»Film hat die Fähigkeit, Empathie zu wecken« – Die Leiter*innen des Festivals This Human World im Interview

Von 27. November bis 10. Dezember bringt uns das Festival This Human World wieder näher, wie wichtig Menschenrechte sind – und wie wichtig es ist, sie zu verteidigen. Wir baten das neue Leitungsduo Xandi Egginton und Avia Seeliger zum Interview.

© This Human World

Was gibt es heuer beim Festival This Human World zu sehen?

Das Festival setzt auch 2024 auf eine thematische Bandbreite, die gesellschaftliche und politische Herausforderungen auf globaler Ebene aufgreift. Der Schwerpunkt »Changing Environment / Environmental Change« thematisiert den Klimawandel und dessen weitreichende Folgen – etwa Migration und den Kampf um Ressourcen. »Working Realities« widmet sich der veränderten Arbeitswelt, die sich zwischen prekären Bedingungen und arbeitsbedingter Migration bewegt. Mit »Cine Latino« rücken wir das lateinamerikanische Kino ins Zentrum und beleuchten die politischen und sozialen Herausforderungen dieser Region. »Tales of Womanhood« gibt feministischen Erzählungen Raum, die die Überlebens- und Befreiungskämpfe von Frauen auf der ganzen Welt thematisieren. In »Queer Perspectives« zeigen wir Einblicke in queere Lebensräume, die die Vielfalt queerer Erfahrungen widerspiegeln. »Radical Currents« fokussiert die globalen und lokalen Radikalisierungsprozesse, die durch die Rolle der sozialen Medien verstärkt werden. Der Schwerpunkt »People in Conflict« erzählt die Geschichten der Menschen hinter den Konflikten des Nahen Ostens, die oft im Schatten der politischen Narrative übersehen werden. »Human Needs and Relations« beleuchtet die Vielfalt menschlicher Beziehungen sowie die Bedeutung von Fürsorge, Solidarität und Gemeinschaft angesichts von Herausforderungen wie Krankheit, Verlust und den Einflüssen von Technologie. Und in »360 Grad Panorama« finden sich Filme, die sich vor allem durch ihre thematische Vielfalt auszeichnen und dabei wichtige gesellschaftliche Debatten des 21. Jahrhunderts reflektieren.

Welche Schwerpunkte setzt ihr als neue Leiter*innen des Festivals?

Unsere Schwerpunkte liegen generell in der Sichtbarmachung komplexer gesellschaftlicher und politischer Themen, die durch filmische Narration neue oder vielschichtigere Perspektiven eröffnen sowie zum Dialog anregen. Als Festival möchten wir eine Plattform bieten, die nicht nur informiert, sondern tatsächlich zum Reflektieren anregt. Der Film als Medium ermöglicht es uns dabei, über nüchterne Darstellungen hinauszugehen und emotionale, oft sehr persönliche Geschichten zu erzählen. Wir setzen bewusst auf eine Vielfalt von Erzählweisen und Perspektiven, die Raum für kritische Auseinandersetzung erst ernsthaft zulassen. In diesem Jahr haben wir die Schwerpunkte so gewählt, dass sie aktuelle globale Krisen, soziale Gerechtigkeit und die Herausforderungen im Umgang mit gesellschaftlicher Diversität thematisieren. Gerade in einer Welt, die zunehmend von Konflikten und Polarisierung geprägt ist, ist es für uns von zentraler Bedeutung, Orte zu schaffen, die nicht nur die Meinungen der eigenen Blase widerspiegeln, sondern eine Vielzahl von Blickwinkeln zulassen und darauf verweisen, dass es weder »Gut« noch »Böse« in seiner Reinform gibt.

Inwiefern funktioniert Film für euch als Medium und Plattform für Menschenrechte?

Film ist ein einzigartiges Medium, um komplexe Themen auf emotionaler und visueller Ebene zu vermitteln. Im Gegensatz zur rein faktischen Berichterstattung öffnet Film Türen zu persönlichen Geschichten und Narrativen, die oft jenseits der öffentlichen Diskussion existieren. Die audiovisuelle Sprache des Films hat die Fähigkeit, Empathie zu wecken und tieferen Einblick in soziale und politische Realitäten der dargestellten Themen zu ermöglichen. In einer Zeit, in der die Aufmerksamkeit der Menschen oft durch schnelllebige Informationen fragmentiert wird, ist Film ein Mittel, um innezuhalten, zuzuhören und neue Perspektiven zu verstehen. Festivals schaffen den Rahmen, in dem diese Filme nicht nur konsumiert, sondern auch im Kontext diskutiert und reflektiert werden können. Sie fördern einen Raum für einen Dialog, der über den bloßen Film hinausgeht und die Zuschauer*innen dazu anregt, ihre eigenen Überzeugungen zu hinterfragen.

Was sollen eure Besucher*innen – besonders in Bezug auf Menschenrechte – vom Festival mitnehmen?

Wir möchten, dass die Besucher*innen mit einem erweiterten Verständnis für die Vielschichtigkeit von Menschen, Menschenrechten und den Herausforderungen der heutigen Zeit nach Hause gehen. Die Filme bieten einen Raum, in dem gesellschaftliche und politische Realitäten aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden, die jenseits von vereinfachten Dichotomien liegen. Unser Ziel ist es, Empathie zu fördern und den Dialog zu öffnen. Wir wollen die Besucher*innen nicht nur informieren, sondern sie dazu anregen, sich weiter mit den drängenden gesellschaftlichen und menschenrechtlichen Themen auseinanderzusetzen und sich nicht zu binärem, polarisiertem Schwarz-Weiß-Denken hinreißen zu lassen. Außerdem wollen wir darauf aufmerksam machen, dass Menschenrechte etwas Universelles sind, das wir alle gleichermaßen einfordern und verteidigen müssen. Besonders in Zeiten, in denen sich extremistische Ränder in der Mitte der Gesellschaft ausbreiten.

Welche Intention steckt hinter eurer Jugendschiene?

Das Projekt »The Future Is Ours to See« des This Human World umfasst heuer hauptsächlich den Schulwettbewerb. Das Programm fördert die Auseinandersetzung von Jugendlichen mit dem Thema Menschenrechte, indem es ihnen die Möglichkeit gibt, Kurzfilme zu gestalten, die auf der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« basieren. In einem paneuropäischen Kontext – unter der Schirmherrschaft internationaler Partner*innen wie der UN – werden die Filme in einem transnationalen Wettbewerb präsentiert, der die internationale Vernetzung und den interkulturellen Austausch fördert. Das Projekt ermöglicht den Jugendlichen, sich als kreative Akteur*innen gesellschaftlicher Diskurse zu positionieren sowie ihre Perspektiven zu globalen Themen wie Frieden, Respekt und Gewaltfreiheit zu artikulieren. Durch die Arbeit versuchen wir, mediale und kreative Kompetenz zu stärken sowie die Rolle der Jugendlichen als zukünftige politische und gesellschaftliche Akteur*innen in einem hoffentlich vereinten Europa der nächsten Generation zu betonen.

Das Festival This Human World findet von 27. November bis 10. Dezember 2024 im Gartenbaukino, im Schikaneder und im Top Kino statt.

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