Extrem leer und unglaublich nah

Vor zwei Jahren konnte King Krule gerade noch verhindern, zum Gesicht einer ganzen Generation zu werden. Heute singt er wunderbare Lieder von Liebe und Hass, vom Aufbäumen und Scheitern, von Hoffnung und Ratlosigkeit. Ein durch und durch britisches Debüt.

King Krules Debüt zelebriert Gefühle in einer Intensität, wie es wohl nur Teenager können. Das überrascht nicht wirklich. Manche Songs wie das fantastische »Ocean Bed« schrieb Marshall, als er 13 Jahre alt war. Auf »6 Feet Beneath The Moon« finden sich diese gleichberechtigt neben Liedern, die Anfang 2013 entstanden. Die Platte ist so zu einem Album geworden, in dem der Musiker seine bisherige Zeit als Archy Marshall, als Zoo Kid – wie er sich zwischendurch nannte – und King Krule verewigt hat. Ein Mosaik seiner Kindheit und Jugend. Eine Bestandsaufnahme der Dinge, die ihn zu dem gemacht haben, was er heute ist. Seine Geschichte, die ihn von einem sehr musikalischen Elternhaus in London über mehrere Schulen in ein Hotelzimmer in Amsterdam führte.

Brutal, aber nicht gewalttätig

Musikalisch ist es nicht ganz einfach, King Krule einzuordnen. Er selbst sieht sich als elektronischer Musiker, was von der technischen Herangehensweise wohl auch stimmt. Vielfach werden Jazz-Samples und Loops über minimalistische Beats gelegt. Und trotzdem ist die Gitarre viel zu präsent, um die Verbindungen zur Schule der Songwriter völlig zu kappen. Die Parallelen zum Darkwave-Sound der 80er sind offensichtlich, auf dem Album sogar noch viel stärker als auf den vorab veröffentlichten Liedern. Nicht zufällig führt Marshall Ian Curtis als eine Inspirationsquelle an und bezeichnet seine Musik als »lucid blue-toned«, was wirklich zu schön zum Übersetzen ist.

King Krules Texte wurden gelegentlich als »gewalttätig« beschrieben. Das trifft es aber nicht ganz. Natürlich spielt er gerne damit. Und genießt wohl auch die Assoziation seines Namens mit »cruel«, obwohl er ihn eigentlich aus einem »Donkey Kong«-Videospiel übernommen hat. Aber Marshall ist keineswegs gewalttätig, sondern hat nur eine harsche, direkte und manchmal brutale Art, Dinge rüberzubringen. Es ist aber auch nicht so, als würde er dieses Missverständnis gerne aufklären. »Ich kann niemandem vorschreiben, wie er sich beim Hören zu fühlen hat. Außerdem liebe ich es, wenn Menschen meine Musik interpretieren.«

Seit der mütterlicherseits erzwungenen Auszeit geht’s für Archy Marshall nur nach oben. Die Promo für sein Album läuft, in England spielte er im Sommer die großen Festivals, die BBC wählte ihn in ihre »Sound Of 2013«-Rubrik. Sie dürfte damit wohl recht behalten. Bleibt noch die Frage, ob Archy Marshall heute eher damit leben könnte, wenn die Journalisten King Krule wieder zu einem Symbol raufschreiben würden. »Ich bin nicht bereit, das Gesicht von irgendwas zu sein. Ich möchte einfach nur Musik machen.« Es bleibt ihm zu wünschen, dass es diesmal klappt.

King Krule »6 Feet Beneath The Moon« erscheint am 24.8. auf XL Recordings.

Bild(er) © Windish Agency; Jamie James Medina
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