Der Superheld macht seinen Job und rettet die Welt. „InFamous 2“ präsentiert sich vorab als handwerklich sauberes Abenteuer mit wenig Ecken und Kanten.
Mit dem ebenfalls PS3-exklusiven Vorgänger gelang Entwickler Sucker Punch und Publisher Sony ein Achtungserfolg. Das Open-World-Abenteuer war zwar recht generisch und ein bisschen bieder angegelegt, überzeugte aber durch mehr als solide Technik. Und die Community reagierte dann doch erbost, als man Änderungen versuchte: Als auf der letzten E3, Held Cole McGrath völlig verändert auftauchte, war die Entrüstung spürbar, die Bereitschaft zum Kompromiss der Entwickler ebenfalls: Protagonist Cole sieht nun wie im ersten Teil aus, nur, dass eine Narbe sein Gesicht ziert und er Jacke gegen T-Shirt tauschte.
Dagegen hat sich bei Kampfsystem und Szenario einiges mehr getan. Neben neuen Fernattacken beherrscht der unter Strom stehende Cole endlich auch explosive Nahkampfattacken: Sein elektrisch geladener Stab richtet Feinde ordentlich zu, bei ausgelösten Specials rückt die Kamera filmreif näher. Und es gibt nun Bossgegner, die den Namen verdienen – riesige, Godzilla-hafte Ungetüme, die durch Straßen poltern und eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Das macht Eindruck, lässt den Jäger regelmäßig zum Gejagten werden.
Während triste Grautöne die virtuelle Großstadt des Vorgängers prägten, dominiert nun ein farbenfroherer Anstrich; „New Marais“ orientiert sich an New Orleans mitsamt seines wärmeren Klimas. Ebenfalls der Atmosphäre zuträglich sind die verschiedenen Bereiche von „InFamous 2“, die spielerisch Abwechslung versprechen; so verlangen beispielsweise Abschnitte im Sumpf nach neuen Strategien: Umgeben von Wasser, das dem aufgeladenen Helden gar nicht gut bekommt, sollte eher heimlich und leise vorgegangen, Superkräfte sparsam verwendet werden. Schließlich sind nicht immer Stromkästen oder Laternen zum Aufladen in Reichweite.
Besonders stolz ist Game Director Nate Fox auf den neu integrierten Missionseditor, der theoretisch unendlich viele Aufgaben parat hält. Egal ob „Seek and Destroy“, „Survival“, Defend“ oder „Escort“- die Optionen sind zahlreich, bieten aber nur bedingt Neues. Diverse Parameter (Gegner, Waffen, Gebäude, Ziele) für eigene Missionen sind verfügbar. Das Programm berechnet und erstellt den Rest, Gebiete können nicht „von Hand“ gebaut werden. So gesehen hinkt der Vergleich mit Lego, den Fox anstellt. Experimentierfreudige Gamer freuen sich trotzdem über das neue Feature.
Hoch im Kurs steht bei den Entwicklern nach wie vor „Climbing and Sliding“ – das zieht sich wie ein roter Faden durch zahlreiche Spiele von Sucker Punch. Diese Elemente wurden verbessert, auch wenn wir der Meinung sind, dass in puncto Geschmeidigkeit und Animation noch mehr möglich wäre. Das neu überarbeitete Moralsystem verspricht „weitreichende Konsequenzen“ der getroffenen Entscheidungen. Dabei ist es möglich, regelmäßig die Seiten zu wechseln – ganz nach Lust und Laune. Bis zum „point of no return“: „Dann entscheidet sich, ob die Geschichte ein gutes oder schlechtes Ende nimmt“, sagt Fox. Zwei Frauen stehen dem Helden zur Seite: die eine bis zur Selbstaufgabe dem Gemeinwohl verpflichtet, die andere bloß auf Rache sinnend – ohne Rücksicht auf Verluste. Engel und Teufel gewissermaßen, die beständig in Cole’s Ohr flüstern. Abhängig vom eingeschlagenen Weg kommt der Held in den Genuss von Eis- (gute Seite) oder Feuerzauber (böse Seite), die ihn Schritt für Schritt mächtiger machen. Spiderman-Fan Nate Fox will damit vor allem folgende Botschaft anbringen: „With great power comes great responsibility“. Der Held und die ihn umgebende Welt stünden in enger Beziehung zueinander. „The world depends on Cole. And he depends on his world“. Jede Aktion hat Folgen, so Fox, die Spieler würden das rasch begreifen und Entscheidungen genauer überdenken.
„InFamous 2“ bietet mehr Superkräfte, größere Gegner und ein reizvolleres Szenario als sein Vorgänger, wirkt zudem zugänglicher und polierter. Nach wie vor ist es eine kühle, steril anmutende Welt. Viele Gamer werden die konsequente Weiterentwicklung begrüßen, einige Ecken und Kanten vermissen.