Hudson Mohawke, Rustie und das Label Luckyme haben der elektronischen Musik in den letzten Jahren ihren Bass aufgedrückt. Glasgow war wie keine zweite Stadt damit verbunden. Ein Lokalaugenschein.
Auch heute riecht wieder alles nach einem »Glasgow-Moment«, wie es Lauren Mayberry vom »Next Big Thing« Chvrches (ebenfalls dort heimisch) im Interview mit uns nannte. In vielen Gesprächen fällt das Wort »glass ceiling«, also der gläsernen Aufmerksamkeitsdecke, die durchbrochen wurde. Es strahlen plötzlich nicht nur die Luckyme-Acts über Schottland hinaus, sondern in ihrem Fahrwasser auch kleinere Produzenten wie Lockah, Samoyed oder Koreless. Die wären vor einigen Jahren ebenso gut gewesen. Nur hätte man von ihnen nie gehört. Dass die Wahrnehmung von Glasgow als Hot Spot von elektronischer Musik elementar mit dem Erfolg von HudMo, Rustie und Luckyme zusammen hängt, sieht auch Lauren so. Ihre Interpretation geht aber noch weiter: „Die Leute konstruieren gerne Szenen, weil sie den Gedanken mögen, dass Menschen auf natürliche Weise zusammengefunden haben. Weil Glasgow so klein ist, eignen wir uns besonders dazu eine Story von DIY und Grassroots zu erzählen.“
Luckyme, Numbers und Rubadub
Wobei das nicht nur ein PR-Gag ist. „Wir haben noch nie mit jemandem zusammengearbeitet, den wir nicht zumindest über Ecken kannten“, erzählt Martyn Flyn, einer der Luckme-Mitbegründer. Er erweist sich als extrem freundlich und hilfsbereit – wenn man mal gelernt hat, sein tiefstes Schottisch zu verstehen. Martyn erzählt von seiner Jugend im hohen Norden Großbritanniens. Von den Hardcore- und Jungle-Partys in den späten 90ern. Und von den frühen Nullerjahren, als er in Glasgow Dom, Mike und Ross (aka Hudson Mohawke) kennen lernte. Die Luckyme-Geschichte beginnt im Jahr 2002 mit kleinen Hip Hop-Partys im Keller einer Glasgower Bar. „Es gab damals eine große Community. Die MCs waren teilweise grauenhaft, aber vor allem die Turntablism-Szene war ziemlich aktiv.“ Die Menschen in Glasgow hörten Hip Hop, R&B und Chicago House. »Die Zeit war reif für eine Musik, die das alles zusammenbrachte.« Eine der wichtigen Initialzündungen war Ross Promo-Tape »Hudson’s Heeters« aus dem Jahr 2005. Auf ihm bestätigt sich eine Tatsache, in der sich Lauren und Martyn einig sind: Es ist weniger die Obsession für Hip Hop als Musikrichtung, die sich seither durch die Luckyme-Veröffentlichungen zieht. Sondern mehr die Liebe zu der Art, wie Hip Hop produziert wird.
Warp Records und Cid Rim
Im Jahr 2007 wurde Luckyme schließlich zu einem Label. Einen wichtigen Einfluss darauf hatte das Numbers-Kollektiv, das vier Jahre zuvor ebenfalls in Glasgow startete und dessen bekanntester Protagonist Jackmaster heute eine Sendung auf BBC 1 betreut. Von ihnen lernten die Luckyme-Jungs eine Menge davon, wie man ein Label zu führen hat. Zusammen liefen die Fäden damals wie heute im Rubadub. Das unscheinbare Geschäft nah der Station St.Enochs ist vieles gleichzeitig: Equipment-Geschäft, Plattenladen und Distributionsstelle für kleinere Glasgower Labels. Der Aufstieg von Numbers und Luckyme ist nicht voneinander zu trennen. Man kannte sich, half sich, nutze die gegenseitigen Kontakte. Zum Beispiel zum deutlichen größeren Warp Records, wo Dom heute als A&R-Manager arbeitet und Hudmo und Rustie unter Vertrag stehen. Auch der gemeinsame Auftritt der beiden beim Sonar, der heute vielleicht als der Moment gelten kann, an dem ihr Sound eine Breitenwirkung entfaltete, hätte es ohne Warp und Numbers nicht gegeben. Luckyme ist auch jetzt noch nicht wirklich groß, aber sehr einflussreich. Letztes Jahr war es vor allem die TNGHT-EP (zusammen mit Warp), die auch in den USA ziemlich einschlug. Und auch der Wiener Cid Rim veröffentlichte sein Album 2012 bei den Schotten.
Auf der nächsten Seite: Sperrstunden, Art Schools und was als nächstes kommt.