Österreich ist weltweit bekannt für Mozartkugeln, Red Bull und »The Sound Of Music«. Weniger für Waffen. Und doch hat eine österreichische Pistole aus dem beschaulichen Deutsch-Wagram in den letzten 20 Jahren die amerikanische Popkultur erobert. Wie es dazu kam, warum wir das alle cool finden und warum das eigentlich fragwürdig ist.
Der Moment, in dem die Glock den Holster verließ und ihren Siegeszug in der Populärkultur antrat, ist relativ genau bestimmbar. Die Hauptdarsteller: Bruce Willis und ein dicker Polizeichef. Letzter bleibt stur, da kann der Action-Star noch so auf ihn einschreien: »That punk pulled a Glock 7 on me, you know what that is? It’s a porcelaine gun made in Germany. It doesn’t show up on your airport metal detectors!« In dieser Szene aus »Stirb langsam 2« aus dem Jahr 1990 verstecken sich gleich vier Unwahrheiten: Es gibt keine Glock 7, Glocks sind nicht aus Keramik, sie sind in Metalldetektoren sichtbar – und sie sind nicht aus Deutschland, sondern aus Österreich.
Ja, richtig: Neben dem Bundesheer, den neuen irakischen Streitkräften, dem deutschen Cobra-Pendant GSG-9 und vielen weiteren Sicherheitskräften überall auf der Welt sind auch zwei Drittel der amerikanischen Polizei, des FBI und der Drogenbehörde DEA mit einer Waffe ausgerüstet, deren Siegeszug vor knapp 30 Jahren im niederösterreichischen Deutsch-Wagram begann. Wie schaffte es ein kleines Unternehmen, das bis in die frühen 80er keine Erfahrungen mit Schusswaffen hatte, »to dominate not just the American handgun market, but America’s gun conciousness«, wie die amerikanische Businessweek beeindruckt feststellte?
Schwierige Spurensuche
Im Dezember 2011 erschien in den USA ein Buch des Autors Paul M. Barett über die Geschichte der Pistole: »Glock – The Rise Of America’s Gun«. Es ist mit Hintergrundwissen gespickt und strotzt nur so vor Zitaten. Das Problem: Es ist nicht autorisiert. Keine aktuell bei dem Waffenhersteller involvierte Person wollte sich mit Barett unterhalten, und so basiert es auf Gesprächen mit Personen, mit denen Glock gebrochen hat. Mit solchen Informationen gilt es immer vorsichtig umzugehen. Von Glock direkt sind keine Informationen zu erwarten Das Waffengeschäft ist ein sehr diskretes. Die Firma besitzt nur ein Postfach und keine Mail-Adresse. Anfragen werden nur über Telefon oder Fax beantwortet. Im Normalfall allerdings gar nicht. Auch das Firmenreich aus diversen Stiftungen, der Luxemburger Holding Unipatent S.A. und Auslandstöchtern ist kein Beispiel für Transparenz. Da sich Glock im Privatbesitz befindet, sind auch die Auskunftspflichten gleich null. Zu unseren Fragen wollte die Firma nicht Stellung nehmen. Firmengründer Gaston Glock meidet die Öffentlichkeit und braucht sie auch nicht. Ein Mordattentat im Jahre 1999, für das sein ehemaliger Geschäftspartner Charles Ewert, auch bekannt unter dem Namen »Panama Charly«, in den USA eine Strafe von 20 Jahren absitzt, machte ihn noch verschlossener.
Es begann in Deutsch-Wagram
Die Geschichte der Glock beginnt im Österreich der frühen 80er Jahre. Das österreichische Bundesheer schrieb einen Auftrag zur Erneuerung seiner Seitenwaffen aus, und Glock stach den traditionellen Lieferanten Steyr mit einer neuartigen Konstruktion aus: Einer Pistole, die zu einem nicht zu unterschätzenden Teil aus Plastik und sehr wenigen Einzelteilen bestand. Sie war leicht zu reinigen, versagte selten ihren Dienst und war gut auf verschiedene Kaliber zu modifizieren (siehe Artikel zum Design der Glock).
Das Gerücht von der »Plastikpistole« schwappte Mitte der 80er in die USA. Dort hatte die Glock ihren ersten Auftritt in einem alarmierenden Artikel in der Washington Post mit dem Titel »Gaddafi Buying Austrian Plastic Pistols«. Angeblich hätte es ein Mitglied der Anti-Terrorismusbehörde im Pentagon in einem Test geschafft, eine Glock 17 in Einzelteilen durch die Flughafensicherheit zu bekommen. Der US-Kongress spielte daraufhin mit dem Gedanken, die »Plastikwaffen« zu verbieten. Der Mythos war geboren. Washington Post, der Kongress und Bruce Willis – ein unschlagbares Marketing-Trio. Die Glock bekam das Image einer Terroristenwaffe. Doch das Gerede heizte die Verkaufszahlen eher an. There is no such thing as bad publicity.
How to make it in America
Die Vereinigten Staaten sind das Mekka eines jeden nicht-amerikanischen Herstellers von Kleinwaffen. Das liegt nicht nur an der Größe des Marktes. Es ist auch ein tiefer Vorstoß ins Feindesland – als würde man Wodka nach Russland oder Olivenöl nach Italien exportieren. In den USA ist eine Waffe mehr als ein Instrument: Pistolen, Revolver und Gewehre sind dort stets Kultgegenstände von nationaler Symbolik. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt ist die Vorstellung, dass das Land nicht erdacht, sondern erobert, der widrigen Natur und seinen vorherigen Bewohnern abgetrotzt wurde, eines der großen amerikanischen Narrative. Das Winchester-Rifle ist auch unter dem Namen »The gun that won the west« bekannt.