Das Thema Garten ist gerade in der Kleinstadt Tulln ein gut abgegrastes Feld. Das Ausstellungsformat „Garten der Künstler“ setzt jedoch ganz neue Impulse und macht den Garten zur Spielwiese für Gedankenexperimente und künstlerische Auseinandersetzung.
Die Kleinstadt Tulln ist vor allem als Gartenstadt bekannt. Jahr für Jahr pilgern ganze Menschenströme zur großen Tullner Gartenbaumesse im September und holen sich dort sowohl bündelweise Blumen als auch Inspiration zur Gestaltung ihrer eigenen Gärten ab. Dass nun ausgerechnet in Tulln eine Ausstellung stattfindet, die den Titel „Garten der Künstler“ trägt, ist auf den ersten Blick also nur wenig verwunderlich. Verwunderung dürfte bei einigen AusstellungsbesucherInnen wohl erst dann aufgekommen sein, als sie feststellten, dass es bei der von Wolfgang Giegler kuratierten Ausstellung ganz und gar nicht darum geht aufzuzeigen, auf welch kunstvolle Weise Zierpflanzen nebeneinander arrangiert werden können. Obwohl in den Ausstellungsräumen hier und da doch ein Fundstück aus der Natur sichtbar wird, soll der Garten hier nämlich in erster Linie als Metapher funktionieren. Romantische Gartenidylle sucht man im „Garten der Künstler“ deshalb vergeblich, findet sich dafür als AusstellungsbesucherIn bei manchen Werken schnell außerhalb der eigenen Komfortzone – oder besser, außerhalb des eigenen Gartenzauns – wieder. Und das ist auch gut so, denn Giegler und sein Team möchten mit ihrer Ausstellung dazu anregen über den Umgang mit natürlichen Ressourcen nachzudenken. „Die Lösung vieler Probleme, die uns alle etwas angehen, findet man nicht im eigenen Garten, sondern außerhalb“, fasst Wolfgang Giegler zusammen. Das Motto der Ausstellung, „Außerhalb des Zauns liegt das Wunder“ rahmt diesen Ansatz treffend ein. Die teilnehmenden KünstlerInnen beschäftigten sich deshalb weniger mit dem Garten selbst, sondern vor allem mit außenliegenden Bereichen, wie beispielsweise den Gegenbegriffen Zivilisation (vs. Wildnis), Kultur (vs. Natur) und Gstättn (vs. Garten). Natürlich lässt sich der Titel der Ausstellung aber auch einfach als Ausstellungsort zeitgenössischer Kunst lesen, als eine Art räumliche Metapher und Spielwiese für künstlerische Tätigkeiten.
Der Garten als utopischer Ort
„Die Idee zur Ausstellung entstand eigentlich schon vor zwei Jahren unter dem Titel ‚Green Art‘. Der konkrete Plan stand allerdings erst letzten Sommer. Wir wussten aber bereits von Anfang an, dass es nötig sein würde aus dem klassischen Gartenthema auszubrechen und einen Garten zu eröffnen, der eben nicht der Garten von Tulln, sondern der Garten der Künstler ist. Einer unserer Ansprüche war es, uns anzusehen, wie die zeitgenössische Kunst auf die Themen ‚Natur, Wildnis, Garten‘ reagiert und mit den Fragen, die die zeitgenössische Kunst stellt, die Grenze des Gartenzauns zu überschreiten und so neue Perspektiven zu eröffnen“, so Giegler. Von der Tatsache einmal abgesehen, dass man mit einer solchen Ausstellung in der Gartenstadt Tulln einen gänzlich neuen Impuls setzt, passt der „Garten der Künstler“, wie Giegler betont, auch aus einem anderen Grund sehr gut nach Niederösterreich: „Viele Künstler gehen irgendwann von der Stadt aufs Land. Waren sie zuvor in Wien ist das oft Niederösterreich. Natürlich schlägt sich das dann in der Kunst nieder. Wie man hier ganz gut sehen kann, nicht dadurch, dass dann alle plötzlich nur noch Naturbilder malen, aber es findet natürlich immer eine Auseinandersetzung mit dem neuen Umfeld statt.