Österreich hat eine Kreativwirtschaftsstrategie – und setzt metaphernreich auf „Speedboote“. Das ist eine Errungenschaft. Jahrzehntelanges Lobbying hat sich ausgezahlt.
Erinnert sich noch jemand an Franz Morak? Harald Mahrer schon. Der Wirtschaftsstaatssekretär gedachte – ohne Morak namentlich zu nennen – seines Vorgängers als Staatssekretär, als er Mitte Juni in der Sky Lounge der Wirtschaftskammer Österreichs erste Kreativwirtschaftsstrategie vorstellte. Morak war Ende der 90er-Jahre als Kultursprecher seiner Partei beseelt mit der Idee, Kreativwirtschaft zu fördern aus dem Großbritannien Tony Blairs heimgekommen. „Wie damals die Seefahrer“, scherzte Mahrer. Morak war Staatssekretär für Kunst und Kultur. Die von ihm geforderte „organisierte Kreativität“ verstand er als „Kulturpolitik an der Wende zum 21. Jahrhundert“. 17 Jahre später stellt mit Harald Mahrer nun kein Kultur-, sondern der Wirtschaftsstaatssekretär „Die Kreativwirtschaftsstrategie für Österreich“ vor. Der Paradigmenwechsel ist vollzogen. „Kreativwirtschaft – zentraler Wirtschaftsfaktor und Impulsgeberin für den Innovationsstandort Österreich“ lautet der Untertitel der Publikation. Die anfangs belächelte „Kulturwirtschaft“ als Randthema ist in der Mitte der Realwirtschaft angelangt. Viel Wasser ist seither Donau und Themse hinabgeronnen. Jahrzehntelange Lobbyingarbeit und Förderungen für den Kreativstandort haben sich ausgezahlt.
Open Innovation: die gemeinsam erarbeitete Strategie
Dass Harald Mahrer das Big Picture und die gebotene Dringlichkeit vor Augen hat, hatte er bereits Anfang des Jahres verdeutlicht, als er im Rahmen der von der WKO organisierten „Nacht der Kreativwirtschaft“ einforderte, man müsse – „noch vor dem Sommer“ – gemeinsam eine Kreativwirtschaftsstrategie erarbeiten. Seine Forderung damals: Diese müsse Teil der Gesamtwirtschaftsstrategie sein. Über einen dreimonatigen Open-Innovation-Prozess wurde unter Federführung des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft gemeinsam mit der Kreativwirtschaft Austria (KAT), Wirtschaftskammer Österreich und dem Austria Wirtschaftsservice (AWS) und unter Einbindung unterschiedlichster Akteure aus allen neun Bundesländern die Strategie erarbeitet. Die daraus abgeleiteten Maßnahmen flankieren die „Gründerland“-Strategie des Staatssekretärs ebenso wie sie etwa den flächendeckenden Breitband-Ausbau vorantreiben sollen.
