Platz da! FLINTA* erobern die Kabarettbühnen

Um die Realität zu ertragen, hilft manchmal ein Witz. Um sie zu verändern, benötigt es einen Humor, der anders ist. Den liefert seit einigen Jahren die junge nicht-männliche Comedy- und Kabarettszene in Österreich. Progressiv und politisch korrekt weisen ihre Protagonist*innen auf Missstände hin, kommentieren klug den Status quo, und sorgen dafür, dass sich dieser langsam aber sicher ändert.

Es verwundert nicht, dass junge Künstler*innen mit realpolitischen Themen vor allem beim gleichaltrigen Publikum punkten. »Früher war das alles noch etwas verhaltener, sanfter, weicher«, findet Andreas Fuderer. »Junge Frauen nehmen nun kein Blatt mehr vor den Mund und provozieren das Publikum. Sie überspannen den Bogen aus meiner Sicht auch etwas. Da geht es dann nur noch um Sexualität und Tabuthemen, die jetzt keine mehr sind. Das kommt bei jungen Zuschauer*innen gut an. Die ältere Zuschauerschaft hat andere Ansprüche und Gewohnheiten, was Kabarett sein soll.«

Laut Fuderer sei der Boom nicht-männlicher Performer*innen Vorbildern wie Lisa Eckhart zu verdanken. Diese Einschätzung wird von den meisten Protagonist*innen dieses Beitrags bestätigt, allerdings unter dem Vorbehalt, Eckharts Rolle als unübersehbar präsente Frau im Rampenlicht zu würdigen, unabhängig von ihren Inhalten. Ein anderes, oft zitiertes Vorbild für die progressive Szene ist Stefanie Sargnagel. Von ihr habe Elena Wolff etwa »das klare, intuitive Schreiben, das so klug und so lustig ist, scharfsinnig und selbstironisch. Selbstironie fehlt manchmal in meiner Szene.«

Stefanie Sargnagel in »Sargnagel – Der Film« (Foto: Anna Hawliczek / Carolina Steinbrecher)

Sargnagel hat den Humor der Szene maßgeblich beeinflusst. Was als kurze Facebook-Posts begann, hat sich zu einem vielfältigen künstlerischen Werk entwickelt. Immer wieder überlegte Sargnagel, auch auf Tiktok aktiv zu werden. »Videos steigern die Reichweite enorm. Allerdings ist es mir zuwider, zu strategisch zu denken.«

Im Flimmerkasten

Im Jahr 2020 fand sich unter den Acts beim »ORF-Sommerkabarett« keine einzige Frau. Das wurde nach einigem Protest zwar korrigiert, ist jedoch die Fortsetzung einer langen Tradition. In diesem Jahr entschied sich der ORF dazu, das Debütprogramm von Malarina im Rahmen des »Sommerkabaretts« zu zeigen. »Mich hat es offen gestanden überrascht, dass der ORF den Mut hatte, einen einstündigen Auszug aus meinem Programm auszustrahlen. Es ist ein sehr kontroverses Programm, und doch hat man es gemacht.«

Malarina sei einfach zu gut, um ignoriert zu werden, findet Denice Bourbon. »Dass sie eine queere, serbische Frau ist, wollen die Leute gar nicht wissen. Generell glaube ich, dass man ab jetzt nicht mehr zurückkann. Er werden nicht mehr weniger Frauen im ORF. Eher mehr.« Hilfreich dürfte dabei die Besinnung auf traditionelle Kabarettformen sein. »Malarina beherrscht die klassische Form des Kabaretts perfekt und experimentiert formal nicht viel. Das ist sicher nicht von Nachteil«, so Antonia Stabinger. Sie selbst ist regelmäßig solo oder im Duo im linearen Fernsehen zu sehen. Ihre Erfahrungen mit dem ORF waren bisher positiver Art, allerdings vermisst sie den Mut zur Innovation. Zwar gäbe es reichlich Ideen und den Willen, diese zu fördern, letztlich scheitere das Neue aber häufig an den obersten Instanzen – und fehlendem Geld.

