Eine erwartete Reise

Peter Jacksons »Herr der Ringe«-Trilogie hat Neuseelands atemberaubende Natur in Szene gesetzt, seine Marke gestärkt und der dortigen Tourismusbranche damit einen kräftigen Schub gegeben. Die staatlichen Stellen tun derzeit einiges, um diesen mit »Der Hobbit« noch zu steigern.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Im Oktober 2010 kam es in Wellington zu einer ziemlich ungewöhnlichen Demonstration. Tausende Einwohner zogen mit »We love Hobbits«- und »NZ is Middle Earth«-Schildern durch die Hauptstadt Neuseelands, um einer Filmproduktion den Rücken zu stärken. Zuvor hatte Warner Bros. Studios nach Auseinandersetzungen mit der Gewerkschaft gedroht, Peter Jacksons neue »Hobbit«-Filme in Osteuropa anstatt im Inselstaat zu drehen. Die neuseeländische Regierung erließ unter dem Druck ein Gesetz, um Film-Produktionen zukünftig finanziell stärker zu unterstützen. Da soll nochmal jemand sagen, bürgerschaftliches Engagement wäre sinnlos.

Die skurrile Episode hat einen ernsten Hintergrund: Der neuseeländischen Volkswirtschaft wären bei Abwanderung der Produktion wohl anderthalb Milliarden NZ-Dollar direkt entgangen. Viel wichtiger ist aber der Imagegewinn, den sich der Staat vom »Hobbit« erhofft. Peter Jacksons neue Trilogie, deren erster Teil im Dezember 2012 in den Kinos anläuft, steht damit in einer Reihe von Filmen, die so mit dem Drehort verbunden sind, dass sie das Image eines Landes nachhaltig prägen. Früher geschah dies noch eher zufällig. Niemand hatte vorausgesehen, welche Rolle »Crocodile Dundee« für das Australien-Bild der Amerikaner haben würde. Doch seitdem Nation Branding Mode geworden ist, versuchen Länder ihre Marke gezielt auch über Filme zu festigen.

Das wohl schlüssigste Beispiel dafür ist die Beziehung zwischen Neuseeland und den Verfilmungen der Tolkien-Bücher. Die weiten Ebenen, die Berge und Gewässer Neuseelands werden in »Der Herr der Ringe« in langsamen, majestätischen Landschaftsaufnahmen als »Mittelerde« prominent in Szene gesetzt. Vereinzelt wirkt das wie einem Fremdenverkehrs-Imagefilm entnommen, was auch Sinn ergibt: Das staatliche Tourismusbüro Tourism New Zealand (TNZ) setzt voll auf Abenteuer- und Naturtourismus. Und das erfolgreich: Fremdenverkehr ist neben der Schafzucht der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes und erwirtschaftet knapp 10% des Bruttoinlandsprodukts.

100% Middle Earth = 100% pure New Zealand

Anfang der Nullerjahre erfuhr Neuseeland schon einmal einen Boost durch das Kino. Die »Herr der Ringe«-Trilogie fiel mit einer groß angelegten Marketing-Kampagne des TNZ unter dem Claim »100% Pure New Zealand« zusammen. Neuseelands Besucherzahlen stiegen daraufhin um sagenhafte 40 Prozent an. Im Fall von »Hobbit« wird das Ganze noch generalstabsmäßiger geplant. TNZ schloss im Juni einen umfangreichen Marketing-Deal mit den Filmemachern. Die Summe blieb geheim, es wird aber ein zweistelliger Millionenbetrag kolportiert. Dafür umfasst der Vertrag auch einige Maßnahmen, die den »Hobbit«-Film in der öffentlichen Wahrnehmung eng mit dem Inselstaat verzahnen dürften. Zum Beispiel wird auf der DVD-Version ein Neuseeland-Feature von Peter Jackson zu finden sein.

Die Weltpremiere des Films findet in Wellington statt. Dazu werden 400 internationale Journalisten erwartet. Zum Vergleich: Normalerweise besuchen etwa 300 auswärtige Journalisten Neuseeland – über das Jahr verteilt. Die staatliche Fluglinie Air New Zealand plant mehrere Maschinen im Hobbit-Stil zu branden. Das alles hat natürlich einen handfesten ökonomischen Hintergedanken: Der Imagegewinn der Marke soll die Besucherzahlen weiter steigern. Diese Methode wird übrigens auch in Tirol recht erfolgreich eingesetzt. Die Alpenregion vermarktet sich in Indien seit einigen Jahren aktiv als Drehort für Bollywood-Produktionen und steigert so die Zahl an Touristen vom Subkontinent beträchtlich.

Übrigens tun Länder gut daran, ihr Image über Filme zu steuern. Sonst tut es jemand anderes – im schlechtesten Fall Sasha Baron Cohen. Ob Kasachstan sein »Borat«-Image wohl jemals wieder los wird?

»Der Hobbit – Eine unerwartete Reise« startet im Dezember in den österreichischen Kinos.

Zum Coverschwerpunkt Nation Branding inkl. Coverstory, Leitartikel, Golden Frame, Olympische Spiele London 2012, Logodesign, The Hobbit, usw. geht es hier:

www.thegap.at/nationbranding

Bild(er) © Ian Brodie, New Zealand
Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...