Als Bühnenmonolog erzählt »Ein Zniachtl« die wahre Lebensgeschichte von Erich Finsches in den Jahren 1938 bis 1944. Eine Produktion, die vor dem Furchtbarsten nicht zurückschreckt – aber das Publikum damit nicht völlig alleine lässt.
So kurz nach der Nationalratswahl tut »Ein Zniachtl. Das Leben von Erich Finsches« natürlich besonders weh. Aber es ist ein Schmerz, der mit dem (namenslosen) Protagonisten geteilt werden kann. Dieser stürmt zu Beginn der Aufführung aufgebracht herein – wütend und verzweifelt über rechtsextreme Parteien, deren Ideologie er selbst in seiner eigenen Familie vorfindet. Erst diesen Morgen habe ihm sein Bruder »Heil Hitler« nachgerufen. Nun wolle, nun müsse er uns regelrecht eine Geschichte erzählen, die ihm selbst Erich Finsches, sein Freund und Nachbar, erzählt habe. Eine Geschichte über dessen Kindheit und Jugend in der NS-Zeit.
Von Wien, nach Budapest, nach Ausschwitz
1938 war Erich Finsches erst elf Jahre alt. Nach Zwangsarbeit und Arbeitslager gelang es ihm zu flüchten und wieder nach Wien zu kommen, wo er für einige Zeit unentdeckt leben konnte. Gemeinsam mit einem Freund flüchtete er nach Ungarn. 1944 wurde er aber nach Auschwitz gebracht, wo er schließlich befreit wurde. Die Lebensgeschichte von Erich Finsches ist auch in der Sammlung des Nationalfonds schriftlich niedergehalten.
Es ist eine berührende und schreckliche Chronik vom Überleben unter extremsten Bedingungen. Und sie bekommt in der Form eines Monologs den Raum, den sie braucht. Auf der Bühne sind nur ein Schemel und ein Stück Kreide, mit der – wie im Geschichtsunterricht – auf den Boden immer wieder Jahreszahlen geschrieben werden. Sonst nichts.
»Das wird mir jetzt zu viel!«
Lebendig wird die Erzählung ausschließlich durch den Solodarsteller Andrzej Jaślikowski, der mit ganzem Körpereinsatz viel Leid, aber auch Momente des Lachens und der Wärme auf die Bühne bringt. Dabei wird er stellenweise so sehr zu Erich, das man fast meint, das hungrige Kind, das verschämt nach einem Stück Brot fragt, wirklich vor sich zu sehen. Geschickt platzierte Fragen ans Publikum erinnern uns aber immer wieder an die ursprüngliche Erzählsituation, was eine – vielleicht vor allem für junges Publikum – hilfreiche Distanz zum Geschehen auf der Bühne kreiert.
Trotzdem sagt selbst der Protagonist gegen Ende des Stücks plötzlich: »Das wird mir jetzt zu viel!« Erich habe überlebt, erzählt er abschließend. Aber Millionen andere nicht. Dann schlüpft er aus der Rolle des Erich Finsches und verlässt die Bühne so stürmisch, wie er sie betreten hat. Jetzt sind wir doch mit der Geschichte allein.
Nach der Aufführung muss ich erstmal tief durchatmen und wieder im Hier und Jetzt ankommen. Ein wenig sehne ich mich schon nach einem hübsch mit Schleife eingepackten Ende. Was macht der junge Mann jetzt mit seiner Ratlosigkeit und Verzweiflung? Wie geht er mit dem rechtsextremen Bruder um? Wie mit dem Wahlergebnis? Und so schnell bin ich dann doch wieder in der Gegenwart.
»Ein Zniachtl. Das Leben von Erich Finsches« wurde von 16. bis 18. Oktober im Dschungel Wien aufgeführt.
Dieser Text ist im Rahmen eines Schreibstipendiums in Kooperation mit dem Dschungel Wien entstanden.