Ein Friedhof, zwei Frauen und die Ewigkeit
Der alte Jüdische Friedhof in Währing war von 1784 bis 1898 in Betrieb – für die Öffentlichkeit ist er aktuell gesperrt. Nur an den Freiwilligentagen können Interessierte Führungen machen.
von Cornelia Breuß, Mathias ZojerHinter alten Mauern findet sich am Wiener Gürtel ein verwunschener Ort. Während draußen Autos vorbeirasen und die U-Bahn über die Stadtbahnbögen donnert, steht die Zeit hier still. Der alte Jüdische Friedhof in Währing, von 1784 bis 1898 in Betrieb, ist für die Öffentlichkeit gesperrt. Wir haben dort zwei Frauen getroffen und mit ihnen über ihre Arbeit für die Ewigkeit gesprochen.
„Der Friedhof ist gesperrt. Auch, weil manche Grabmäler in der NS-Zeit aufgebrochen und dann nie wieder geschlossen wurden. Man könnte reinfallen“, erzählt Jennifer Kickert. Die Landtagsabgeordnete der Grünen treibt gemeinsam mit der Historikerin Tina Walzer ein Projekt voran, das vor zehn Jahren von Kickerts Vorgänger Marco Schreuder initiiert wurde: die Sanierung dieses Orts. Rund 30.000 Jüdinnen und Juden sind hier begraben – viele von ihnen prägten das Wien des 19. Jahrhunderts: wirtschaftlich, architektonisch und gesellschaftlich.
Prominente wurden umgebettet
Viele kleine Parks im heutigen Wien waren früher Friedhöfe, zum Beispiel auch der Märzpark vor der Stadthalle. Weil die Stadt im 19. Jahrhundert so schnell wuchs, sorgte die Stadtverwaltung, dafür, dass innerstädtische Friedhöfe aufgelassen wurden. Die Gräber prominenter Persönlichkeiten wie Beethoven oder Schubert wurden auf den Zentralfriedhof umgebettet – alle anderen liegen immer noch an Ort und Stelle in den heutigen Parks.
Auch dort, wo heute im Währinger Park Kinder spielen, hat man früher Tote begraben. Der christlichen Teil dieses Friedhofs wurde aufgelassen, nur der jüdische Teil blieb erhalten: Eben weil die jüdischen Gräber aus religiösen Gründen bestehen bleiben müssen, „bis alle auferstehen und gemeinsam gen Jerusalem wandern“, erklärt Kickert. Seit 120 Jahren finden dort keine Beerdigungen mehr statt, die Zeit ist einfach stehen geblieben.
Erinnerung an das Zusammenleben
Was Tina Walzer am Jüdischen Friedhof Währing fasziniert: Dass er zeigt, wie gut das Zusammenleben von Juden und Nicht-Juden funktionierte, bevor der Antisemitismus politisch genutzt wurde. „Der kulturelle, religiöse und intellektuelle Austausch war sehr erfolgreich. Hier am Friedhof spiegelt sich diese Harmonie in vielfältiger Weise – etwa durch die Übernahme der christlichen Grabkultur in jüdische Bestattungsformen und durch die Übernahme architektonischer Elemente“, erzählt Walzer.
Das Ziel von ihr und Kickert ist es, diesen Friedhof zu sanieren und wieder zu öffnen. „Wir wollen möglichst viele Menschen hierher bringen, um zu zeigen, was für ein kulturhistorisches Juwel das ist“, so Kickert.
Was soll daraus werden?
Bis es soweit ist, wird Kickert noch viele Vermittlungsgespräche zwischen der Stadt Wien und der Israelitischen Kultusgemeinde führen. Dabei geht es nicht nur um die Sanierungskosten, sondern auch um die spätere Nutzung: Will die jüdische Gemeinde den Friedhof nach der Sanierung öffnen? Wie kann eine würdevolle Nutzung aussehen? „Das geht nicht unter Zeitdruck“, sagt Kickert, „man muss in solchen Fragen auch Rücksicht nehmen.“
Kickert und Walzer kämpfen für den Friedhof als Ort der Erinnerung. Heute ist er überwuchert, verwildert, zauberhaft, rau – Ehrenamtliche helfen sechs Mal im Jahr an den Freiwilligentagen, den Pflanzenwuchs etwas einzudämmen. Zudem haben Interessierte die Möglichkeit, eine Führungen mit Historikerin Tina Walzer zu machen – alle Termine sind hier zu finden.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Multimedia-Ateliers am Institut für Journalismus & Medienmanagement der FH Wien der WKW entstanden.