“ Einer dieser Künstler, bei dem das ganz genau so war, ist Alois Mosbacher. Unter dem Titel „Ascension“ zeigt der Künstler in Tulln 14 Zeichnungen, die genau der Fläche seines eigenen Gemüsegartens entsprechen. Obwohl seine Arbeiten schon immer eher im Naturraum angesiedelt waren, ist es seit zwei oder drei Jahren verstärkt der eigene Garten, der in seinen Bildern vorkommt. Trotzdem ist die Natur für den Künstler keine inhärent romantische Sache. „Ich gehe zwar schon gerne im Wald spazieren und nütze die Natur als Ort der Erholung, trotzdem ist der Garten für mich eher ein utopisches Modell. Der Garten war immer schon ein utopischer Ort oder Unort, vielleicht auch ein besserer Ort. Das wird ja bereits deutlich, wenn man an den Garten Eden denkt, der immer irgendwie ein Sehnsuchtsort geblieben ist. Die Suche nach einem besseren Leben liegt im Menschsein. Der Garten eignet sich dafür, auf diese Utopie hinzuzielen“, so Mosbacher. Den Titel „Ascension“ hat er sich von einer amerikanischen Fernsehserie ausgeborgt, bei der es um einige 100 Menschen geht, die im Jahr 1963 in einem Generationenraumschiff ins All geschickt werden. Allerdings wird im Laufe der Serie klar, dass der Plan der Besiedlung fremder Planeten nie realisiert werden sollte. Giegler war es deshalb wichtig, die Bilder Mosbachers in direkter Verbindung mit dem Zukunftsschwerpunkt der Ausstellung, „Welt mit Zukunft“ zu zeigen. Wie schnell sich eine scheinbare Utopie in ein dystopisches Zukunftsmodell verwandeln kann, kommt nämlich sowohl in der Fernsehserie als auch in Mosbachers Vorstellung vom utopischen Garten zum Ausdruck.
In Umwegen zur Kunst
Etwas mehr Bodenhaftung behält die junge Künstlerin Verena Weninger. In Tulln zeigt sie eine größere Installation aus bis zu 70 Jahre alten Efeuzweigen und mehrere kleine Werke, die aus Fundstücken aus der Natur bestehen. „Die Sachen, die ich verwende, finden mich. Ich sehe meine Arbeiten deshalb auch ein wenig als Zeitzeugenarchiv, das vor allem aus Rückständen gespeist wird. Vieles begegnet mir an Orten, die wenig wahrgenommen werden, wie irgendwo am Rand einer Bus- oder U-Bahnstation. Die Ästhetik suche ich, indem ich mir auch den Verfall anschaue – in der Natur wie auch in uns“, erklärt sie. Weninger geht deshalb bewusst gerne Umwege und erhofft sich dabei auch im städtischen Bereich etwas Wildnis aufzuspüren –Sehnsuchtsorte, oder eben auch utopische Orte, die sie vor allem in Gstättn und Brachen findet. Es mag auch an ihren Ausbildungen zur Floristin und Nationalpark Rangerin liegen, dass der Künstlerin vor allem ein textueller und sinnlicher Bezug wichtig ist. In ihrem Denken und Arbeiten spielt immer die Frage mit, wie sich ein Bewusstsein dafür schaffen lässt, dass das Land nicht mehr, sondern eher weniger wird. Alois Mosbachers und Verena Weningers Arbeiten zeigen jedoch nur zwei vieler verschiedener Ansätze auf, die der Garten der Künstler aufgreift. Wofür der Garten als Bild sonst noch stehen kann, wenn man ihn aus seiner fixen Einfriedung herauslöst und es zulässt, dass die Ideen und Assoziationen weit über den Zaun hinauswuchern können, zeigt diese Ausstellung in vielen unterschiedlichen Positionen auf. Begleitet wird die Ausstellung von einem umfangreichen Vermittlungsprogramm, das verschiedene, thematische Schwerpunkte durch Workshops und Aktionstage setzt. Zu den Highlights zählen unter anderem die Artist Walks am 25. August sowie am 8. und 22. September
Mit Werken von Anna Aistleitner, Iris Andraschek, Sonja Bäumel / Manuel Selg, Alexander Biedermann, Cornelia Caufmann, Heinz Cibulka, Rainer Friedl, Sonia Gansterer, Matthew Gardiner, Gudrun Kampl, Leopold Kogler, Michael Kos, Richard Künz, Norbert Maringer, Julie Monaco, Alois Mosbacher, Markus Orsini-Rosenberg, Gotthard Schatz, Josef Schwaiger, Cynthia Schwertsik, Nicole Six / Paul Petritsch, Ingeborg Strobl, Lois Weinberger, Verena Weninger, Clemens Wolf, Erwin Wurm, Robert Zahornicky.
Die Ausstellung ist noch bis 30. September im Minoritenkloster Tulln zu sehen (Do-So, Feiertag 10-17 Uhr). Die Finissage findet gemeinsam mit dem letzten Artist Walk am 22. September statt.
Mehr Infos gibt es hier. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.