Donnergrollen, vom Wind zerzauste Wolken und Blitze, die den Himmel zerreißen – Katharina Ernst & Schne zeichnen mit »Kranetude« einen polyrhythmischen Sturm, der kein Ende kennt.
»Kranetude« fühlt sich an, als würde man die ganze Zeit angestupst werden. Ein nerviges kleines Geschwisterchen, das permanent Aufmerksamkeit einfordert, nicht um etwas zu sagen, sondern nur um zu beweisen, dass es diese Aufmerksamkeit bekommen kann. Auf der Rückbank sitzend fragt es in Endlosschleife: »Sind wir schon da?«
Katharina Ernsts und Stefan »Schne« Schneiders Album ist als musikalisches Bühnenbild zu einer Performance von Florentina Holzinger entstanden. Im Sommer 2023 wurde das gleichnamige Stück am Berliner Müggelsee uraufgeführt. Dabei bespielten die nackten Tänzerinnen extravagante Requisiten wie Jetskis und einen Kran, der sie kopfüber aus dem Wasser zog.
Das unerreichte Crescendo
Die Extravaganz der Inszenierung spiegelt sich in der Musik wider: Komponiert für vier Schlagzeuge, eine Marimba, mehrere Gongs und ein Wellblech bewegt sich »Kranetude« musikalisch irgendwo zwischen Ambient und Freejazz. Ernst und Schneider scheinen ununterbrochen Blitze über den Himmel zu schicken, die an dessen Ecken abprallen und sich so in einem endlosen Echo immer und immer wieder potenzieren. »Kranetude« lebt von einer Anspannung, die vergeblich auf Erlösung hofft.
Bereits der Opener »Under Water« endet in einem schwindelerregenden Trommelchaos und hinterlässt ein Gefühl von orientierungsloser Faszination. Man möchte die Drums aus der vom Gewitter dicken Luft pflücken. In »Above Water« gibt es einen Versuch der Auflösung. Ein unheimliches Pfeifen kündigt einen Sturm an, der vom Geschwisterchen an den Tomtoms angefeuert wird: Schneller werdendes Trommeln wird über knapp fünf Minuten zu ziellosem Vorwärtsmarschieren.
Fußwippen zu Polyrhythmik
Doch trotz aller Schrägheit, gibt es in »Kranetude« immer wieder Raum für Groove. Wenn bei »Rising II« die komplexen Rhythmen geradlinig nebeneinander herlaufen und die Sicht klarer wird, verspürt man fast den Impuls mit den Füßen zu wippen. »Kranetude« sucht nicht verstanden zu werden. Verstehen würde seine Bedeutungstiefe nur beschneiden und Beschneidung verlangt in einem von Florentina Holzinger in Auftrag gegebenen Stück bestimmt nicht danach, nur impliziert zu werden – wenn doch Explizitheit eh viel schöner ist.
Das Album »Kranetude« von Katharina Ernst & Schne ist heute, also am 29. November 2024, bei Trost Records erschienen.