Flood the Zone With Trust – Fünf Tage Elevate Festival zwischen Dancefloor und Debatte

Von 5. bis 9. März fand zum 21. Mal in Graz das Elevate Festival statt. 2025 lockte es mit neuen und alten Locations, lang ersehnten Headliner*innen und richtig viel Sonnenschein zu fünf Tagen Diskurs, Kunst und Party.

© Clara Wildberger

Anstatt wie üblich Ende Februar fand das Elevate Festival dieses Jahr zum ersten Mal im März statt. Und wie es sich für den ersten Frühlingsmonat gehört gab es fünf Tage lang strahlenden Sonnenschein und Temperaturen über zwanzig Grad – perfekt gerade für die Outdoor Locations Aiola Upstairs am Schlossberg, dem Café Parkhaus im Stadtpark und der Terrasse des Heimatsaals. Zu den altbekannten Venues gesellten sich dieses Jahr außerdem drei neue Bühnen: das charmant abgefuckte GRNGR, der Minoritensaal mit Barock-Glamour und die Helmut List Halle in Flughafen Ästhetik, die hinterm Bahnhof doch ein Stück vom Stadtzentrum entfernt liegt und am besten erreicht wird, indem man sich am Radpackelträger mitführen lässt.

Vertrauenskrise oder Perspektivenwechsel?

Thematisch fand man mit »Trust Issues« für das Diskursprogramm auch 2025 eine schöne Worthülse für Diskussionen, Vorträge und Filmscreenings zu politischen Dauerbrenner-Themen wie KI, Klimakrise und Medienpolitik.

Am ersten ganzen Festivaltag konnte man gleich mit der Podiumsdiskussion »Medien in der Vertrauenskrise« in den neuen Alltag starten. Die Bühne war dabei mit Nadja Hahn, Daniel Drepper und Georg Renner zu drei Viertel mit im klassischen Journalismus etablierten Journalist*innen besetzt. Esra Karakaya war daher – ob bewusst oder unbewusst – eine Stimme für viele: Sie trat als Person of Color, Angehörige der Gen Z und als Fürsprecherin von Social Media auf. Sie war damit die einzige, die neue und vor allem andere Ansichten vertrat. In freundschaftlichem aber eindringlichem Ton richtete sie ihren Diskurspartner*innen aus, dass sie es seien, die die befürchtete Vertrauenskrise in Medien – von deren Existenz Karakaya by the way nicht überzeugt sei – befeuern, denn jene Menschen, die traditionelle Medien nicht erreichen, würden eben von anderen Medien abgeholt werden. Nur, dass diese anderen Medien hoffnungslos unterfinanziert seien, weil sich Fördergelder in Österreich nach wie vor auf die überwiegend weißen, alten, bürgerlichen Redaktionen der »elf verbleibenden Tageszeitungen« zentrieren. Charmant aber bestimmt nahm Karakaya ihren Diskussionspartner*innen die Scheuklappen ab und zeigte ihnen, dass sie selbst Platz machen und ihre Machtposition hinterfragen müssten.

Esra Karakaya (Bild: Peter Hutter)

Rave gegen Budgetkürzungen

»Flood the zone with trust« nannte Irina Nalis das bei der Eröffnungsrede im Orpheum und eignete sich damit kurzerhand ein Trump Zitat an, das im Original mit »shit« endet. Und weil das thematisch ja leider ganz hervorragend zu den aktuellen Entwicklungen rund um den selbsternannten Noch-nicht-Kanzler Kickl und überhaupt zu den (bundes-) politischen Entwicklung der letzten Wochen und Monaten passt, sprach auch Bernhard Steirer, der für die Programmation des »Rave gegen die Resignation« verantwortlich war, den Regierungswechsel an. Steirer mahnte vor Budgetkürzungen und einer verschärften politischen Lage – auch für die Kulturszene. Als Gegengift gegen unser auf Misstrauen gepoltes Mindset solle »Entanglement« helfen – die Fähigkeit das Gemeinsame zu sehen und sich zu trauen, aufeinander zu bauen, statt alles schwarz zu malen – oder noch schlimmer blau-schwarz.

