„What an epic morning“, sagt Carlos Watson, CNN-Legende und OZY-Gründer. Es ist Dienstag, große Redaktionskonferenz beim spannendsten Online-Magazin der USA.
Wenige Stunden zuvor war der OZY-Boss Studiogast bei seinen alten Fernsehkollegen. Thema der CNN-Morgenshow „New Day“: der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump, ein Bau-Tycoon „mit einem Ego so groß wie seine Wolkenkratzer“ (FAZ).
Der 45-jährige Watson ist ein begnadeter politischer Kommentator – und der vielleicht beste Motivator, den ich je in einer Redaktion erlebt habe. Nicht nur wegen seiner TV-Stimme. „Ich hätte gerne einen Wecker, der mich in der Früh immer mit der Carlos-Ansage ,What an epic morning’ aus dem Schlaf holt“, schwärmt meine OZY-Lieblingskollegin.
„Wir erleben zur Zeit die größten Einschnitte in der Medienwelt seit 35 Jahren“, sagt „The Voice“ im Großraumbüro zu seiner Crew. „Das digitale Zeitalter hat die Karten für alle Anbieter neu gemischt. Nur wer sich bewegt, bleibt.“
Die gesamte Branche sprach in der Vorwoche über eine Meldung der „New York Times“: Der TV-Konzern NBC Universal, das drittgrößte Medienunternehmen der Welt, will mit 250 Millionen Dollar beim Onlineportal BuzzFeed einsteigen. Dieser Deal erhöht den Wert der New Yorker Website (150 Millionen Besucher pro Monat) auf 1,5 Milliarden Dollar.
Damit wäre die neun Jahre alte „Internet News Media Company“ BuzzFeed sechsmal so teuer wie das 138 Jahre alte Weltblatt „The Washington Post“. Für 250 Millionen Dollar kaufte Amazon-Gründer Jeff Bezos vor zwei Jahren die „Post“, die mit der Enthüllung des Watergate-Skandals Zeitungsgeschichte geschrieben hatte.
„Warum“, fragt Carlos Watson in die Runde, „glaubt ihr, dass NBC soviel Geld in BuzzFeed investiert?“ Eine Redakteurin liefert die Antwort: „Um die Millennials zu erreichen, die News nur mehr online konsumieren.“
Watson weiß, was er seinem hochmotivierten Team zumutet: Eine 40-Stunden-Woche hat hier keiner, es sind wohl eher 60 und mehr. OZY steht für Pioniergeist und Gründerzeit, und so ticken auch die Redakteure. Erfolgsdruck und Stress gibt es wie in anderen Redaktionen auch. Aber: Ich habe hier noch kein einziges Mal einen brüllenden Chef oder einen schimpfenden Editor gesehen. (Liegt das am sonnigen kalifornischen Klima?)
OZY = „Positive Leadership“ statt Trommelfellkiller-Bosse.
Mitarbeiter mögen visionäre Worte: „Wir haben eine historische Chance, selbst Mediengeschichte zu schreiben“, meint der OZY-CEO. „Wir wollen einen Platz in der Erfolgsbahn. Das ist schwer, denn es gibt in diesem Zug nur ganz wenige Plätze, insgesamt vielleicht vier, und BuzzFeed und Vice haben bereits einen Sitz ergattert. Aber, wenn wir weiterhin so eine großartige Performance hinlegen wie in den vergangenen Monaten, dann werden wir bald ganz vorne sitzen, das verspreche ich euch.“
Seit ein paar Tagen steht auf der OZY-Website die jüngste Erfolgsstory: „OZY reaches more than 20 M People“ – 20 Millionen Menschen. Schon jetzt, nur 23 Monate nach der Gründung, wird diese Plattform für modernen Online-Journalismus mit mehr als 150 Millionen Dollar bewertet.
Wer weiß, wie wertvoll OZY im nächsten Jahr sein wird. In Zeiten wie diesen ist alles möglich.
AD PERSONAM
Wolfgang Ainetter (hier auf Twitter) war Ressort-Leiter bei der Bild Zeitung, Chefredakteur der Gratis-Zeitung Heute und zuletzt Chefredakteur bei News – als längstdienender Chefredakteur nach dem Gründer. Diesen Sommer über bloggt Ainetter für The Gap über seine Hospitanz bei OZY im Silicon Valley.
WEITERLESEN:br />Erster Teil des Blogs – Die Bewerbung und die Vorgeschichte
Tag 4 Welcome To The Stone Age
Tag 5 Larry Page, Marissa Mayer und der Telefonzellenfabrikant
Tag 6 Anforderungsprofil für Silicon-Valley-Journalisten
Tag 7 Kann man mit Online-Journalismus Geld verdienen, Mister OZY?
Tag 8 Fingernägel, Nasenrotz und andere Erfolgsgeheimnisse
Tag 9 Friseure sind die besseren Schreiber
Tag 10 Nachts im Silicon Valley
Tag 11 The same procedure as every day and every week.
Tag 12 OZY = Apple = CNN = eBay = Google = Time Warner = White House
Tag 13 Redakteure Gates, Bush, Blair, Rice und Shriver
Tag 14 Gute Fotos sind die Feindbilder der Controller
Tag 15 Sind die Zeitungsverlage die „Chain Gangs“ der Google-Diktatur?