Ein Lehrer aus Wien und begnadeter World of Warcraft Fan hat sich zum Endboss erhoben und will mit WoW das schulische Notensystem revolutionieren. Noch Fragen? Wir haben sie ihm gestellt.
Christian Haschek ist selbst Lehrer, ehemaliger Schüler und Systemveränderer. Er kennt die Probleme im Schulsystem. Seine Idee, Noten durch ein XP-System wie in World Of Warcraft auszutauschen, wurde schon von Bild, Heute, 20min oder Der Standard aufgegriffen. Vielleicht auch, weil er sie so griffig und auf Englisch auf seinem Blog präsentiert.
Wir haben ihn in Wien ausfindig gemacht und ihm die wirklich wichtigen Fragen gestellt. Zum Beispiel was sein höchst gelevelter Charakter bei World Of Warcraft ist, ob manche Schüler weiterhin lieber Noten bekommen oder ob er jetzt schon dauernd zu Konferenzen eingeladen wird.
Dein Projekt tauscht Schulnoten durch Erfahrungspunkte wie in World of Warcraft, oder? Wie bist du auf die Idee gekommen?
Mein XP-Benotungssystem darf nicht gänzlich auf Schulnoten verzichten, da die Schüler aus rechtlichen Gründen nach wie vor ein Zeugnis am Ende jedes Semesters bekommen müssen. Ich habe das System so angepasst, dass es noch in die gesetzlichen Rahmenbedingungen passt, indem ich zwar während des Jahres nur XP vergebe, diese aber dann auf meiner Plattform für die Schule auch zu Schulnoten umgerechnet werden.
Wenn ich mich nicht an die gesetzlichen Rahmenbedingungen halten müsste, würde ich es wahrscheinlich so machen, dass Schüler statt Schulnoten "Achievements" erhalten, zum Beispiel: "Mathematik: Lineare Algebra erfolgreich abgeschlossen". Auf dem Zeugnis würden dann statt Noten alle Achievements aufgelistet werden. So würde ich mir das wünschen.
Auf die Idee bin ich noch während meiner Zeit an der HTL Donaustadt gekommen. Ein damaliger Chemielehrer benotete mit Punktesystem, bei dem der Notenschlüssel bekannt war. Der Gedanke hat mich fasziniert, umgesetzt wurde das Ganze aber nur auf Papier. Seine Punkte hatten keine nachvollziehbaren Werte, ein Referat brachte beispielsweise gleich viele Punkte wie ein Test mit voller Punktezahl. Zu dieser Zeit habe ich auch mit dem Spielen von World of Warcraft begonnen und irgendwann hat es dann einfach "Klick" gemacht und ich wollte die beiden Systeme kombinieren.
Spielst du selbst Games? Was für ein Level hat dein Dunkel-Elf-Dämonenbeschwörer?
Ich spiele leidenschaftlich gerne und verbringe einige Stunden pro Woche mit diversen Spielen. Von Kerbal Space Program über Arma 3 zu Battlefield 4 und hin und wieder auch noch World of Warcraft. Mein höchster WoW Character ist ein Level 90 Schattenpriester. Das neue Addon habe ich mir allerdings noch nicht zugelegt.
Warum ist World Of Warcraft so extrem gut darin, Leute weiter zu motivieren?
World of Warcraft bedient sich vieler motivierender Spielelemente. Maßgeblich sind meiner Meinung nach das Level-System und die Rüstung. Der Level erhöht sich langsam durch den Erhalt von Erfahrungspunkten. Je höher der Level, desto mehr Erfahrungspunkte benötigt man und desto länger dauert der Aufstieg. Während man also Aufgaben (Quests) abschließt, erhält man Erfahrungspunkte und hin und wieder auch eine neue Rüstung und Gold. Es gibt in World of Warcraft keine einzige Kiste und keinen einzigen Gegner, von dem man nicht entweder Gold, Rüstungen oder Erfahrungspunkte erhält und das motiviert die Spieler besonders.
Alle Aktionen des Spielers werden belohnt und diese Belohnungen kann man immer in Relation zum Gesamtbild betrachten. Genauso sollte meines Erachtens auch Schule funktionieren.
Wie viel bringt es in diesem System, Goethe und Jelinek zu lesen? Gibt es Boss Runs? Wie viel bringen chemische Formeln an XP?
Das XP-Benotungssystem ist so flexibel, dass es jede Lehrperson an seinen eigenen Unterrichtsstil anpassen kann. Man definiert selbst, wie viele XP eine Arbeit, ein gelesenes Buch oder eine Wiederholung über chemischen Formeln wert sind.
Lehrer erstellen zu Beginn des Schuljahres Sektionen und weisen ihnen XP-Maximalwerte zu. Ein Chemielehrer kann zum Beispiel das Schuljahr so aufteilen: Organische Chemie: 500 XP, Aromatische Kohlenwasserstoffe: 250 XP, Anorganische Chemie: 600 XP.
Danach kann sich ein Lehrer überlegen, wie viel eine Wortmeldung, eine Hausübung oder eine Wiederholung wert ist und diesen Wert weist er dann den Schülern über die Plattform zu. Bei 500 XP kann eine Wiederholung z.B. 20-50 XP wert sein, eine Wortmeldung 10-15 und eine Hausübung bis zu 30 XP.
Wo stößt das System auch an seine Grenzen?
Dem System sind trotz seiner Flexibilität Grenzen gesetzt, wie zum Beispiel der Einsatz ohne Computer. Wenn ein Lehrer während des Unterrichts keinen Zugang zu einem Laptop oder Tablet mit Internetverbindung hat, muss er die Daten handschriftlich aufzeichnen und später nachtragen.
Das gleiche Problem gibt es ebenso beim digitalen Klassenbuch, das sich deshalb nur sehr langsam in österreichischen Schulen etabliert. Wenn es in einem Klassenraum einen funktionierenden Computer mit Internetzugang gibt, kann das XP-Benotungssystem eigentlich in jedem Fach eingesetzt werden.
Weiter zu freiem Lernen, Gamification, Schülern, die lieber Noten hätten (die gibt es eigentlich nicht).