Und bei Dan Deacons Konzert am Freitag konnte man dann Entanglement am eigenen Körper erfahren. Die bunte 2000er-Party im Orpheum verwandelte das Festivalmotto »Trust Issues« in ein choreografisches Sozialexperiment mit Publikumsbeteiligung. Dan Deacon teilte das Publikum in zwei Teile und wählte zwei Männer mit bunten Baseballcaps als Vortänzer deren Bewegungen so genau wie möglich vom restlichen Publikum kopiert werden sollten. Selbst wer musikalisch von Dan Deacons ikonisch simplen Beats gepaart mit Micky-Maus-Stimme und lustigen Computer-Melodien nicht abgeholt wurde, konnte der Kollektiv-Choreografie mit Faschingsumzugscharakter zumindest ein Grinsen abgewinnen. Zum Abschluss eskalierte das Spektakel in einem Moshpit mit dem unschuldigen Ziel so viele Highfives zu kassieren wie möglich, denn : »The person who high-fives everyone will live forever!«

Elevate Festival (Bild: Johanna Lamprecht)

Elektronische Klangwelten im Barocksaal

Aber auch Herzen, die für musikalische Randerscheinungen schlagen, kamen dieses Jahr am Elevate wieder auf ihre Kosten. Am Freitag und Samstag gab es eine Reihe Kurzkonzerte im Minoritensaal bei denen elektronische Soundscape-Künstler*innen das Acousmonium bespielten – ein Raumklangsystem das seit den 1980er-Jahren in Paris entwickelt wird und aus rund fünfzig verschiedenen Speakern in Weltraumoptik besteht. Die Lautsprecher, die wie rote Augäpfel, spaceige Kleiderständer oder Planeten aussehen, bildeten einen schrägen Kontrast zu den barocken Goldschnörkseln an den Wänden. Elegisch, melodisch, simpel und gehaltvoll zugleich wurde der Raum in akustische Casper-David-Friedrich-Gemälde verwandelt. Die Konzerte von KMRU, François J. Bonnet und Christina Vantzou stellten sich als eine fast körperlich spürbare Klangerfahrung dar. Durch den Surroundsound des Acousmoniums konnte man völlig in die Klangwelten der Musiker*innen eintauchen.

Pommes, Makava und Entanglement

Ein weiterer Schauplatz war die Helmut List Halle, die mit den genauso breit gebauten wie wortkargen Securities und einer schamlos charmelosen Bar sicherlich eine der Most-untrusted-Venues war. Dank der Acts schaffte man es aber auch hier bis sechs Uhr früh einen besonderen Abend zu genießen.

Helena Hauff, die schon vergangenes Jahr hätte auftreten sollen, heizte das Publikum mit treibenden Technobeats ihres Vinyl-only-Sets an. Eine der ausgefallensten Performances war aber die von Lorenzo Senni. Liebevoll detailreich hatte sein Auftritt fast schon einen Gesamtkunstwerk-Charakter: Skinny Jeans trafen auf Skater-Ästhetik, auf den Visuals las man das Datum »1. Jänner 2000«. Musikalisch teaserte Lorenzo durch geloopte Soundschnipsel, die sich immer weiter verdichteten und neue Spuren aufmachten, sowie durch metallische fetzige Soundelemente einen Drop an, der nie kam. Das Abweichen von dieser gewohnten Spannungskurve machte aber auch jenen Reiz aus, den die Fans der ersten Reihe direkt vor der Bühne zu schätzen wussten: tanzende Ellbogen, flatternde Haare, grinsende Gesichter und ein hüpfender Lorenzo.

Elevate Festival (Bild Philippe Gerlach)

Entanglement kann am Elevate neben musikalischem Mitgerissen-Sein aber auch so aussehen: in den frühen Morgenstunden bei Makava und geteilten Süßkartoffelpommes mit neuen Bekanntschaften in tiefsinnige Gespräche über Kunst und Kultur abtauchen.

Ein Sakraler Ausklang

Am Sonntag wurden gänzlich andere Töne angeschlagen, nämlich weitgehend akustische mit Flügel und Orgel. Zu den zwei Closing Concerts versammelten sich eine Handvoll tapferer Restfestivalgäst*innen vor dem Grazer Dom. Kirchen als Veranstaltungsvenues fühlen sich ja immer ein bisschen weird an. Mit brennenden Teelichtern am Opferstock, dem lila Fastentuch vorm Altar und den biblischen Wandfresken fühlte man sich wirklich ein bisschen als würde man die Kirche entweihen, auch wenn die Musik von Roedelius sowie Kali Malone vibemäßig sehr gut zur Kirchenatmosphäre passte. Die langgehaltenen getragenen Melodien verströmten trotz Monotonie Wärme. Was auch bitter nötig war, vor allem für jene, die sich von der ruhigen Musik dazu hinreißen ließen, sich auf dem Marmorboden auszustrecken und mit geschlossenen Augen zu lauschen, um sich schon mal dem emotionalen Kater der vergangenen fünf Festivaltage zu widmen. Auf jeden Fall ein perfekter Festivalabschluss.

Elevate Festival (Bild: Clara Wildberger)

Das Elevate Festival 2025 fand von 5. bis 9. März in Graz statt.

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