge. Andererseits: So richtig waren The Cure nie weg. Und sowieso: Robert Smith und den anderen gelingt ein kommerziell und kritischer Triumphzug – sogar in Österreich ein erster Platz in den Albencharts. Nur die ganz Großen haben keine Issues damit, Erwartungen zu übertreffen, oder in diesem Fall: über-übertreffen.
3. Endless Wellness – »Was für ein Glück«
Wie hatten wir noch Anfang des Jahres anlässlich des Debüts dieser tollen Band formuliert? So: »Die vielleicht größte heimische Indierock-Hoffnung«. Diese hat auf »Was für ein Glück« aber so ordentlich abgeräumt, dass über unsere Behauptung kaum mehr gezweifelt werden dürfte. Etwas bierseliger Folkrock mit ordentlich Fuzz löst halt einiges aus, dazu auch top Texte gegen System, Faschos und Klimapolitik – Stein im Brett ist da Hilfsausdruck. »Hand im Gesicht«, »Newborn, Baby«, »Kinder« und vor allem »Danke für alles« sind Hits für jede Spotify-Playlist und Dauergäste auf den Plattentellern.
2. Die Nerven – »Wir waren hier«
Seit tausenden Jahren die Band der Stunde: Zwei Jahre nach dem Über-Album »Die Nerven« verabschiedet sich Stuttgart’s finest endgültig von der lyrischen Geheimniskrämerei und nimmt die zwangsläufige Abzweigung Richtung Offensive und ins Persönliche: poppiger, offener. Self-Awareness-Songs wie »Achtzehn« (»Ich will nie mehr achtzehn sein«) wären vor geraumer Zeit kaum denkbar gewesen. Aber genau hier zeigt sich der Genius des Dreiers – nicht umsonst haben Rieger, Knoth und Kuhn ihre Finger ja gefühlt überall im Spiel –: Veränderung im Sound bedeutet nicht Weichspülung des Ethos. Das hier sind immer noch Die Nerven.
1. Augn – »Gerstenkorn / Fata Morgana«
Das beste Album und die beschissenste Live-Performance gehen selten Hand in Hand, bei Augn aus Augsburg ist das aber so. 20 Euro Ticketpreis für 25 Minuten Musik und dann noch saumäßige Ansagen dazwischen?! Die Berieselung vom Plattenspieler gibt dann schon deutlich mehr her. Mit großem DEUTLICH. Auf dem Doppelalbum – »Fata Morgana« quasi als Best-of seit der Vorjahresplatte und »Gerstenkorn« mit zuvor unveröffentlichten Stücken – gibt’s kein Erbarmen, viel Self-Hatred und vor allem reichlich derbe Abreibungen für alle Rassist*innen, Ausbeuter*innen, Beyoncé, Nazis, Keller-Nazis, vermeintliche Bobos, Label-Atzen – und vor allem gegen dieses ganze Alman-Ding, das einen so umgibt. Radikaler wird’s nicht. Besser wohl auch nicht.
Auch nicht schlecht
Nicht mehr funktionieren zu wollen.