Kreativwirtschaft als Innovations-Katalysator
Nicht nur beschäftigen die Branchen der Kreativwirtschaft mit ihren 42.000 Unternehmen in Österreich 150.000 Beschäftigte. „Bereits heute ist jedes zweite Kreativ-Unternehmen für Innovationen in anderen Wirtschaftsbereichen verantwortlich,“ so Mahrer. Die neue Strategie solle die Pionierrolle der Kreativwirtschaft weiter ausbauen und andere Branchen mit dem positiven Wachstumsspirit anstecken. Des Weiteren gelte es dieses Bewusstsein auch auf gesamteuropäische Ebene zu verankern. „Die EU ist ein Tanker, bei dem 28 Menschen gleichzeitig ins Steuerrad greifen“, veranschaulichte Mahrer, der betont leger im Hoodie präsentierte. „Wir brauchen und bauen viele kleine Speedboote.“
Die dringende Notwendigkeit für eine durchdachte Kreativwirtschaftsstategie verdeutlichte der Staatssekretär durch ein Slide: ein Poster der kanadischen Regierung, in dem diese 88 disruptive Technologien und Branchen auflistet – von der Landwirtschaft bis zum Tourismus. Alles Bereiche, die in den kommenden Jahren mit allergrößter Wahrscheinlichkeit massive Veränderungen durchlaufen werden. „Wir übersetzen dieses Poster gerade ins Deutsche. Ich habe es bei mir bewusst im Büro hängen – damit wir den tiefgreifenden Wandel permanent vor Augen haben.“ Als innovationspolitische Vorbilder nannte Mahrer Singapur, Südkorea und die skandinavischen Länder – und fordert: „Europa muss massiv im Bereich Supercomputing investieren. Ganz einfach, weil hier noch nicht definiert ist, wer der globale Wettbewerbsführer sein wird.“
Einzigartig an Österreich ist jedenfalls die Hohe KMU-Konzentration. „Mit der Kreativwirtschaftsstrategie legen wir die Marschroute bis 2025 fest, um in den kommenden Jahren für Österreichs kleinstrukturierte, stark exportorientierte Wirtschaft einen Innovationsturbo zuschalten zu können,“ meint WKO-Vizepräsidentin Martha Schulz.
40 Millionen für den Kreativstandort Österreich
Was konkret ist also geplant? – 40 Millionen Euro sollen in den kommenden fünf Jahren in die Kreativität von Österreichs Wirtschaft investiert werden. Auf drei Säulen bauend hat die Kreativwirtschaftsstrategie zudem acht Handlungsfelder definiert und darin 22 Maßnahmen abgeleitet.
01 Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der kreativen Branchen soll einerseits durch die Schulung der unternehmerischen Kompetenz erfordern, andererseits aber auch durch Entbürokratisierung und finanzielle Entlastungen passieren – um insgesamt bessere Stadtortbestimmungen zu schaffen.
02 Zu Recht war in der Sky Lounge oft von der Transformation beziehungsweise der transformativen Wirkung der Kreativen auf andere Wirtschaftszweige die Rede. Quer über alle Branchen soll Bewusstsein für diese „Crossover-Effekte geschaffen werden. Die unterschiedlichen Sparten der Wirtschaftskammer seien hier ebenso gefordert wie die Kreativen selbst – die Wirtschaftskammer-Vizepräsidentin Martha Schulz einlud, Best-practice-Beispiele zu nennen.
03 Um Innovation auf allen Ebenen zu ermöglichen, soll einerseits Know-how für Innovationsprozesse (z.B. über Weiterbildung), andererseits aber auch ein deutlich verbesserter Zugang zu Finanzierungen und Risikokapital geschaffen werden. Oft ermöglicht schließlich erst das nötige Kapital aufwendige R&D-Arbeit.
In die Umsetzung eingebunden werden sollen auch alle am Zustandekommen der Kreativwirtschaftsstrategie Beteiligten, Gebietskörperschaften und die Fördereinrichtungen der Länder werden. Das von Mahrer ins Spiel gebrachte Bild der wendigen Speedboote wurde im Publikum aufgegriffen. Am Ende des Abends war gar von einer „Armada der Speedboote“ die Rede.
Dass es neben den genannten Investitionen und der auch gedruckt erhältlichen Kreativwirtschaftsstrategie bei keinen Lippenbekenntnissen bleibt, mahnte auch der Staatssekretär selbst ein. Abschließend wünschte sich Mahrer vor versammeltem Publikum als Follow Up zeitnahe "eine ähnliche Veranstaltung, auf der wir uns gemeinsam anschauen, was bis dahin passiert ist" – zur Evaluierung. In der ausformulierten Strategie selbst ist ein jährliches Monitoring durch Expertinnen und Experten angekündigt.
2016 ist die Kreativwirtschaft und das Wissen um ihre Bedeutung in den Köpfen der wichtigsten Entscheidungsträger fest verankert. Eine Seefahrernation, finally.
Alle Informationen zur österreichischen Kreativwirtschaft findest du auf www.kreativwirtschaft.at. #kateffekt #choch3