Malarina (Foto: Aslan Kudrnofsky)

In Zeiten nonlinearen Medienkonsums stellt sich generell die Frage, ob Künstler*innen, vor allem jene, die im digitalen Raum groß geworden sind, das klassische Fernsehen überhaupt noch brauchen. »Die Frage ist, wer wem nützt«, meint Stabinger. »Fernsehen hat den Vorteil, dass man meistens gut bezahlt wird. Von Instagram und Tiktok kann man kaum leben. Ich finde es schön, dass Leute, die dort gute Sachen machen, jetzt davon profitieren.«

Der ORF bemerkt den Shift in Richtung progressiveren Humors und sieht sich unter Zugzwang. Ignorieren ist nicht länger möglich. Ob die vermehrte Präsenz von Künstler*innen wie Malarina jedoch mehr ist als eine Maßnahme, um aufgebrachte Stimmen zu beruhigen, ist fraglich. Für Elena Wolff spielt das keine Rolle: »Im Endeffekt ist es Reichweite. Die innere Motivation der Verantwortlichen ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal, solange es einen positiven Effekt hat.«

Interne Baustellen

Doch nicht nur von Seiten der klassischen Medien trifft die progressive Szene auf Widerstand. Auch intern ist die Szene nicht frei von Problemen. Während Bourbon von einer fruchtbaren, kollektiven Zusammenarbeit spricht und betont, wie sehr man in der Szene aufeinander aufpasse, Malarina die Szene als »sehr kollegial und loyal« erlebt, und auch Stabinger findet, dass Kritik nur geäußert werde, wenn darum gebeten wird, vermisst Elena Wolff das beschriebene kollektive Gefühl: »Ich erfahre von Menschen, die mir gleichgesinnt sind, viel Kritik. Die haben oft eine fast schon elitäre Einstellung. Außerdem scheint es gewisse Kriterien zu geben, die es zu erfüllen gilt. Da bin ich dann manchen nicht queer genug, anderen nicht feministisch genug. Wenn ich versuche, allen gerecht zu werden, werde ich mir selbst am allerwenigsten gerecht. Und da ist es oftmals so, dass ich Lust habe, aufzuhören. Ich persönlich habe nicht das Gefühl, wirklich aufgefangen zu werden.«

Antonia Stabinger (Foto: Aslan Kudrnofsky)

Die linke, progressive Szene von innen heraus auf den Arm zu nehmen und somit kritisch zu hinterfragen, werde, so Stefanie Sargnagel, auch von anderer Seite immer schwieriger: »Man wird sehr leicht von Reaktionären und Rechten instrumentalisiert. Es ist ein Drahtseilakt.«

Man täte gut daran, interne Debatten zu klären und geschlossen gegen veraltete Machtstrukturen anzutreten. Im besten Fall strahlt der politisch korrekte Humor ebenso wie es dessen Antithese tut, von der Bühne in die reale Welt. Idealistisch gedacht kann diese sich unter dem Einfluss der Kunst zum Besseren verändern. Potenzial gibt es reichlich. Oder man blickt fatalistisch in die Zukunft und betont, wie Dolores Schmidinger, mit einem grimmigen Lächeln, dass die Welt sich niemals bessern werde. Hoffen wir, dass sie falsch liegt.

Wer die Künstler*innen der besprochenen Szene live sehen will, kann das etwa im Rahmen von PCCC* am 12. Dezember im WUK tun. Toxische Pommes spielt am 10. und 11. November Soloshows im Kabarett Niedermair, Elena Wolff ist ebenda am 4. Oktober zu sehen. Und Malarina bringt ihr Programm »Serben sterben langsam« am 25. Oktober in den Kultur Hof Linz.

Hinweis: Auf Anregung von Elena Wolff wurden einzelne Zitate für die Online-Version dieses Artikels angepasst, weil sich Elena Wolff in den betreffenden Passagen missverständlich zitiert sah.

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