Erfolg im zweiten Aufguss

Überall in Österreich begeistern Showbands jedes Wochenende tausende von Menschen mit Coverversionen bekannter Songs. Trotzdem werden sie gerne ignoriert, belächelt und nicht für voll genommen. Warum eigentlich?

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Ein Gespenst geht um in Österreich. Nicht erst seit gestern tanzen, nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit, Wochenende für Wochenende tausende Gäste vor hunderten von Bühnen und verlangen eine Zugabe nach der anderen. Die Combos füllen Hallen allein durch Mundpropaganda, und kluge Veranstalter verdienen sich eine goldene Nase dabei. Rein rechnerisch stellen die Auftritte dieser Bands wahrscheinlich den Löwenanteil an musikalischen Veranstaltungen in Österreich.

Allerdings: Wer Wien, Graz oder Innsbruck nicht verlässt, merkt eigentlich wenig von diesem Phänomen. Die Rede ist von Coverbands. Erinnert sich jemand an Tiffanys? Ende 2004 erschien das Buch »Fleisch ist mein Gemüse« des Hamburger Entertainers Heinz Strunk. In diesem autobiografisch angehauchten Werk machte eine Showband unter diesem Namen die Bühnen Harburgs und Umgebung unsicher und das Thema »Landjugend mit Musik« (so der Untertitel) auch in urbanen, alternativen Kreisen wieder bekannt. Gurki, der Tiffanys-Frontmann, fasst in dem Buch das Motto all jener Bands, die eigentlich nur live und am Samstagabend existieren, in einem schönen Satz zusammen: Am Ende würden sich alle nur fragen, ob man »geil abgeliefert« habe.

Auf den Bühnen der Provinz

Es gibt sie also, die professionellen Musikdienstleister, die zwar Open Airs und mittelgroße Hallen, aber niemals die Seiten einer Musikzeitschrift oder des Kulturteils füllen. Ihr Mekka und Epizentrum liegt Insidern zufolge im südlichen Burgenland und der Steiermark, wo Bands wie Egon 7 so groß und zahlreich an Überlandstraßen plakatiert sind wie andernorts Phil Collins oder Lady Gaga. Es gibt sie. Und wer wissen will, was das für Leute sind, muss mit ihnen reden.

Florian Pennauer sieht etwas übernächtigt aus. Der 27-Jährige trägt ein T-Shirt einer der unzähligen Metalbands mit dem Namen »Juggernaut« und entschuldigt sich, während er vor einer großen Eierspeise sitzt. Viel Schlaf habe er nicht bekommen. Am Vortag hat seine Band Carnuntum Vibration auf der Hochzeit eines ehemaligen Zuhälters mit Kehlkopfkrebs gespielt. »Total nette Leute, aber eine ziemliche Freakshow.« Begonnen hat das Ganze Ende der 90er in einer Musikschule in der tiefsten Provinz. »Wir haben uns damals kennengelernt und angefangen, Austropop-Nummern nachzuspielen. Damit haben wir dann recht schnell unsere ersten Auftritte bekommen«, erinnert sich Florian.

Die sechs Musiker kommen hauptsächlich aus dem Punk und Hardcore-Bereich. Ihr Repertoire nicht. »Das ist heute eine Mischung aus Austropop, Reggae, Schlager, viel Soellner. Was halt ankommt.« Die Mischung macht’s. Anders als Tribute-Bands, die sich auf einen Interpreten beschränken und ihren Vorbildern oft auch optisch nacheifern, spielen die meisten Livebands etwas, das sich am besten mit dem furchtbaren Begriff »Stimmungsmusik« umschreiben lässt. Ein bunter Mix aus Schlager, Rock, Pop und was das Publikum sonst noch wünscht. Das Repertoire reicht meist vom Klassiker bis zum Verbrechen am guten Geschmack. Es sind vor allem die sicheren Livenummern wie Robbie Williams’ »Let Me Entertain You«, die überall wieder auftauchen. »Schlager laufen immer gut, wenn die Leute mal angetrunken und in Stimmung sind. Da ist es dann eigentlich fast egal welchen Song man spielt«, erzählt Florian. Zwei Songs, die bei Carnuntum Vibration-Gigs immer funktionieren? »›Aber dich gibt’s nur einmal für mich‹ von den Nilsen Brothers. Und ›Cowboy und Indianer‹ von Olaf Henning – leider.«

Ortswechsel. Ende Juni gehen fünf junge Herren in adretten roten Sakkos samt Fliege vor ihrem Proberaum in einem Wiener Hinterhof für ein Foto in Position. Die Melody Men sind eine Coverband, wie man sie aus Büchern und Filmen kennt. »Wir wollten einfach den klassischen Rock’n’Roll-Bill-Haley-Stil fahren«, erklärt Thomas Pronai, der auch die Idee zu dem Einheitsdress hatte. »Auch ein bisschen im Kontrast zu unserer Musik, die nicht ganz so klassisch ist«. Die Band lotet äußerst stilsicher die Geschmacksgrenzen aus. Das gilt für ihr Outfit, aber auch für ihr Repertoire, in dem sich neben Oasis und Chuck Berry auch die Flippers und Billy Ray Cyrus befinden.

