„Wir sitzen praktisch auf vier Stockwerken Keller“
Warum lösen Keller und unterirdische Gänge in den meisten Menschen gleichzeitig Unbehagen und Euphorie aus? Und was macht man eigentlich, wenn man in einem Keller plötzlich eine Stimme hört? Autorin Gabriele Lukacs kann diese Fragen beantworten.
von Elisabeth Hofer, Susanne GarberGanze sieben Bücher hat Gabriele Lukacs über Gruselorte und den Untergrund von Wien geschrieben – in den meisten davon geht es um Folter, Mord und andere Grausligkeiten. Dabei hat sie Wirtschaft studiert und als Unternehmensberaterin gearbeitet. Im Interview erzählt sie, warum es sie in die Keller der Stadt hinunterzieht und wieso sie niemals Angst vor der Dunkelheit hat.
Was fasziniert die Menschen eigentlich am Untergrund?
Gabriele Lukacs: Ganz sicher einmal das Unbekannte und natürlich auch das Unheimliche. Ein Keller ist zwar fast immer finster, dreckig und stinkt. Und genau deshalb wird er nicht gerne betreten. Und was wir nicht kennen, das fasziniert uns.
Liegt da eine kindliche Angst dahinter?
Gabriele Lukacs: Ja, aber warum haben Kinder Angst vorm Keller, auch wenn ihnen dort noch nie etwas passiert ist? Vielleicht, weil wir alle Angst vor der Dunkelheit haben. Das ist eine Urangst, die eigentlich nicht rational erklärbar ist.
Haben Sie manchmal noch Angst vor Kellern?
Gabriele Lukacs: Nein. Ich hatte noch nie Angst davor, auch als Kind nicht. Die meisten Keller sind ja nicht ganz dunkel. Meistens kann man ein Licht einschalten. Und für den Notfall habe ich immer eine Taschenlampe dabei. Egal ob ich allein oder mit anderen Leuten unterwegs bin, es kann immer einen Stromausfall geben. Aber heutzutage hat ohnehin fast jeder ein Handy und somit Licht.
Wie hat Ihre Leidenschaft für die Unterwelt begonnen?
Gabriele Lukacs: Ich bin studierte Unternehmensberaterin. Dann habe ich den Beruf gewechselt und bin jetzt seit vielen Jahren Wiener Stadtführerin. Da erzählt man den Leuten immer „links sehen Sie und rechts sehen Sie“, aber meistens oberirdisch. Nach vielen Jahren habe ich mich dann dafür zu interessieren begonnen, was eigentlich da unten ist. Dann habe ich zuerst die Kirchengrüfte angeschaut. Das ist schon faszinierend, mit den Leichen oder Mumien, die da herumliegen. Naja und dann kommt man halt immer mehr in dieses Thema hinein. Viele andere sagen, sie wollen von Kellern nichts wissen, aber mich hat interessiert, was hinter der verschlossenen Tür ist. Und ich finde es faszinierend, dass es in Wien vier Stockwerke hinuntergeht. Wir sitzen quasi auf vier Stockwerken Keller. Der ganze Schottenhof zum Beispiel ist labyrinthartig untertunnelt.
Wann wurden diese Kelleranlagen angelegt?
Gabriele Lukacs: Das ist das große Rätsel. Niemand weiß das genau, weil es nie aufgeschrieben wurde. Entweder waren die Keller immer geheim oder es war einfach so selbstverständlich, dass ein Haus einen Keller hat, dass man es auch nicht aufgeschrieben hat. Die Frage nach dem Warum macht natürlich auch einen Teil der Faszination aus. Denn, wer ist so wahnsinnig und gräbt vier Stockwerke Keller, wenn man eigentlich nur eines braucht?
Im 12. Jahrhundert waren schon nachweislich Tunnel da, die heute noch stehen. Der 12-Apostel-Keller zum Beispiel. Meine Theorie ist, dass diese Keller aber schon vor dem 12. Jahrhundert gebaut wurden.
Haben Sie einen Lieblingskeller?
Gabriele Lukacs: Ja, das ist in einem Kloster, wo es auch mehrere Stockwerke gibt, und wo es auch noch die Verbindungsgänge gibt. Das ist ja das Faszinierende: Keller allein ist noch nicht so toll, aber die Verbindungskeller…
Wie entdecken Sie neue Keller?
Gabriele Lukacs: Immer wenn ich sehe, dass irgendwo die Haustüre offen ist, schaue ich rein. Wenn zufällig auch die Kellertür offen ist, dann schau ich da natürlich auch nach. Ich bin eine neugierige Nase und die Taschenlampe ist ja immer dabei.
Wie beginnen Sie die Recherchen für Ihre Bücher?
Gabriele Lukacs: Zunächst mache ich eine Internet-Recherche. Dann gehe ich natürlich in die Archive, schaue was mit dem Haus geschichtlich gewesen ist, ob da irgendwas Interessantes passiert ist. Es muss spannende Geschichten dazu geben, sonst interessiert mich der Keller nicht. Jedes Haus in Wien hat einen Keller, aber in manchen ist etwas Besonderes passiert.
In Ihrem Buch „Orte des Grauens“ erzählen Sie von einer übernatürlichen Begegnung im Keller…
Gabriele Lukacs: Da waren wir in einem Kotter, also in einem alten Gefängnis. Der Museumsbetreiber hat uns erzählt, dass dort immer wieder ein Geist gesichtet wird. Wir sind dann mit der Gruppe „Paranormal“, die übernatürliche Phänomene untersucht, dort hingegangen und die haben dann eine Art Geisterbeschwörung gemacht. Da hat sich dann eine Stimme gemeldet. Dem Fotografen und mir standen die Haare zu Berge. Wir haben danach die Flucht ergriffen, weil es uns zu unheimlich wurde.
Wo kam diese Stimme her?
Gabriele Lukacs: Ich habe gehört, dass dort eine Frau eingesperrt wurde, die im früheren Leben die Geliebte des heutigen Kotter-Betreibers war. Das ist schon gruselig, wenn man dort steht und das so hautnah erlebt.
Die meisten Ihrer Bücher handeln von unheimlichen Orten…
Gabriele Lukacs: Ja. Es geht schon immer um das Thema unheimliches Wien, Unterwelt und Gruselhäuser. Aber jetzt bin ich dann bald fertig mit dem Thema „Grauslichkeiten“. Du rührst sonst immer in diesem Sumpf aus alten Geschichten herum. Das färbt schon auf einen ab, wenn man sich ständig mit alten Hinrichtungsstätten beschäftigt. Ich wollte das aber alles noch einmal aufarbeiten und dokumentieren.
Mehr über Gabriele Lukas und ihre Führungen kann man hier nachlesen.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Multimedia-Ateliers am Institut für Journalismus & Medienmanagement der FH Wien der WKW entstanden.