Wie die meisten Coverbands haben die Melody Men keine feste Setlist, sondern ein Programm von Songs, die regelmäßig geprobt und bei Bedarf abgerufen werden. Zurzeit sind das 80 bis 90 Songs. Patrick Stürböth erklärt das einfache Konzept hinter der Auswahl: »Wir suchen uns die Songs ausschließlich nach persönlichem Geschmack aus. Von schnulzig über alternativ bis zum Classic Rock ist da alles dabei. Wir wollen diese großartigen Songs einfach ein bisschen cooler rüberbringen.«

Um dieses Ziel zu erreichen, interpretieren die Männer in den roten Smokingjacken eine Menge der Lieder, anstatt sie 1:1 nachzuspielen. Eigentlich kommen die Melody Men aus komplett anderen Richtungen, als ihre Musik vermuten lassen würde. Zwei der Bandmitglieder toben sich in ihrem Elektropunk-Projekt Die Mutter von Allem aus, Pronai verdient seinen Lebensunterhalt als Produzent von Bands wie Garish oder Ja, Panik.

Gutes Geld

Apropos Geld. Wenn es um das Finanzielle geht, halten sich die meisten Beteiligten eher bedeckt. Eines ist aber klar: Es ist, je nach Grad der Professionalisierung, ertragreich bis sehr ertragreich. 1500 bis 2000 Euro für einen Abend sind auch für mittelgroße Hobbybands Standard. Die Schwergewichte der Branche, die mit eigenem Tourbus und Technikern anreisen, können durchaus auch mal 7000 Euro und mehr bekommen. Multipliziert man das mit der Zahl an Hochzeiten, Bällen und Feuerwehrfesten, die jedes Wochenende in Österreich gefeiert werden, kommt eine beachtliche Summe heraus.

Das Ganze läuft über Mundpropaganda, unter weitgehender Missachtung der klassischen Medien und Blogs. Wem sagt Exit 207 etwas? Die Band absolviert mehr als 50 Auftritte im Jahr, lockt an einem guten Wochenende mehr als jeder Hype von der Insel und spielt auch mal Open Airs vor 10.000 Menschen.

Die kleineren Bands funktionieren eher auf der Local-Heroes-Ebene. Carnuntum Vibration spielen alles, »von der Firmenfeier eines Katzenfutterherstellers bis zum GTI-Treffen«, erzählt Florian. »Im Moment haben wir eigentlich jedes Wochenende einen Auftritt.«

Viel Zeit für seine anderen Bands bleibt da nicht. Überhaupt: Kaum jemand hat neben der Coverband nicht auch noch ein oder mehrere Bandprojekte mit selbst geschriebenen Songs. Trotzdem bestätigt niemand das Vorurteil, man hätte dort die Freude und in der Showband die lästige Pflicht. »Nein, das ist Quatsch. Wir verstehen uns super, und es macht uns allen großen Spaß«, weist das Manfred Wechselauer von Exit 207 exemplarisch für die meisten seiner Kollegen zurück. Überhaupt ist die Unterteilung in Coverbands und »echte« Bands eher zweifelhaft. Was ist an Coverbands »unecht«? Die professionelle Einstellung? Die Orientierung am Publikum? Dahinter steckt wohl das Konzept des Genies: Einem richtigen Künstler haben seine Fans scheißegal zu sein.

Hand auf’s Herz: Welche Band sitzt denn vor Auftritten nicht da und überlegt, welche Songs ankommen? Warum gibt es Studio- und Live-Versionen von einem Song? Showbands denken das Ganze nur konsequent zu Ende. »Wir haben auf unserer Homepage eine virtuelle Jukebox, bei der Fans im Vorfeld eines Auftritts für Songs voten können. Daran orientieren wir uns«, sagt Manfred. »Wichtig ist nur, dass es ankommt.« Hauptsache geil abgeliefert.

Alle Bands aus dem Artikel kann man natürlich buchen. Infos gibt es auf www.exit207.com, der Facebook-Page der Melody Men oder unter lfo@gmx.at (Carnuntum Vibration).

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